Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

2016 wird das „Jahr der Uropathologie“ und die Beiträge in diesem Schwerpunktheft von Der Pathologe beschäftigen sich mit den neuen Entwicklungen in der urogenitalen Pathologie. Der Anlass der Herausgabe dieses Schwerpunkthefts ist zum einen das Ganztagssymposium der Internationalen Akademie für Pathologie (IAP) im Jahre 2016, das sich mit diesem Thema beschäftigt. Zum zweiten erscheint im Januar 2016 die Überarbeitung der WHO-Klassifikation von Tumoren der ableitenden Harnwege und der männlichen Genitalorgane in der vierten Ausgabe, an der die Herausgeber auch beteiligt waren. In dieser WHO-Klassifikation wurden 11 Jahre nach der letzten Überarbeitung zahlreiche neue Erkenntnisse in der Histopathologie und Molekulargenetik urogenitaler Tumoren aufgenommen. Unter Beteiligung der Pathologie wurden die S3-Leitlinien zu den 3 urologischen Organtumoren aktualisiert oder neu erstellt. Während im Jahre 2015 die Überarbeitung für das Prostatakarzinom erschien, werden 2016 erstmals S3-Leitlinien für das Nierenzell- und das Harnblasenkarzinom erscheinen. Zusätzlich widmet sich die 100. Jubiläumstagung der Deutschen Gesellschaft für Pathologie im Mai mit dem Hauptthema „Uropathologie“ weiteren klinisch relevanten Forschungsergebnissen aus diesem Fachgebiet.

Das vorliegende Themenheft fasst dabei wichtige Neuerungen in der Histopathologie und Molekulargenetik des Prostatakarzinoms, der Urotheltumoren des Harntrakts sowie von Stromatumoren des Hodens zusammen. Auf die Diskussion der neuen Entitäten des Nierenzellkarzinoms, die im IAP-Symposion ebenfalls behandelt werden, wurde im vorliegenden Heft bewusst verzichtet, da sich ein unmittelbar nachfolgendes Schwerpunktheft ausschließlich mit diesem Thema beschäftigen wird.

Die überarbeitete WHO-Klassifikation basiert ganz wesentlich auf in den letzten Jahren erarbeitete Vorarbeiten der Internationalen Gesellschaft für urologische Pathologie (ISUP). Hier wurden sowohl beim Prostata- als auch beim Urothelkarzinom wesentliche Änderungen in einem Konsensprozess erarbeitet, die in die WHO-Klassifikation integriert wurden.

Beim Prostatakarzinom fasst zunächst B. Helpap in einem Rückblick die Entwicklung beim Prostatakarzinomgrading in den letzten 50 Jahren zusammen. Das klassische, rein histologische Gradingsystem von Gleason wurde in den letzten Jahren mehrfach modifiziert und ist nun von einer Konsensuskonferenz der ISUP 2014 in ein System mit neuen prognostischen Gruppen überführt worden. Dieses neue Gradingsystem wurde in die neue WHO-Klassifikation 2016 aufgenommen und wird von G. Kristiansen und den Koautoren dieser Klassifikation ausführlich diskutiert.

Ein weiterer Beitrag befasst sich mit dem intraduktalen Karzinom der Prostata, einer neuen histologischen Entität, die von einer prostatischen intraepithelialen Neoplasie abgegrenzt werden muss und die erstmals in die WHO-Klassifikation aufgenommen wurde.

Der zweite Teil des Themenhefts befasst sich mit präneoplastischen und malignen Veränderungen der Harnblase. Zunächst beschäftigen sich N. Gaisa und R. Knüchel-Clarke aus Aachen mit präneoplastischen Läsionen und Vorstufen des Urothelkarzinoms. Hier hatte bereits die WHO-Klassifikation von 2004 eine vereinfachte Einteilung vorgeschlagen, die in den letzten 10 Jahren eine breite Akzeptanz erlangt hat. Neben urothelialen Dysplasien und dem Carcinoma in situ werden auch Vorläuferläsionen eines Adeno- und eines Plattenepithelkarzinoms der Harnblase diskutiert.

Wie bei anderen Tumortypen auch, ist in den letzten Jahren beim Urothelkarzinom der Harnblase deutlich geworden, dass es eine große intratumorale Heterogenität dieses Tumors gibt. Wie in kaum einem anderen Organ zeigen Urothelkarzinome eine hohe histomorphologische Varianz und intratumorale Heterogenität. Diese spiegelt sich bei der Diagnose einer Reihe spezifischer histopathologischer Subtypen des Urothelkarzinoms wider. In den letzten Jahren wurde deutlich, dass z. B. plasmozytoide und mikropapilläre Urothelkarzinome spezifische klinische Eigenschaften und unterschiedliche molekulare Veränderungen aufweisen. In den nächsten Jahren kommt es darauf an, spezifische Therapien für diese meist aggressiv verlaufenden Varianten des Urothelkarzinoms zu entwickeln. Im Beitrag von S. Bertz, N. Gaisa, R. Knüchel-Clarke und A. Hartmann werden neben diesen spezifischen Typen des Urothelkarzinoms auch Plattenepithel- und Adenokarzinome der Harnblase dargestellt.

Urothelkarzinome sind nicht nur histomorphologisch sehr unterschiedlich, sondern zeigen offensichtlich auch eine große molekulare Heterogenität. In ganz neuen, erst in den letzten zwei Jahren publizierten Untersuchungen konnte mithilfe genomweiter RNA-Expressionsanalysen gezeigt werden, dass in Harnblasenkarzinomen sehr ähnliche Subtypen identifiziert werden können, die sich ähnlich zur Situation beim Mammakarzinom auf der Basis ihrer Hormonabhängigkeit hinsichtlich Prognose und Ansprechen auf eine Therapie unterscheiden. Die Daten und sich daraus ergebende mögliche antihormonelle Therapieoptionen sowie eine Stratefizierung von Urothelkarzinomen der Harnblase in spezifische Prognose- und Therapiegruppen werden im Beitrag von R. Wirtz, V. Fritz und A. Hartmann diskutiert.

A. Agaimy stellt schließlich in einer sehr umfangreichen Übersicht die mesenchymalen Tumoren der Harnblase vor.

Auch auf dem Gebiet der Hodentumoren haben sich in den letzten Jahren sehr viele neue molekulare und histopathologische Veränderungen gezeigt. F. Bremmer und S. Schweyer stellen exemplarisch die neuen, auch in der WHO-Klassifikation von 2016 enthaltenen Erkenntnisse über Keimstrangstromatumoren des Hodens dar.

An dieser Stelle bedanken wir uns herzlich bei allen Autoren und verweisen ausdrücklich auf das ergänzende Themenheft zu Nierentumoren, welches das Gebiet der Uropathologie abschließen wird. Den Leserinnen und Lesern wünschen wir eine spannende Lektüre und hoffen, dass die Beiträge Sie bei der täglichen diagnostischen Arbeit hilfreich unterstützen werden.

figure a

Prof. Dr. A. Hartmann

figure b

Prof. Dr. R. Knüchel-Clarke

figure c

Prof. Dr. G. Kristiansen