Die Arbeitsanforderungen an psychodynamisch arbeitende Therapeuten sind vielfältiger geworden, und das Spektrum der Patienten, die in Behandlung kommen, hat sich wesentlich erweitert. Die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD) als ein psychodynamisches Instrument für die Diagnostik und Therapieplanung erlaubt es, über die Diagnose hinausgehend wesentliche behandlungsrelevante Aspekte wie das Strukturniveau, typische Konflikte und Behandlungsvoraussetzungen wie Behandlungsmotivation und Leidensdruck zu erfassen. Zwei verschiedene Arbeitsgruppen (AG) haben sich mit diesem diagnostischen Instrument für Erwachsene (OPD-E) sowie Kinder und Jugendliche (OPD-KJ) befasst.

Die AG um die OPD-E besteht seit 20 Jahren; seit 1991 tagen die Mitglieder dieses Arbeitskreises, um psychoanalytische Konstrukte möglichst beobachtungsnah so zu operationalisieren, damit Kliniker mit einer gemeinsamen Sprache zu ähnlichen Einschätzungen kommen. Die OPD-E ist inzwischen nicht nur national, sondern auch international in vielen Ländern fester Bestandteil der psychodynamischen Ausbildungs- und Forschungslandschaft. Die früheren AG zur Operationalisierung der einzelnen Achsen wurden inzwischen durch AG, die das Manual der OPD-E ergänzen wollen, abgelöst. In diesen Arbeitskreisen wird z. B. gegenwärtig versucht, das Konzept des „Traumas“ in seinen unterschiedlichen Formen und Ausprägungen in die OPD-E zu integrieren. Die AG „Abhängigkeitserkrankungen“ ist mit ihrem Manual so weit gekommen, dass es demnächst veröffentlicht werden kann. Die AG Forensik tagt erneut, um ihre Fassung für die Achse 1 zu verbessern. Der OPD-Arbeitskreis für die Erwachsenenversion bewegt sich auf eine weitere überarbeitete Version, dann die OPD-3, zu. Der Arbeitskreis versteht die OPD als „work in progress“ mit der mehr oder weniger impliziten Vorstellung, dass es eine finale Version niemals geben kann.

Der Arbeitskreis aus Kinder- und Jugendpsychiatern sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten besteht ebenfalls schon recht lang, seit 1996, und hat Manualisierungen bereits 2003 und, leicht verändert, 2007 publiziert. Auch dieser Arbeitskreis der OPD für die Kinder- und Jugendlichenversion hat sich entschieden, eine überarbeitete 3. Version der OPD-KJ zu erstellen. Sie bezieht sich v. a. auf eine präzisere Formulierung auf der Konflikt- und Strukturachse und soll 2013 herauskommen. Ähnlich wie bei den Erwachsenenpsychotherapeuten hat der Arbeitskreis auf die vielen Rückmeldungen aus den Trainings Bezug genommen und entsprechende Änderungen im Manual vorgenommen. Ganz wesentlich trägt aber auch die Forschung mit der OPD dazu bei, dass Schwächen und Stärken des Systems genauer auszumachen sind. Da die OPD-KJ inzwischen in vielen Studien eingesetzt wird, gibt es auch immer mehr Befunde zu ihrer Reliabilität und Validität.

Das vorliegende Schwerpunktheft verdeutlicht in dem Beitrag von Seiffge-Krenke et al. die Vorteile der umfassenden Diagnostik mit der OPD, die u. a. erlaubt, auf der Basis dieser Diagnostik die differenzielle Indikation für eine stationäre oder ambulante Therapie vorzunehmen. Da strukturelle Defizite heute ein häufiges Problem bei Patienten sind, ermöglicht die präzise Erhebung struktureller Defizite eine genaue Behandlungsplanung, d.h. die Beantwortung der Frage, ob eher konfliktbezogen (aufdeckend) oder eher strukturbezogen (stützend und strukturierend) vorgegangen werden soll. Ein weiterer Beitrag von Seiffge-Krenke et al. setzt sich mit diagnosespezifischen Strukturdefiziten auseinander und arbeitet v. a. die strukturellen Defizite in der Selbst-Objekt-Differenzierung von Patienten mit einer F9-Diagnose heraus. Der Beitrag von Jelen et al. verdeutlicht, dass mithilfe der OPD Veränderungen in der Struktur von Kindern und Jugendlichen mit psychiatrischen Störungen tatsächlich messbar werden. Der in diesem Heft publizierte Beitrag zur Analyse von Träumen von Hanenberg unterstreicht darüber hinaus, wie gewinnend die OPD bei der Arbeit mit unbewusstem Material einsetzbar ist, und hebt auf die strukturbildende Kraft der Fantasie ab.