Die Zytologie ist eine seit mehr als 100 Jahren eingesetzte Disziplin der Pathologie. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurde von Walshe die Möglichkeit beschrieben, Zellen von Lungenkarzinomen in Sputa zu erkennen. Ein weiterer Meilenstein war die Einführung der Aspirationszytologie, deren Einsatz von Ellis und Martin in den 1920er Jahren dokumentiert wurde. In den 1940er Jahren erschien die Publikation von Papanicolaou, der den Nachweis von Zellen des Zervixkarzinoms in Abstrichen vom Gebärmutterhals beschrieb. Seine Entdeckung wurde anfangs belächelt, dann von Pathologen heftig bekämpft. Erst die Tatsache, dass Gynäkologen diese Untersuchung als diagnostisches Instrument aufgriffen, und die Erkenntnis, dass damit nicht nur der Krebs, sondern bereits die Dysplasien, also die noch heilbaren Vorstufen, nachgewiesen werden konnten, verhalfen dieser Methode zum Durchbruch.

Die Frage, die es zu beantworten gilt, ist folgende: Welche Rolle spielt die Zytologie bzw. Zytopathologie heute noch? Sie bedient sich der gleichen Methoden wie die Histopathologie, z. B. der Immunzytochemie, Fluoreszenz-In-situ-Hybridisierung (FISH) oder der molekularen Pathologie, um nur einige zu nennen. Dennoch hat die Zytopathologie laut der eher pessimistischen Sichtweise von Peter Dalquen im deutschsprachigen Raum einen geringen Stellenwert. Das von ihm angeführte Zitat „Zytologie ist etwas für Frauen und dumme Männer“ spiegelt sich an vielen Universitätsinstituten wider, insofern als die Zytologie kaum Chancen zur Habilitation und zum Aufstieg in Führungspositionen bietet. Laut Meinung des Autors sind die erforderlichen organisatorischen und infrastrukturellen Notwendigkeiten an vielen pathologischen Instituten nicht (mehr) gegeben. Die sich daraus sekundär ergebenden Defizite im Bereich Lehre und Forschung auf dem Gebiet der Zytopathologie resultieren im Verschwinden von Techniken bzw. entsprechendem Know-how, wie es bereits im Bereich der Prostata- und Mammazytologie oder der Neurozytopathologie zu beobachten ist. In anderen Ländern wie Skandinavien, Portugal und Frankreich haben diese Untersuchungsmethoden ihre Berechtigung, sowohl in der Diagnostik als auch in der Verlaufskontrolle von Tumoren. Dies gilt insbesondere für die Mammazytologie, die dort neben der Stanzbiopsietechnik durchaus ihren etablierten Platz hat. Dass das durch Feinnadelbiopsie (FNB) gewonnene Material sich sehr gut für weiterführende Untersuchungen mittels molekularer Methoden eignet, dürfte inzwischen allgemein anerkannt sein.

Einen weiteren Schauplatz der Zytopathologie, der starken Veränderungen unterworfen ist, stellt die gynäkologische Zytologie dar. Dies ist einerseits bedingt durch den unbestreitbar zunehmenden Fachärztemangel, andererseits versucht uns die Industrie neue Methoden wie die Dünnschichtzytologie, computerassistiertes und HPV-Screening mit Argumenten wie gesteigerter Sensitivität und Spezifität sowie negativer prädiktiver Werte nahe zu bringen. Während in der Ausgabe6/2011 von „Der Pathologe” auf diverse Aspekte der HPV (humane Papillomaviren)-bedingten Erkrankungen des weiblichen Genitaltrakts eingegangen wurde, legt Volker Schneider seinen Standpunkt bezüglich der gynäkologischen Krebsvorsorge in Deutschland dar. Er stellt die derzeitige Situation mit den Vor- und Nachteilen des opportunistischen Screeningsystems dar, wie es aktuell in Deutschland, Österreich und der Schweiz angewandt wird. Anhand internationaler Studien belegt er, dass in diesen Ländern die Einführung eines HPV-Screenings kontraproduktiv ist und relativiert die Euphorie der HPV-Befürworter anhand von Fakten, wie u. a. dass lediglich bei etwa 10% aller HPV-positiven Fälle eine entsprechende histologische Läsion nachgewiesen werden kann. Somit liegt der positive prädiktive Wert des HPV-Screenings lediglich bei 10%, der der konventionellen Zytologie mit dem Befund der Gruppe IVa hingegen bei 94% für CIN 2 und höher (sog. CIN 2+). Interessant ist des Weiteren die Aussage, dass durch die Einführung der Dünnschichtzytologie Sensitivität und Spezifität im Gegensatz zur konventionellen Zytologie nicht gesteigert werden können.

