Zusammenfassung
Innerhalb der letzten 200 Jahre hat sich die durchschnittliche Arbeitszeit für die meisten Menschen mehr als halbiert. Diese zweifelsohne enorme gesellschaftliche Errungenschaft steht allerdings im Widerspruch zu der zumindest subjektiv erlebten Überforderung vieler Menschen, was in dem Begriff „Burn-out“ in einem hohen Maße den gesellschaftlichen Diskurs prägt. Auf der anderen Seite ist nicht zuletzt durch die Digitalisierung in fast allen Bereichen einer modernen Gesellschaft eine Beschleunigung zu beobachten. Der Versuch, ein Gleichgewicht zwischen Arbeits- und Privatleben herzustellen („Work-Life-Balance“), kann neben einer gerechteren Aufgaben- und Rollenverteilung der Geschlechter zumindest im Hinblick auf die Arbeitswelt auch als Antwort auf Verdichtungs- und Beschleunigungsprozesse verstanden werden. Ein Ungleichgewicht der Work-Life-Balance wäre jedoch dann gegeben, wenn „work“ einzig als der materielle Garant von „life“ erlebt und Arbeit als Möglichkeit der Selbstverwirklichung zunehmend in den Hintergrund treten würde.
Abstract
Over the last 200 years the average number of working hours has more than halved for most people; however, this undoubtedly enormous social achievement contradicts the excessive demands that are at least subjectively experienced by many people, which largely characterize the social discourse through the term burnout. On the other hand, almost all areas of modern society seem to be speeding up, not least due to digitalization. The attempt to create a balance between work and private life (work-life balance) can be understood not only in terms of a fairer distribution of tasks and roles between the sexes, at least regarding the world of work but also as a response to intensification and acceleration processes. Nevertheless, if work were experienced solely as the material guarantor for life, and work as a possibility for self-realization were increasingly pushed into the background, a work-life imbalance would ensue.
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Herpertz, S. Beschleunigung und Entschleunigung, ein vielschichtiges Problem. Psychotherapie 67, 367–373 (2022). https://doi.org/10.1007/s00278-022-00593-y
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