Lachen und Weinen haben sehr viele Funktionen. Das Lachen drückt z. B. Vertrautheit, Geselligkeit und Gemeinsamkeit aus, man wirbt um den Anderen, manchmal versucht man aber auch die Aggressivität beim Gegenüber zu mindern und den Anderen zu besänftigen. Auch das Weinen hat eine kommunikative Funktion. Diese ist sowohl von Bindungstheoretikern als auch von Neurowissenschaftlern gut erforscht: Hören wir andere Menschen weinen, dann wird unsere Amygdala aktiviert; es handelt sich dabei um einen „robusten Affekt“, der sich nicht so leicht verdrängen lässt. Das Weinen eines anderen Menschen berührt.

Mit Weinen und Lachen drücken Menschen Gefühle aus. Aber welche Gefühle? Man kann lachen, um nicht zu weinen oder auch weinen statt zu lachen. Auch beim Lachen können die Tränen fließen. Lachen ist deshalb nicht immer das Gegenteil von Weinen und umgekehrt. Man lacht aus Angst, manchmal lacht man den Ärger weg. Man weint vor Glück und vergießt Freudentränen, man weint, wenn man sich ohnmächtig und wütend empfindet. Das Weinen tritt in verschiedenen Kontexten auf: bei Verlust, Verlassenheit, beim Mitansehen von fremdem Leid, besonders, wenn wir nicht helfen können. Lachen und Weinen sind also Ausdrucksformen von sehr unterschiedlichen Affekten.

In Psychotherapien wird relativ häufig geweint, hingegen relativ selten gelacht. Dies ist auch verständlich, wenn man bedenkt, dass die Patienten wegen ihres Leids zu uns kommen und zunächst wenig zu lachen haben. Später jedoch, im Verlauf der Therapie, geht es manchmal aus (vermeintlichen) Abstinenzgründen sehr ernst zu. Die Bedeutungen des Lachens und des Weinens in der psychotherapeutischen Situation sind wohl ebenso vielfältig und erschließen sich erst über die originären Affekte und die Beziehungsdynamik. In der Übertragung können das Lachen und auch das Weinen einen Wunsch ausdrücken, aber auch dessen Abwehr bedeuten. In den Psychotherapien versuchen wir vor allem dann diejenigen Emotionen zu identifizieren, die hinter dem Lachen und dem Weinen verborgen sind, wenn wir sie als Abwehrleistungen verstehen, die den Patienten den Zugang zu ihren eigentlichen Gefühlen versperren. Manchmal lachen sogar die Therapeuten! Ist das überhaupt erlaubt? Es ist nicht immer Abwehr, wenn mal gelacht wird! Sich das Lachen zu verkneifen, kann unnatürlich sein und den Aufbau einer guten therapeutischen Beziehung auch behindern. Dies gilt auch für das Weinen der Therapeuten. Manchmal kann es sehr schwer werden, die Tränen der Betroffenheit zurückzuhalten, um dem Patienten den notwendigen Raum für seine eigene Trauer zu lassen.

Im Gegensatz zum Lachen in der Psychotherapie gibt es eine geheime Idealisierung des Weinens. Verbessert sich die Stimmung des weinenden Menschen wirklich, weil er weinen konnte? Und wie ist es mit der verborgenen Aggression im Weinen? Warum scheint uns das Weinen in der Psychotherapie geradezu ein Gütezeichen für die therapeutische Beziehung zu sein? Ein Vertrauensbeweis? Oder haben wir andere Konzepte? Etwa, dass durch das Weinen angezeigt ist, dass sich ein bisher erstarrtes Problem verflüssigt und deshalb verändern kann? Oder geht es um eine spezielle Form von Nähe im therapeutischen Prozess, die Erfahrung, dass jemand da ist, wenn die Tränen fließen, eine korrigierende Beziehungserfahrung also?

Lachen und Weinen waren die Leitthemen der Lindauer Psychotherapiewochen 2008. Dankenswerterweise haben sich einige Vortragende bereit erklärt, ihre Vorträge zu wissenschaftlichen Manuskripten zu überarbeiten, die wir hier als Schwerpunktheft zusammenfügen. Zusätzlich wurde eine Zusammenfassung der grundlegenden Studien zum Thema Weinen von Ad Vingerhoets aufgenommen, auf die in den Referaten immer wieder Bezug genommen wurde. Die Arbeiten widmen sich dem Lachen und dem Weinen als Ausdrucksformen von Affekten und stellen Modelle vor, die diese komplexen Emotionen in die Entwicklungspsychologie, in die Bindungsforschung und in die transkulturelle Forschung einbetten.

Das Heft gibt den Stand der Erkenntnisse über diese Emotionen wieder.

Diese Ausgabe erscheint rechtzeitig zu den Lindauer Psychotherapiewochen 2009 als Nachlese. Alle Leser der Zeitschrift sollen jedoch die Möglichkeit erhalten, sich mit der Bedeutung von Lachen und Weinen in der Psychotherapie auseinandersetzen zu können.

Verena Kast

Manfred Cierpka

Im April 2009