Wir wissen, dass die Einführung neuer Methoden weitgehend sinnlos ist, wenn sie die Zielgruppe nicht erreicht. Regitnig et al. zeigen, dass aber der Erfolg der Zytologie als Präventivmaßnahme zur Verhinderung von Gebärmutterhalskrebs von einem zweiten Parameter, der Abstrichqualität, abhängt. Er präsentiert die Ergebnisse einer Studie an einem Kollektiv von 12 Mio. Abstrichen, die belegen, dass lediglich 83% der Präparate als gut beurteilbar und repräsentativ gewertet werden konnten. Er zeigt Verbesserungspotenziale und stellt Resultate von qualitätssichernden Projekten vor.

Lungen- wie Schilddrüsenzytologie sind jene Vertreter der extragenitalen Zytologie, die zurzeit immer mehr an Bedeutung gewinnen. Wie Savic et al. darlegen, sind die Anforderungen an den Zytopathologen nicht mehr allein der Nachweis von Tumorzellen in der Lungenzytologie bzw. die Unterscheidung vom kleinzelligen (SCLC) zum nichtkleinzelligen (NSCLC) Lungenkarzinom, sondern die exakte Unterscheidung zwischen Adeno- und Plattenepithelkarzinomen, die klinisch-therapeutisch und genetisch maßgeblich voneinander differieren. Es wird ein stufenweises Vorgehen vorgestellt, beginnend mit dem immunzytochemischen Einsatz des thyroidalen Transkriptionsfaktors 1 (TTF-1) sowie der plattenepithelialen Marker p63 und/oder CK5/6. Da die genetische NSCLC-Subtypisierung mit der entsprechenden zielgerichteten Therapie zu einer relevanten Verbesserung der Lebenserwartung von Patienten mit einem fortgeschrittenen Lungenkarzinom führen kann, wird konsekutiv bei allen Adenokarzinomen, aber auch an nicht näher spezifizierbaren nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC-NOS) in fortgeschrittenen Tumorstadien, d. h. bei malignem Pleuraerguss oder Metastasen (Stadium IV nach der aktuell geltenden 7. TNM-Version) eine EGFR („epidermal growth factor receptor“)-Mutationsanalyse durchgeführt. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Exone 19 und 21 bei 97% aller untersuchten Zytologien auswertbar waren. Die EGFR-Mutationsrate liegt in der vorgestellten Studie sowohl in der Zytologie als auch in der Biopsie bei 10%. Abschließend wurden routinemäßig Lungenkarzinome mit EGFR- und KRAS-Wildtyp auf Rearrangements des Gens ALK („anaplastic lymphoma kinase“) untersucht.

Wohlschläger et al. stellen die „rapid on-site evaluation“ (ROSE) als unterstützendes Element in der Diagnostik von Lungen- und Mediastinalerkrankungen vor. Die endobronchiale ultraschallgestützte Feinnadelaspiration (EBUS-TBNA) ist eine Methode, die von Klinikern immer mehr genutzt wird. ROSE ist ein unterstützendes zytomorphologisches Schnellverfahren, das bereits während der Bronchoskopie Auskunft darüber geben kann, ob das gewonnene Material in ausreichender Menge und Qualität vorliegt. Dadurch kann die Zahl der Zweituntersuchungen deutlich reduziert werden. Zusätzlich ist in vielen Fällen bereits zu diesem Zeitpunkt eine Diagnosestellung möglich. Des Weiteren kann darüber entschieden werden, welche Präparationsverfahren und additiven Tests am vorliegenden Material eingesetzt werden sollten.

Eine Gratwanderung stellt der Einsatz der Zytologie als diagnostisches Instrument bei hämatopathologischen Fragestellungen dar. Bode et al. stellen anhand konkreter Beispiele einen Algorithmus für die integrative schrittweise zytologische Diagnostik unklarer Lymphadenopathien vor. Ausgehend vom Feinnadelaspirat werden je nach Klinik und Verdachtsdiagnose Direktausstriche, Zellblöcke sowie eine Zellsuspension hergestellt, um weiterführende Methoden wie Spezialfärbungen, Immunzyto/histochemie, molekulare Analysen wie FISH oder Polymerasekettenreaktion (PCR) aber auch Durchflusszytometrie einsetzen zu können. Dadurch können nichthämatologische und hämatologische Erkrankungen in einem hohen Prozentsatz einer Klärung zugeführt werden. Die Akzeptanz dieser Vorgehensweise beruht auf der integrativen Befundung, ausgehend vom Ultraschallbefund, den erhobenen morphologischen, immunphänotypischen und molekularen Veränderungen sowie der Bereitschaft, bei unklarem Befund eine Exzisionsbiopsie zu initiieren. Dies variiert je nach Krankheitsbild: Reaktive Lymphknoten werden zu 15% zusätzlich bioptisch abgeklärt, maligne bzw. unklare Befunde zu 45–50%. Naturgemäß liegt bei der Primärdiagnostik die Biopsierate mit 80–90% deutlich höher.

