Der Bereich „Orthopädische Pathologie“ stellt ein vielfältiges diagnostisches Themengebiet dar. Dieser Tatsache Rechnung tragend hat die Schriftleitung von Der Pathologe entschieden, in naher zeitlicher Abfolge 2 Themenhefte zur orthopädischen Pathologie herauszugeben.

Durch die Veränderung in der Ausbildungsordnung wird seit 2005/2006 der neue Facharzt für Orthopädie als Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie bezeichnet. Das diagnostische Spektrum der Orthopädie und somit auch das der orthopädischen Pathologie ist hierdurch erweitert worden und beinhaltet neben den klassischen entzündlichen Gelenkerkrankungen degenerative, metabolische und posttraumatische Erkrankungen, infektiöse Gelenkerkrankungen sowie neoplastische Erkrankungen des Bewegungsapparats. Durch die Zunahme endoprothetischer Eingriffe spielt die Pathologie der Endoprothetik eine wichtige Rolle in der diagnostischen Zusammenarbeit. Im Zeitalter der evidenzbasierten Medizin ist die diagnostische Pathologie angehalten, insbesondere im Bereich entzündlicher und degenerativer Erkrankungen histopathologische Graduierungen, Scores und Typisierungen mit hoher Reproduzierbarkeit und geringgradiger Interobservervariabilität zu verwenden.

Das vorliegende Themenheft zur orthopädischen Pathologie „Entzündlich degenerative Erkrankungen“ fokussiert auf degenerative Erkrankungen (Arthrose), metabolische Erkrankungen (Kristallarthropathien), auf die Pathologie der Endoprothetik, auf die histopathologische Begutachtung des Meniskus sowie auf die histopathologische Diagnostik und Begutachtung von Gelenkknorpel, Sehnen, Bändern, Handgelenkdiskus und des Labrum glenoidale.

Die Autoren Söder u. Aigner geben ein differenziertes Bild von der häufigsten Erkrankung des Bewegungsapparats, der Arthrose, und verweisen darauf, dass der Pathomechanismus der Gelenkdestruktion noch nicht ausreichend verstanden ist: insbesondere die Frage, ob die Ursachen in den Knorpelzellen selbst (z. B. Seneszenz), in Alterationen der Synovialmembran oder aber im subchondralen Knochen zu suchen sind. Histopathologisch werden die Veränderungen im Gelenk nach ihrer Ursache (Typisierung, „typing“), ihrer Ausdehnung (Stadieneinteilung, „staging“) und ihrer Ausprägung graduiert. Eine exakte Einteilung der Arthrose ist durch die Heterogenität und große inter- und intraindividuelle Variabilität schwierig und bei den derzeit fehlenden nichtoperativen Therapieansätzen auch wenig sinnvoll. Der Pathologe sollte sich um eine an der Praxis orientierte Befundung mit einer groben Stadieneinteilung und einer nachvollziehbaren und normierten Nomenklatur bemühen. Die größte Relevanz hat die Abgrenzung von primären Arthrosen und sekundären Gelenkdestruktionen durch bisher klinisch nicht bekannte Krankheiten aus dem rheumatoiden Formenkreis, durch Knochennekrosen oder durch septische Arthritiden, da diese klinische Konsequenzen haben können.

Die Kristallarthropathien (Fuerst, Zustin, Rüther) stellen eine heterogene Gruppe von Skeletterkrankungen dar und sind durch Ablagerungen von Mineralisationen im Knorpel und den periartikulären Weichteilen charakterisiert. Mononatriumuratkristalle sind die häufigsten pathologischen Kristalle, die Gicht die häufigste Form der Arthritis, gefolgt von den basischen Kalziumphosphaten und dem Kalziumpyrophosphatdihydrat. In sehr seltenen Fällen besteht eine Oxalose. Die histopathologische Diagnose beruht im Wesentlichen auf dem polarisationsoptischen Nachweis der typischen Morphologie von Kristallablagerung.

Der Artikel zu den Infektionen der Knochen von Tiemann et al. veranschaulicht den Schweregrad dieser Erkrankungen mit Komplikationen, welche bis hin zur dauerhaften Behinderung führen können. Die Diagnostik und Therapie umfasst: Mikrobiologie, Histopathologie, Bildgebung, lokale und systemische Antibiose sowie chirurgische Sanierung. Histopathologisch zu unterscheiden sind die akute Osteomyelitis, die spezifische Osteomyelitis (epitheloidzellige granulomatöse Entzündung mit Nekrosen) und die primäre bzw. sekundäre chronische Osteomyelitis. Die Sonderformen der chronischen Osteomyelitis (z. B. Brodie-Abszess, plasmazelluläre Osteomyelitis) zeigen histopathologisch kein einheitliches Bild. Eine wichtige Aufgabe der histopathologischen Diagnostik von entzündlichen Knochenerkrankungen besteht im Malignitätsausschluss (Sarkome, Lymphome, Metastasen, Langerhans-Histiozytose). In der Nachbarschaft maligner Tumoren (insbesondere Knochenkarzinommetastasen) liegen gewebliche Reaktionsmuster vor, welche histopathologisch Ähnlichkeiten mit einer Osteomyelitis, insbesondere einer chronischen Osteomyelitis, aufweisen können. Für den Pathologen ist es daher essenziell, bei einer unklaren Befundkonstellation zu vermerken, dass möglicherweise nicht eine Osteomyelitis sondern eine gewebliche Reaktion in der Nachbarschaft eines malignen Tumors biopsiert wurde. Für den Sicherheitsgrad der Diagnose sind bei der klinischen Fragestellung „Osteomyelitis“ klinische Informationen, Befunde der bildgebende Verfahren und somit eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Radiologen, Mikrobiologen, Orthopäden und Pathologen unabdinglich.

