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Jochen Kunz

Am 11.1.2016 verstarb in Berlin Prof. Dr. med. Jochen Kunz im Alter von 83 Jahren.

Jochen Kunz wurde am 19.8.1932 in Sedlitz/Niederlausitz geboren und besuchte in Cottbus die weiterführenden Schulen. Nach dem Abitur folgte sein Medizinstudium an der Charité (Humboldt-Universität zu Berlin). Ab 1956 begann unter Prof. Dr. Louis-Heinz Kettler seine Ausbildung zum Pathologen, die er 1961 mit dem Facharzt abschloss.

Seine Habilitation mit dem Titel „Die experimentelle Strahlenschädigung der Aorta. Ein Beitrag zur Korrelation von Struktur- und Stoffwechselstörungen der Blutgefäßwand“ 1966 sollte für sein zukünftiges Forschungsfeld richtungsweisend werden. Im selben Jahr wurde er Universitätsdozent an der Charité. Das Institut war zu dieser Zeit streng in methodisch orientierte Abteilungen gegliedert. Jochen Kunz übernahm nun die Leitung der Abteilung für Histoautoradiografie und baute sie weiter aus. Zuerst wurde überwiegend tierexperimentell geforscht, mit eigenem Tierstall und Obduktionsmöglichkeiten. Später traten dann auch Isotopenanalysen und Detektionen an humanem Material hinzu und wurden dominierend.

Sein wissenschaftlicher Fokus war überwiegend auf die Gefäßpathologie gerichtet. Er beschäftigte sich intensiv mit der extrazellulären Matrix, der Proliferationskinetik von Endothelzellen und den Folgen von Hypertonie und diabetischer Vaskulopathie. Neben zahlreichen Originalartikeln ist besonders sein 1975 erschienenes Buch „Pathologie der Arterienwand mit besonderer Berücksichtigung der Glykosaminoglykane“ hervorzuheben. Trotz seines Forschungsschwerpunktes in der kardiovaskulären Pathologie war er nicht einseitig orientiert, sondern beschäftigte sich mit der Zellkinetik von Präneoplasien und Tumoren verschiedener Organsysteme und der Gelenkknorpelregeneration. Auch hier standen methodisch autoradiografische Untersuchungen im Vordergrund. Als Autor und Co-Autor mehrerer Buchbeiträge galt sein Wirken allerdings der Pathologie endokriner Organe.

Besonders hervorzuheben ist sein Einsatz in der Ausbildung von Medizinstudenten. Drei Jahrzehnte lang hielt er Vorlesungen, leitete Kurse und Seminare. Er war auch Herausgeber und Mitautor etlicher Studentenbücher, die Jahrgänge zukünftiger Ärzte begleitet haben (z. B. „Histopathologie. Ein Grundriss für Studenten“, 1980).

Jochen Kunz hatte viel erreicht und das ohne Systemnähe. Die längst verdiente Professur blieb ihm allerdings an der Charité versagt. Auch um seine Vortragsreisen ins Ausland musste er immer harte Auseinandersetzungen führen. Er hat diese Schikanen oft in Kauf genommen und in bewundernswerter Ausdauer nach Lösungen gesucht. Trotzdem ist ihm nach über 30 Jahren der Abschied von der Charité nicht leicht gefallen. Von 1988 bis 1997 war er dann Chefarzt des Instituts für Pathologie in Potsdam. In diese Zeit fällt auch seine Ernennung zum Professor der Freien Universität Berlin. Durch die spätere Fusion mit der Humboldt-Universität wurde er nun doch noch Professor der Charité. Während seiner Zeit in Potsdam hat er sich in verschiedenen Funktionen intensiv um die ärztliche Weiterbildung gekümmert sowie berufspolitisch engagiert.

Ab 1997 begann sein „Unruhestand“ mit Praxisvertretungen, Vortragsreisen und dem Verfassen von Publikationen. Noch 2012 hat er in „Der Pathologe“ (33/2012) einen Übersichtsartikel zum Thema „Aktuelles zur diabetischen Makroangiopathie“ veröffentlicht. Als ich ihn sechs Monate vor seinem Tod noch einmal in seinem Haus besuchte – er war bereits von seiner Krebserkrankung gezeichnet – beschäftigte er sich gerade mit neuen Fachartikeln und politischen Streitschriften. So kannten und schätzten wir ihn, immer wissenschaftlich interessiert, aber auch bereit, über den Tellerrand seines Faches zu schauen, egal ob berufspolitisch, zeitgeschichtlich oder kulturell. Gerade sein immer fröhliches und das Gespräch stets anregendes Naturell wird uns fehlen.

Joachim Gottschalk

Hamburg