Liebe Leserin, lieber Leser,

die 104. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pathologie in Berlin hat als thematisches Leitmotiv unser Immunsystem mit besonderem Augenmerk auf dem adaptativen Immunsystem.

Es gibt wohl kein Teilgebiet der Pathologie, in dem Immunzellen nicht eine wesentliche Dimension der Organ- und der Systemerkrankungen darstellen. Bei vielen Organkrankheiten nimmt man das Immunsystem ganz global wahr, subsumiert im Konzept der chronischen Entzündung und deren unterschiedlichen histologischen Erscheinungsformen. Dann tritt es uns auch als Organsystem in Form strukturierter lymphatischer Gewebe entgegen. Dabei ist ein Immunzellinfiltrat in einem nichtlymphatischen Gewebe grundsätzlich eine zielgerichtete konzertierte Aktion, teleologisch gesehen ein Angriff auf und/oder Abwehr von etwas, das das Immunsystem als schädlich identifiziert hat. Die ständige Aktivität in den lymphatischen Geweben indessen dient der Aufrechterhaltung der Selbsttoleranz und der Remobilisierung gegen ehemals erfolgreich bekämpfte Noxen und der Erkennung neuer Noxen sowie der Generierung einer adäquaten Antwort darauf. Unser Immunsystem hält ein Leben lang DNA-Viren wie Zytomegalieviren (CMV), Herpesviren und Epstein-Barr-Viren (EBV), die, einmal erworben, nicht komplett eliminierbar sind, in Schach, ohne Aufhebens davon zu machen. Ebenso wird wohl sehr viel anderes Infektiologisches in aller Diskretion, sprich ohne Klinik, vom Immunsystem im Sinne einer „stillen Feiung“ (Pfaundler) erledigt und trägt so in einem durchaus aversiven mikrobiologischen Umfeld, das uns umgibt, wesentlich zum Gesundsein bei.

Diesen lebenswichtigen und -erhaltenden Effekten stehen Immundefizienz und Autoimmunität als krankheitsverursachendes Versagen dieses Schutzsystems entgegen. Bei Neoplasien – immuntheoretisch argumentiert Erscheinungen in der Interphase zwischen Selbst und Nicht-mehr-Selbst – ist es entweder zu tolerant oder wird von der Neoplasie aktiv paralysiert. Und nicht zuletzt kann das Immunsystem selbst erkranken, durch lymphotrope Viren wie EBV und HIV und durch eine maligne Transformation in Immunzellen, woraus dann die komplexe Welt der Lymphome resultiert.

Unserem Immunsystem ist diese Tagung gewidmet. Sie beginnt im Themenblock „Immunpathologie I“ mit Beiträgen zu angeborenen Immundefekten. Dazu gibt es einen Beitrag in diesem Themenheft von den Autoren Posovszky und Barth, die eine Ulmer Kohorte von MHC-Klasse-II-defekten Kindern mit intestinaler Dystrophie vor und nach allogener Knochenmarkstransplantation untersucht haben. Weiter fällt der Fokus auf den Makrophagen als die die Immunreaktionen und akute Entzündung orchestrierende Zelle, welche hier in ihrer funktionellen Diversität vorgestellt wird.

Das Immunsystem des Fettgewebes ist erst ansatzweise verstanden. Frau Fischer-Posovszky ist eine international anerkannte Forscherin auf diesem Gebiet und hat ihren Vortrag auf dieser Tagung als Beitrag für dieses Themenheft verschriftlicht.

Der Themenblock „Immunpathologie II“ widmet sich zunächst dem humanen Mikrobiom, gefolgt von Beiträgen über Immunproteomics und persistierende T‑Zell-Konotypen bei refraktärer Zöliakie sowie einem Übersichtsreferat von Frau Beck zu Autoimmunenteropathien, welches in diesem Themenheft zu lesen ist. Thema der Thymuspathologie sind mit der lymphofollikulären Thymushyperplasie assoziierte Lymphome. Das Komplementsystem ist in letzter Zeit besonders in der Nephropathologie interessant geworden, was in diesem Themenheft von Frau Amann beschrieben wird.

Der Themenblock „Immunpathologie III“ beginnt mit Beiträgen zur Rolle des inflammatorischen Mikromilieus in soliden Tumoren, über die Herr Denkert in diesem Themenheft ein Update gibt. Weitere Beiträge fokussieren und analysieren diese Immunreaktionen im Ösophagus-, im Magen-, im Kolonkarzinom und im pulmonalen Adenokarzinom.

Die Themenblöcke über die „Immunonkologie“ beginnen mit einer State-of-the-art-Lecture über Immunrezeptorsignale in Neoplasien. Danach folgen weitere Beiträge zu intratumoralen Immunreaktionen. Dazu gibt es ein Übersichtsreferat über das Mikroenvironment des Hodgkin-Lymphoms von Frau Mottok, das als letzter themenbezogener Beitrag in diesem Heft erscheint. Aus dem Lymphomgebiet gibt es Beiträge über Zellmigration im klassischen Hodgkin-Lymphom und dem großzellig-anaplastischen Lymphom sowie Beiträge zur Th17-Achse im follikulären Lymphom. Ein Meeting Highlight ist Herr Viardot, der über Erfahrungen der Lymphomonkologen mit CAR-T-Zell-Therapien sprechen wird. Weitere Themen wie invariante natürliche Killer T-Zellen (iNKT), Immune-Escape-Mechanismen und metabolische Einflüsse auf die Anti-Tumor-Immunität sowie PD‑1/PD-L1 und deren prädiktive Bedeutung im cholangiozellulären Karzinom, im Lungenkarzinom, im kutanen T‑Zell-Lymphom und im Harnblasenkarzinom werden ebenso zur „Immunonkologie“ beitragen wie Referate zur biomarkerbasierten Prädiktion des therapeutischen Ansprechens beim malignen Melanom.

Weitere Meeting Highlights sind Gastredner aus der deutschen Immunologie: Frau Romagnani referiert über „Tissue residency and ILCs“ und Herr Rodewald über „Deconvolution of hematopoiesis by fate mapping, barcoding, and single cell transcriptomics“.

Jeder, der Pathologie diagnostisch und wissenschaftlich betreibt, hat in seiner Arbeit mit dem Immunsystem zu tun. Die wissenschaftliche Pathologie hat sich in den letzten 20 Jahren erstaunlich entwickelt und dabei auch leider sehr diversifiziert, wofür die vielen Arbeitsgemeinschaften der DGP beredter Ausdruck sind. Die 104. Jahrestagung will mit dem wissenschaftlichen Hauptprogramm alle Subdisziplinen zusammenbringen und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine Übersicht über weite Teile unseres Faches vermitteln.

Ich hoffe, dass das vorliegende Heft von Der Pathologe schöne Erinnerungen an die 104. Jahrestagung der DGP erweckt.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen,

Ihr

P. Möller