Dieses Themenheft beschäftigt sich mit der Entwicklung von Liebesbeziehungen mit einem Fokus auf deren Veränderungen über die Lebensspanne hinweg. Bislang war die Forschungslage relativ einseitig und bot damit keine ausreichende Grundlage für den Beratungs- und den therapeutischen Kontext. Die Mehrzahl der Studien zur Paarbeziehung bezog sich auf Lebens- und Partnerschaftsphasen, in denen Paarbeziehung, Kinder und Erwerbstätigkeit in Einklang zu bringen sind. Die Ehen älterer und alter Paare sind selten untersucht worden, obgleich diese Paare nun verstärkt im therapeutischen Kontext um Beratung nachsuchen. Auch der Beginn der Paarbeziehung im Jugendalter ist, zumindest in Deutschland, aus therapeutischer Sicht wenig beachtet worden, obwohl er sicher zentral für die weitere Entwicklung der Partnerschaftsqualität und des Wohlbefindens ist.

Wir wollten des Weiteren mit diesem Themenheft aufzeigen, in welchem Umfang gesellschaftliche Veränderungen Einfluss auf Liebesbeziehungen haben. So dauerte die Exploration im Bereich Partnerschaft gegenwärtig sehr lange an, und eine Verpflichtung setzt sehr spät ein; dies gilt auch für die Elternschaft. Dennoch erreicht eine erhebliche Zahl von jungen Paaren einen reifen Beziehungsstatus, wenn auch wesentlich später als zu früheren Zeiten. Dass die Elternschaft nicht zwangsläufig ein „Glück zu Dritt“ ist, war uns wichtig zu unterstreichen, kommen doch verstärkt Paare in die Beratung, die in den ersten Monaten nach der Geburt ihres Kindes Partnerschaft und Elternschaft nicht zusammenbringen können. Dies verdient mehr Aufmerksamkeit.

Das vorliegende Themenheft der Zeitschrift Psychotherapeut stellt Studien vor, die nicht nur die Veränderungen von Liebesbeziehungen über die Lebensspanne dokumentieren, sie tun dies auch auf methodisch breiter Basis mit ansppruchsvollen Designs: Interviews und Fragebogenverfahren wurden an teilweise sehr großen Stichproben eingesetzt, die Teilnehmer wurden über z. T. erhebliche Zeiträume befragt, und, auch das ist ungewöhnlich, häufig aus der Sicht beider Partner.

Bindungsbeziehungen sind lebenslang von Bedeutung, und die Interaktionen mit den Bindungspersonen beeinflussen die spätere Partnerbeziehung. Dies wird in einigen der Studien deutlich und hat bereits seinen Niederschlag in paartherapeutischen Ansätzen gefunden, die ebenfalls in diesem Themenheft vorgestellt werden. Interessant ist, in welchem Umfang Konflikte eine Rolle spielen: Offenkundig muss eine Beziehung eine bestimmte Dauer und Stabilität haben, damit Konflikte überhaupt wahrgenommen und ausgetragen werden können, andererseits wird bei sehr langen Beziehungen am Ende des Lebens das aktive Austragen von Konflikten eher vermieden. Trennungen gehören insbesondere in jüngeren Lebensaltern zu den Lernerfahrungen, die notwendig sind, um „den Richtigen“ oder „die Richtige“ zu finden, und dies bedeutet heute keineswegs lebenslang. Folgepartnerschaften weisen daher interessante, auch für den therapeutischen Kontext nutzbare Vorteile – aber auch einige Nachteile – auf.

Das Problem der Gewalt in Partnerschaften konnte in diesem Themenheft von Psychotherapeut nur gestreift werden, allerdings gibt es spannende Ergebnisse zum frühen Beginn und der starken Beteiligung von Frauen und Mädchen, die sich an unsere Überlegungen zu den Veränderungen des gegenwärtigen Lebenskontextes anschließen.