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Die im Verlagseditorial angekündigte Namensänderung unserer Zeitschrift wurde zuletzt recht kurzfristig umgesetzt, hat aber eine lange Vorgeschichte: Die Zeitschrift PSYCHOTHERAPEUT hat – anders als die anderen Springer-Zeitschriften – von Anfang an wenigstens auf einen Artikel verzichtet und damit intendiert, die „Profession Psychotherapeut“ mit dem Titel zu adressieren. Trotz des fehlenden Artikels gab es insbesondere in der Anfangszeit der Zeitschrift (1994 erschien die erste Ausgabe) Kontroversen um die Benennung, die zeitweise sogar dazu führte, dass eine Konkurrenzzeitschrift namens „Die Psychotherapeutin“ für wenige Ausgaben in einem anderen Verlag erschien. Danach ist es um den Titel ruhiger geworden, sieht man davon ab, dass wir uns ganz allgemein immer mehr in einer Zeit befinden, in der die Sensibilität für Sprache, Diversität, Identität etc. zunimmt.

Insofern ist es zwangsläufig, dass der Springer-Verlag den Schritt nun geht, die Zeitschrift in „Die Psychotherapie“ umzubenennen. Die Psychotherapie ist nicht nur im Hinblick auf das Genus des Wortes weiblich, sie hat sich auch zu einer Profession entwickelt, in der Frauen eindeutig dominieren: In der medizinischen Psychotherapie-Welt, insbesondere im Kontext des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie, ist der Frauenanteil noch in etwa hälftig (gemäß der Ärztestatistik der Bundesärztekammer waren von 12.053 Fachärzt*innen für Psychiatrie und Psychotherapie im Jahr 2020 6378 weiblich und von 4130 Fachärzt*innen für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie waren 2301 Frauen). Bei den Psychologischen Psychotherapeut*innen ist – ebenso wie im Hinblick auf den Anteil der Studierenden im Fach Psychologie – das Ungleichgewicht aber schon sehr viel größer. Von 48.000 Psychologischen Psychotherapeut*innen im Jahr 2020 waren 75 % Frauen. Von 91.000 Studierenden im Fach Psychologie im Wintersemester 2019/2020 waren ebenfalls dreiviertel Frauen. Dazu kommt, dass auch unter den Patient*innen der Frauenanteil – sieht man von einigen wenigen spezifischen Störungsbildern ab – eindeutig größer ist.

Die inhaltliche Beschäftigung mit dem Geschlecht in der Psychotherapie hat zwar einerseits eine lange Tradition, wird aber mit Nachdruck erst in den letzten Jahren diskutiert. Wir haben uns recht kurzfristig entschlossen, mit der Namensänderung ein Schwerpunktthema zum Geschlecht in dieser 1. Ausgabe von „Die Psychotherapie“ zu realisieren und beginnen diesen Schwerpunkt mit einem Übersichtstext von Brigitte Schigl aus Krems, die sich mit dem Thema Gender als maßgebliche Perspektive in der Psychotherapie beschäftigt. Frau Schigl hat sich mit diesem Thema schon vielfach beschäftigt (z. B. Schigl 2018) und fasst in ihrem Text zusammen, wie die sozialkonstruktivistische Sicht von „Doing Gender“ in der Psychotherapie helfen kann. Dies zeigt sie an verschiedenen Teilaspekten der Psychotherapie, die den Prozess, die Themen und die Geschlechterdynamik betreffen.

Dass Männer viel zu wenig in Psychotherapie geraten, hat auch etwas mit dem geschlechtsspezifischen Gesundheitsverhalten zu tun, was in dem Beitrag von Uwe Berger mit dem Titel „Männer sterben früher, Frauen leiden mehr“ aufgegriffen wird.

Zwei weitere Beiträge, die sich auch dem Genderthema zuordnen lassen, sind eine Übersichtsarbeit von Bärbel Wadetzki, Psychotherapeutin und Autorin aus München, die sich mit dem Thema des weiblichen Narzissmus beschäftigt und eine empirische Originalarbeit, die als Kooperation der Arbeitsgruppen in Rostock, Mainz und Jena entstanden ist. In dieser Arbeit wird ein sehr gebräuchliches Selbstbeschreibungsinstrument zur Erfassung von Bindungsmerkmalen auf die Messinvarianz u. a. auch im Hinblick auf das Geschlecht untersucht.

Nach fast 28 Jahren PSYCHOTHERAPEUT beginnt mit diesem Heft eine neue Ära, in der wir auch als Herausgeberinnen und Herausgeber versuchen werden, Genderaspekte, aber auch viele andere Aspekte von Diversität (wie Alter, Behinderung, religiöse und spirituelle Orientierung, Ethnizität, sozioökonomischer Status und sexuelle Orientierung) mit Sicherheit mehr zu berücksichtigen.

Carsten Spitzer, Bernhard Strauß