Professor Dr. med. Filippo Gullotta, Gründungsdirektor des Instituts für Neuropathologie der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster, verstarb am 07. August 2018 im Alter von 87 Jahren. Der Tod kam als Erlösung von einer – bittere Ironie des Schicksals – längeren progredienten neurodegenerativen Erkrankung.

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Filippo Gullotta

Filippo Gullotta wurde am 04. Februar 1931 in Catania auf Sizilien geboren. Er studierte dort von 1948 bis 1955 Medizin. Anschließend arbeitete er kürzere Zeit an der Nervenklinik der Universität Catania und nach dem Militärdienst fast 3 Jahre am Institut für Pathologie der Universität Modena. Danach ging er 1960 als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung an das Institut für Neuropathologie der Universität Bonn zu Prof. Dr. Gerd Peters. Diesem folgte Filippo Gullotta 1961 als wissenschaftlicher Assistent für gut 2 Jahre an die Abteilung für Neuropathologie des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München. Ab 1963 war er dann 20 Jahre am Institut für Neuropathologie der Universität Bonn (Direktor Prof. Dr. Günter Kersting) tätig, wo er sich 1966 im Fach Neuropathologie über „Das sogenannte Medulloblastom“ habilitierte. 1970 wurde er zum wissenschaftlichen Rat und Professor ernannt. Im Jahr 1980 lehnte er eine Berufung zum Direktor der Neuropathologischen Abteilung des Universitätsklinikums Aachen ab. Er hat entscheidend die Jahrestagung der „Deutschen Gesellschaft für Neuropathologie und Neuroanatomie e. V. (DGNN)“ im Jahr 1978 in Bonn und immer wieder gemeinsame Treffen deutscher und italienischer Neuropathologen mitorganisiert.

Den beschwerlichen Weg bis zum Ordinarius für Neuropathologie an der WWU Münster und weiter bis zu einem Institut, das diesen Namen verdient, hat Filippo Gullotta in einer Chronik beschrieben. Wer ihn kannte, wird darin vieles von seinem Denken, seiner Klugheit, seiner Beharrlichkeit und seinem Humor wiedererkennen: Präzise und klar in der Darstellung der Fakten, mit großem analytischem Verstand hinsichtlich menschlicher und bürokratischer Wege und Irrwege, das unermüdliche Kämpfen für sein Ziel und eine Beschreibung, die seinen großen Sinn für Humor zeigt.

Von den ersten Überlegungen bezüglich der Schaffung einer Neuropathologie in Münster Anfang der 1970er-Jahre dauerte es bis zum 01.04.1983, an dem Filippo Gullotta offiziell seine Tätigkeit auf dem Lehrstuhl für Neuropathologie der WWU Münster aufnahm, fast 2 Jahre nach der Ruferteilung. Anfangs stand ihm dann auch wirklich nicht viel mehr als ein Lehrstuhl zur Verfügung. Aber er wollte in Münster ein richtiges Institut für Neuropathologie aufbauen. Mit der ihm eigenen Geduld und Hartnäckigkeit hat er dieses Ziel konsequent verfolgt.

Dabei war er unglaublich zuverlässig, was ihm großes Ansehen auch unter den Pathologen verschafft hat, und was neben seiner außerordentlichen Fachkompetenz und einer sehr schnellen Befundbearbeitung auch einer der Gründe für die rasch zunehmenden Eingangszahlen und für seine vielen autoptischen und bioptischen Konsilfälle war. Als sein Assistenzarzt hat man davon massiv profitiert und der Verfasser konnte erst nach eigener langjähriger Tätigkeit als Neuropathologe wirklich ermessen, wie viele absolute neuropathologische Raritäten er bei ihm zu sehen bekommen hatte.

