Liebe Leserin, lieber Leser,

die 103. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pathologie in Frankfurt hat vier ausgewiesene Themenschwerpunkte (Präzisionsonkologie, endokrine Pathologie, Transplantationspathologie und Geschichte der Pathologie), die sehr bewusst ausgewählt wurden.

Die Weiterentwicklung der Präzisionsonkologie mit all seinen Möglichkeiten und Perspektiven stellt ein zentrales Thema der Pathologie dar. Die zentrale Rolle der Pathologie in translationaler Forschung und interdisziplinärer Krankenversorgung von Krebspatienten wird auf dem Kongress in zahlreichen Vorträgen und Postern aber auch mit mehreren Beiträgen in diesem Themenheft prominent dargestellt. Auch eine am 4. April in Bremen unterzeichnete offizielle Kooperation der Deutschen Gesellschaft für Pathologie und der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin fußt auf der Erkenntnis, dass beide Fachrichtungen durch ihre spezifischen diagnostischen Verfahren im hohen Maße voneinander profitieren können; die diagnostischen Möglichkeiten der Nuklearmedizin können im Idealfall auch zur Therapie angewendet werden (sog. Theranostics) und so wie die Pathologie durch Molekularpathologie, FISH/CISH und Immunhistochemie die maßgeblichen Parameter für moderne Therapieverfahren der Onkologen liefert, muss sie auch der Lotse für die möglichst spezifische Anwendung nuklearmedizinischer Therapieoptionen werden.

Prädiktive Biomarkeranalysen sind somit die Grundlage für zielgerichtete Krebstherapien und immunonkologische Behandlungen im Rahmen der Präzisionsonkologie. Die Etablierung und Anwendung molekularpathologischer und immunhistochemischer Methoden in diesem Zusammenhang wird die Tätigkeit von Pathologen auch in Zukunft weiter stark prägen – das Thema nimmt in aktuellen wissenschaftlichen und berufspolitischen Debatten breiten Raum ein und findet sich daher auch in diesem Heft prominent wieder. Dabei werden aktuelle Methoden kenntnisreich, umfassend und kritisch dargestellt: Exemplarisch seien hier die von A. Stenzinger, S. Merkelbach-Bruse und U. Lehmann verantworteten Beiträge erwähnt, die sich mit Chancen und Limitationen großer Sequenzierpanels, der Datenbank-basierten Bewertung von Sequenzierergebnissen und der „liquid biopsy“ befassen. Hervorzuheben sind auch die Beiträge von D. Zielinski zur Digitalisierung und Multiplex-Immunhistochmie als prädiktive Biomarker für neue Immuntherapeutika sowie der CME-Beitrag von W. Dietmaier et al. zum aktuellen Stand der Mikrosatelliten-Analyse. Weitere Artikel von H. Reis et al. und R. Büttner et al. zeigen Anwendungen prädiktiver Biomarkeranalysen in der Uropathologie und im großen Verbund des nationalen Netzwerks genomische Medizin Lungenkrebs (nNGM-Lunge) auf.

Im Bereich der endokrinen Pathologie ergeben sich durch die Mitte 2017 erschienene 4. Auflage der WHO-Klassifikation eine Reihe wichtiger Änderungen, die allerdings schon bei der Klassifikation für NET und NEC (Beitrag von G. Klöppel in diesem Themenheft) eine aktuelle Weiterentwicklung erfahren hat. Für die Pathologie der Schilddrüsentumoren hat die WHO-Klassifikation zwei bahnbrechende Änderungen gebracht. Einerseits wurde mit der Einführung der „nicht-invasiven follikulären Neoplasie mit PTC-äquivalenten Kernmerkmalen“ (NIFTP) der bisher anzuwendende Begriff „Krebs“ für einen biologisch anerkannt indolenten Tumor äußerst begrüßenswert vermieden; mit der doch subtilen und aufwändigen Diagnose der NIFTP beschäftigt sich der Beitrag von S. Theurer et al. in diesem Themenheft. Die zweite wichtige Änderung betrifft die Malignitätskriterien von Schilddrüsentumoren. Während früher die Invasion in Gefäße und Tumorkapsel die Dignität von Schilddrüsentumoren bestimmte, sind nunmehr Mitosen und Tumornekrosen gleichwertig als Kriterien der Malignität anerkannt. Dies hat insbesondere für die Diagnose des gering differenzierten Schilddrüsenkarzinoms eine enorme diagnostische Relevanz, womit sich der Beitrag von M. Dettmer et al. in diesem Themenheft umfassend auseinandersetzt.

Zum Schwerpunkt Transplantationspathologie gibt der Beitrag von J. Wohlschläger et al. einen aktuellen Überblick über die neueste ISHLT-Klassifikation zur Lungentransplantation, wobei besonders auf die humorale (antikörpermediierte) Abstoßung und deren morphologische und immunhistochemische Kriterien eingegangen wird. Im Beitrag zu modernen Konzepten zur dynamischen Konservierung von Leber und Nieren im Rahmen einer Transplantation (C. von Horn et al.) werden neue Verfahren zur Maschinenperfusion dieser Organe vorgestellt, was den Spenderpool um marginale Spenderorgane entscheidend auszuweiten helfen wird.

Im Rahmen der diesjährigen Jahrestagung in Frankfurt findet eine Ausstellung zur NS-Zeit in der Pathologie statt; Grundlage dafür ist ein gemeinsames Projekt der Deutschen Gesellschaft für Pathologie und des Berufsverbandes Deutscher Pathologen e. V. In diesem Heft wird der erste Artikel einer Reihe von Darstellungen von Opfern und Tätern unter Pathologen der NS-Zeit erscheinen („Die doppelte Ausgrenzung des Pathologen und NS-Opfers Paul Kimmelstiel“; Groß et al.).

Wir hoffen, dass das vorliegende Heft von Der Pathologe zur 103. Jahrestagung der DGP umfangreiche Informationen zu spannenden aktuellen Themen, aber auch der Geschichte der Pathologie liefern kann.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen, Ihre

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K. W. Schmid

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H. A. Baba

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H.-U. Schildhaus