Schäffer et al. stellen das 2008 publizierte amerikanische Befundungsschema der Schilddrüsenzytologie in Relation zur bestehenden Praxis in Deutschland und Österreich. Sie weisen darauf hin, dass das Bethesda-System weitgehend auf die Bedürfnisse der Kliniker und der rechtlichen Absicherung des Zytopathologen ausgerichtet ist. Entgegen jahrzehntelanger Gepflogenheiten sollen die Kriterien der Repräsentativität von Punktaten deutlich restriktiver gehandhabt werden, was naturgemäß sekundär zu einer höheren Repunktionsrate führen wird. Eine neue Befundungskategorie, die Gruppe Atypien mit unklarer Bedeutung/follikuläre Veränderungen mit unklarer Bedeutung mit einem Malignitätsrisiko von 5–15% und einer empfohlenen Verlaufskontrolle impliziert ebenfalls eine Repunktion. Dies wird von den Klinikern kaum akzeptiert werden, auch nicht die Tatsache, dass diese Kategorie mit einem Anteil von 3–18% im Zusammenspiel mit der Kategorie follikuläre Neoplasie/suspekt auf follikuläre Neoplasie (7–18%, histologische Abklärung empfohlen) bis zu 36% aller zytologischen Befunde darstellen mit einem Entartungsrisiko von 5–30%. Somit stellt die Bethesda-Nomenklatur in den Händen von geübten Zytologen keine Verbesserung zur bisherigen Praxis dar. Lediglich die Möglichkeit der Vergleichbarkeit nationaler und internationaler Studien kann als positiver Aspekt empfunden werden.

Nicht nur die Nomenklatur, sondern auch die Diagnostik der Schilddrüsenpunktate stellt uns immer wieder vor eine Herausforderung. Wir alle suchen den Marker für die Differenzialdiagnose follikulärer Läsionen, aber auch Hilfestellung bei der Interpretation uncharakteristischer Kernveränderungen. Gerade hier spielen miRNAs, nichtkodierende Ribonukleinsäuren, eine große Rolle, wobei hier wiederum zwischen onkogenen miRNA und tumorsuppressiven miRNA unterschieden wird. Die von Ting et al. gezeigten Ansätze, mittels molekularer Marker die methodenbedingten Defizite der FNB der Schilddrüse zu verringern oder sogar aufheben zu können, ist richtungsweisend für die zukünftige Schilddrüsenzytologie. Zwar stellt der Einsatz von miRNA-Profilen, die naturgemäß je nach Tumorentität teilweise deutlich unterschiedlich sind, bisher überwiegend für die Diagnose des papillären Schilddrüsenkarzinoms einen unterstützenden Zusatzaspekt dar, andererseits bietet gerade die Zytologie einen idealen Ausgangspunkt für ein molekulares Profiling. Der kombinierte Zugang spielt damit bei der Erkennung klinisch indolenter Schilddrüsenkarzinome eine entscheidende Rolle.

Betrachtet man die Spannweite der hier vorgestellten Beiträge, so wird einem klar, dass die Zytopathologie ein integraler Bestandteil der Pathologie ist und auch in Zukunft sein wird. Die eingesetzten Methoden wie Spezialfärbungen, Immunzyto/histochemie sowie molekulare Diagnostik sind de facto identisch und benötigen nur in wenigen Fällen in Abhängigkeit vom Ausgangsmaterial eine Modifikation. Es ist Aufgabe des Pathologen, zu entscheiden, wann und wie er Zyto- und Histopathologie einsetzt bzw. miteinander kombiniert, um eine rasche und effiziente Diagnosestellung zu ermöglichen aber auch Aussagen bezüglich Therapieoptionen und Prognose machen zu können. In der 2012 erscheinenden Ausbildungsordnung der UEMS (Union Européenne des Médecins Spécialistes)-Sektion Pathologie werden eine adäquate Ausbildung und die Schaffung entsprechender struktureller Voraussetzungen gefordert. Es liegt an uns, diese mit Leben zu erfüllen.

M. Tötsch