Die Folgezustände degenerativer Erkrankungen, Kristallarthropathien sowie infektiösen Knochenerkrankungen können zur Notwendigkeit einer Endoprothesenimplantation führen. In der Übersichtsarbeit von Krenn et al. wird auf die Vielfältigkeit endoprothesenassoziierter Erkrankungen eingegangen. Vier pathogenetische Prinzipien führen zu einer Reduktion der Prothesen-Standzeit:

  • periprothetische Abriebpartikelerkrankung (sog. aseptische Lockerung),

  • bakterielle Infektion (sog. septische Lockerung)

  • ossäre Pathologien und

  • die Arthrofibrose.

Die histopathologische Klassifikation der periprothetischen Membran beinhaltet die 4 Typen der Neosynovialis bzw. periprothetischen Membran, die Arthrofibrose und ossären Pathologien. Die 4 Typen der Neosynovialis umfassen:

  • den abriebinduzierten Typ (Typ I), mittlere Prothesenstandzeit (mPS) 12 Jahre,

  • den infektiösen Typ (Typ II), mPS 2,5 Jahre,

  • den Mischtyp (Typ III), mPS 4,2 Jahre,

  • den Indifferenztyp (Typ IV), mPS 5,5 Jahre.

Die Arthrofibrose ist histopathologisch in drei Grade einteilbar: Grad 1 ist nur mit klinischen Angaben von der Typ-IV-Membran zu unterscheiden, Grad 2 und 3 erlauben eine eindeutige histopathologische Diagnose.

Die periprothetische Ossifikation, osteopeniebedingte Frakturen sowie die aseptische Osteonekrose stellen die wesentlichsten ossären Pathologien dar. Ausgeprägte lymphofollikuläre Infiltrate in der Neosynovialis bzw. periprothetischen Membran sprechen für einen möglichen immunologischen Mechanismus der Protheseninsuffizienz. Dieser Befund kann aber nur in Verbindung mit allergologischen und klinischen Befunden definitiv interpretiert und begutachtet werden.

Das Themenheft schließt mit 2 Übersichtsarbeiten zur histopathologischen Begutachtung der bradytrophen Gewebe bei orthopädischen und unfallchirurgischen Gutachten.

Die Übersichtsarbeit von Fisseler-Eckhoff u. Müller geht auf die vielfältigen Aufgaben der Meniskusbegutachtung ein: „Die Diagnostik von traumatischen und nichttraumatischen Meniskusläsionen ist insbesondere durch die fragmentierte Übersendung von arthroskopisch gewonnenem Material erschwert.“ Die Kenntnis der physiologisch möglichen zellulären und fibrillären histologischen Meniskusveränderungen in Abgrenzung zu unphysiologischen, das altersübliche Maß überschreitenden Veränderungen ist eine unbedingte Voraussetzung für eine gutachterliche Bewertung. „Vom Pathologen werden klare Aussagen zum Schweregrad vorbestehender oder sekundär entstandener degenerativer Meniskusveränderungen erwartet, ebenso über Art und Alter traumatisch entstandener Einrisse sowie eine gutachterliche Stellungnahme bezüglich eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Trauma und Meniskusschaden unter versicherungsmedizinischem Aspekt.“ Hier ist ebenfalls eine Kooperation von Klinikern und Pathologen erforderlich. Diese ermöglicht eine Korrelation von Anamnese, klinischen und histopathologischen Befunden.

Hempfling u. Krenn behandeln in ihrer Übersichtsarbeit den hyalinen Gelenkknorpel, Sehnen und Bandgewebe, den Handgelenkdiskus sowie das Labrum glenoidale. Die Begutachtung dieser Gewebe bzw. Gelenkbestandteile sind zumeist Begutachtungen für die gesetzliche Unfallversicherung und für die private Unfallversicherung in verschiedenen Rechtsbereichen und daher mit unterschiedlichen Beweisregeln. Gutachten sind auch für Nichtmediziner gedacht. Daher müssen die Begrifflichkeiten definiert sein und von allen Seiten gleich richtig verstanden werden. Die histopathologische Beurteilung des bradytrophen Gewebes stützt sich auf eine konventionelle HE-Färbung und insbesondere auf die Darstellung der Matrix (PAS/Alcian und PAS-Färbung). Die Altersbestimmung von Kontinuitätstrennungen sowie die Bewertung von Texturstörungen (Degenerationsgrade) werden mittels definierter Kriterien und Befundungssysteme (Scores) durchgeführt. Der Nachweis von Blutungsresiduen erfolgt durch die Berliner-Blau-Reaktion, eine polarisationsoptische Analyse dient dem Kalziumpyrophosphatnachweis, die Färbung nach Van Gieson ist bei der Darstellung von Fibrin bzw. Fibrinbestandteilen (insbesondere Altersbestimmung von Kontinuitätstrennungen) hilfreich. Reparative Veränderungen (Vaskularisation, proliferative und inflammatorische Veränderungen) sind in Spezialfärbungen zu bewerten.

Das geplante 2. Themenheft zur orthopädischen Pathologie wird das Themengebiet im nächsten Jahr insbesondere durch die Darstellung der benignen und malignen Tumoren des Bewegungsapparats komplettieren.

V. Krenn