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Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

Es ist uns eine große Freude, dieses besondere Themenheft der Zeitschrift Die Psychotherapie vorzustellen, das sich einem faszinierenden und zunehmend relevanten Bereich der Therapie psychischer Erkrankungen widmet: der möglichen therapeutischen Anwendung von Psychedelika und der Bedeutung der Psychotherapie in diesem Kontext.

In den letzten Jahren hat das Interesse an der therapeutischen Nutzung von Psychedelika, insbesondere von Substanzen wie Psilocybin und MDMA, deutlich zugenommen. Die wachsende Anzahl positiver Studienergebnisse und die jüngste Einstufung als „breakthrough therapy“ in den USA für die Behandlung von Depressionen (Psilocybin) und posttraumatischer Belastungsstörung (MDMA) zeugen von einem Paradigmenwechsel in der psychiatrischen Behandlung. Auf der europäischen Ebene diskutieren bereits Forscher und Regulatoren der European Medicines Agency (EMA) und des Bundeamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über mögliche Rahmenbedingungen einer Zulassung von Psychedelika als neue Behandlungsform psychischer Erkrankungen.Footnote 1 Darüber hinaus unterstreicht die kürzlich erfolgte Ankündigung einer EU-Förderung in Höhe von 6,5 Mio. € für eine internationale multizentrische Studie zu Psilocybin in der Behandlung psychischer Belastung bei unheilbaren ErkrankungenFootnote 2 das wachsende Interesse an dieser Therapieform.

In den letzten 3 Jahren haben wir auch an der Charité– Universitätsmedizin Berlin, und am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim, im Rahmen der BMBF-geförderten EPIsoDE-Studie zur Behandlung therapieresistenter Depression mit Psilocybin wertvolle klinische Erfahrungen sammeln könnenFootnote 3. Die Datenerhebung dieser Studie ist mittlerweile beendet, und weitere Studien haben schon begonnen oder sind in Vorbereitung.

Das vorliegende Themenheft enthält 5 Artikel, die verschiedene Aspekte der psychedelikaassistierten Psychotherapie beleuchten:

Ricarda Evens und Max Wolff diskutieren in ihrem Artikel die Rolle der Psychotherapie in klinischen Studien mit Psychedelika. Sie beschreiben ein aktuell in den meisten Studien angewendetes Standardmodell mit einem Grundgerüst aus Vorbereitungs‑, Substanz- und Nachbereitungssitzungen und betonen die Wichtigkeit eines supportiven und nondirektiven therapeutischen Ansatzes. Zugleich betonen sie, dass weitere Studien notwendig sind, um besser zu verstehen, welche Psychotherapien am besten mit Psychedelika kombinierbar sind, und welche psychotherapeutischen Elemente die Wirksamkeit und Sicherheit weiter verbessern können.

Gerhard Gründer et al. erörtern die komplexen Wirkmechanismen der Therapie mit Psychedelika. Sie diskutieren, ob Psychedelika als „biologische“ Therapie oder als pharmakologisch augmentierte Psychotherapie zu verstehen sind und beleuchten die Herausforderungen bei der Evaluation dieser Therapieform. Sie gehen auch den spannenden Fragen nach, welche Einfluss individuelle und kulturelle Faktoren („set und setting“) auf das Erleben des Patienten bei der psychedelischen Erfahrung spielen, inwiefern Placeboeffekte für die Wirksamkeit verantwortlich sind, und welche Probleme sich für die „Verblindung“ dieser Behandlungsform in kontrollierten klinischen Studien ergeben.

Peter Gasser, Helena Aicher und Yasmin Schmid gewähren Einblicke in die praktische Anwendung der psychedelikaassistierten Psychotherapie in der Schweiz. Im Rahmen von Ausnahmebewilligungen der Schweizer Gesundheitsbehörde wurden in den letzten Jahren über 2000 Behandlungen mit Psychedelika durchgeführt, sodass hier ein reicher Erfahrungsschatz auch außerhalb klinischer Studien vorliegt. Die Autoren diskutieren den rechtlichen Rahmen, die Vielfalt der Behandlungsansätze, die Bedeutung ethischer Standards und wichtige Maßnahmen zur Qualitätssicherung.

In einem weiteren Beitrag thematisieren Helena Aicher und Peter Gasser die Notwendigkeit spezialisierter Weiterbildungen für Therapeuten im Bereich der psychedelikaassistierten Therapie. Sie betonen die Bedeutung der Selbsterfahrung der Therapeuten und die Relevanz qualitativ hochwertiger Fortbildungsprogramme, die am Beispiel einer erstmals 2018 angebotenen, wissenschaftlich begleiteten Weiterbildung in der Schweiz diskutiert werden.

Dimitris Repantis, Michael Koslowski und Sascha Fink behandeln ethische Aspekte der Therapie mit Psychedelika, insbesondere die erhöhte Suggestibilität unter Psychedelika, die bei hohen Dosierungen häufig auftretende, temporäre Veränderung des narrativen Selbstgefühls („dissolution of narrative self“), und die damit zusammenhängenden Besonderheiten in der Aufklärung und informierten Einwilligung zu dieser Therapieform. Zudem werden ethische Implikationen im Kontext langfristiger Wirkungen auf das Weltbild und die Überzeugungen der Patienten diskutiert, da es zu „transformativen“ Erfahrungen kommen kann, die unsere Patienten vor unvorhergesehene Erfahrungen stellen können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der therapeutische Einsatz von Psychedelika in der möglicherweise für eine Vielzahl seelischer Erkrankungen, einschließlich Depressionen, PTBS, Substanzgebrauchsstörungen und möglicherweise anderen Störungen, eine interessante Behandlungsoption darstellt. Jedoch ist es unerlässlich, weitere methodisch hochwertige Studien durchzuführen, insbesondere unter Einbeziehung bereits existierender Psychotherapien, um das volle Potenzial dieser einzigartigen Kombination von Psycho- und Pharmakotherapie zu erforschen und zu nutzen. Offen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt insbesondere auch die Frage nach der notwendigen Häufigkeit für mittel- und längerfristige Effekte.

Wir hoffen, dass dieses Themenheft sowohl zur wissenschaftlichen Debatte als auch zur praktischen Anwendung dieser aufregenden und „neuen“ Therapieform beiträgt.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Koslowski und Andreas Ströhle