Am 25.10.1988 war es dann soweit: Filippo Gullotta wurde offiziell das Institut für Neuropathologie der WWU Münster übergeben im umgebauten ehemaligen „Gemeinschaftshaus“ des Universitätsklinikums, zuletzt Sitz der psychiatrischen Poliklinik. In seiner Benachrichtigung der Leitenden Neuropathologen weist er darauf hin, dass 340 Jahre zuvor in Münster mit der Unterzeichnung des „Westfälischen Friedens“ der Dreißigjährige Krieg nach 5 Jahren zäher Verhandlungen zu Ende gegangen ist. Bei ihm waren es 5 ½ Jahre Verhandlungen …

Ohne Zweifel verdankt das Institut für Neuropathologie der WWU Münster seine Existenz ganz vorrangig Filippo Gullotta, der dafür so manche Entbehrungen und Enttäuschungen und äußerst schwierige Verhandlungen auf sich genommen hat, wozu wahrscheinlich nur wenige Kolleginnen und Kollegen bereit gewesen wären. Er hat dann das Institut bis zu seiner Emeritierung 1998 geleitet, gefolgt von Prof. Dr. Werner Paulus.

Filippo Gullotta war ein exzellenter, hocherfahrener Neuropathologe, wahrscheinlich einer der letzten „Allrounder“ unseres Faches, der neben seinen Spezialgebieten, der Tumorneuropathologie und der Entwicklungsneuropathologie, ein großes Wissen über neurodegenerative und entzündliche Erkrankungen besaß und auch sehr erfahren in der Myopathologie sowie in der Diagnostik intestinaler Innervationsstörungen war. Er hat mehr als 300 Arbeiten zu den unterschiedlichsten Themen der Neuropathologie publiziert. Er verstand sich aber vorrangig als klinischer Neuropathologe und war auch an der Entstehung der Zeitschrift Clinical Neuropathology entscheidend beteiligt.

Er war ein begeisterter Hochschullehrer, der es aufgrund seines großen Wissens und seiner großen Erfahrung verstand, auch komplizierte neuropathologische Sachverhalte klar und verständlich darzustellen. Seine auch mit einer guten Prise Humor versehenen Vorlesungen waren daher äußerst beliebt genauso wie die Kursveranstaltungen der Neuropathologie. Hier unterstützten ihn seine eigenen und auch Assistenzärztinnen und Assistenzärzte der Pathologie. Es war Tradition, dass er alle Helfer zum Essen einlud, natürlich zu einem sehr guten Italiener, und hier konnte man ihn als echten Sizilianer kennenlernen. Das italienische Palaver mit dem Restaurantchef war immer ganz großes Theater, obwohl wir alle praktisch kein Wort davon verstanden haben.

Seine ausgezeichneten didaktischen Fähigkeiten hat er auch in mehreren hochgeschätzten IAP-Seminaren gezeigt.

Daneben besaß Filippo Gullotta auch viele „typisch deutsche“ Eigenschaften, wie z. B. seine Arbeitsdisziplin, seine Zielstrebigkeit und seine Zuverlässigkeit.

Dem Verfasser hat er sehr viel Freiheit bei seiner Habilitation gelassen, auf seine zugesagte Hilfe war aber hundertprozentig Verlass.

Die Familie spielte für Filippo Gullotta auch eine sehr wichtige Rolle. Seine Gattin Helmtrud war die starke Frau, die ihm den Rücken freihielt. Sie und die 3 Söhne Giovanni, Giorgio und Giulio wurden auch zu Hause in Bonn (wo die Familie immer wohnen geblieben ist und er auch seinen Lebensabend verbracht hat) oft direkt mit der Neuropathologie konfrontiert, die für Filippo Gullotta mehr eine Berufung als ein Beruf war. So wurden z. B. Urlaubsziele manchmal auch danach ausgewählt, wo man einen befreundeten Neuropathologen besuchen konnte.

Der viel zu frühe Tod seiner geliebten Frau im Jahr 2004 hat ihn zutiefst getroffen und gab Anlass zu großer Sorge um ihn. Seine 4 Enkelkinder haben dem liebevollen Großvater aber seinen Lebensmut wieder zurückgegeben.

Filippo Gullotta war privat sehr an Literatur, bildender Kunst und Geschichte interessiert.

Wir verlieren mit ihm einen hervorragenden Neuropathologen, einen brillanten Lehrer seines Fachs und einen liebenswürdigen, klugen und humorvollen, unvergesslichen Menschen.

Grazie e ciao, Filippo Gullotta!

Klaus Kuchelmeister

Bonn