Zusammenfassung
Fragestellung
Gibt es Unterschiede im mimisch- und sprachlich-affektiven Ausdruck zwischen Fibromyalgiepatientinnen und gesunden Frauen?
Methodik
Die Daten aus jeweils 10 in „split screen“ videographierten Interviews von Fibromyalgie-Patientinnen und gesunden Frauen wurden mittels EmFACS und der Gottschalk-Gleser-Sprachinhaltsanalyse bearbeitet und miteinander in Beziehung gesetzt. Zusätzlich wurde das Blickverhalten zwischen Interviewer und Probandin erfasst.
Ergebnisse
Fibromyalgie-Patientinnen sind sowohl in ihrem mimisch- als auch in ihrem sprachlich-affektiven Ausdruck von Ärger reduziert. Zusätzlich senden sie gegensätzliche mimische und sprachliche Signale.
Schlussfolgerungen
Vor allem die fehlende Kongruenz zwischen dem verbalen und nonverbalen emotionalen Ausdruck, lässt die Fibromyalgie-Patientinnen in ihre verbalen Schilderungen unglaubwürdig erscheinen und könnte somit zu der schwierigen Beziehungsgestaltung mit diesen Patientinnen beitragen.
Abstract
The problem
Are there any differences in the facial and verbal affective expressions between inpatient female Fibromyalgia (FM) patients in comparison to healthy women?
Methods
Videotaped psychodynamic interviews of 10 female FM inpatients and healthy women each group were coded and compared using the Emotional Facial Action Coding System and the Gottschalk-Gleser speechanalysis. Additionally, eye-contact between interviewer and test person was coded.
Results
FM patients are reduced in their facial and verbal expression of the affect of anger. Additionally, they show conflicting facial and verbal signals at one and the same moment.
Conclusions
Primarily the missing congruency between verbal and nonverbal affective expression leads to the impression of their verbal descriptions to be not authentic. This may account for the difficult relationship regulation with these patients.
Notes
Die Mittelwerte und Standardabweichungen der Mimikanalyse beziehen sich jeweils auf die an der Zeit relativierten Häufigkeiten der gezeigten Affekte.
Bei den folgenden Abbildungen bedeutet * ‚Die Unterschiede sind auf dem 5%-Niveau signifikant.‘ und ** ‚Die Unterschiede sind auf dem 1%-Niveau signifikant.‘
Die Mittelwerte und Standardabweichungen der Sprachinhaltsanalyse beziehen sich bei der Darstellung aller Ergebnisse jeweils auf die an der Wortzahl relativierten Scores der Gesamtskala bzw. der Subskalen.
Die Bedeutungen der Skalenabkürzungen sind im Fließtext erklärt.
An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass gemäß der Gottschalk-Gleser-Sprachinhaltsanalyse unter der Skala „diffuse Angst“ einzelne Wörter und Sprachinhalte erfasst werden, aus denen in der vorliegenden Studie die Quelle der Angst nicht klar hervorgeht. Diese Skala ist—unserer Meinung nach—bei den gesunden Frauen deshalb erhöht, da darunter Äußerungen kodiert werden, die auf eine Themasuche schließen lassen, d.h. den gesunden Frauen fällt es schwer, ihre derzeitige Belastung spontan zu benennen, so dass sie auf die Frage „Was belastet Sie zur Zeit am meisten?“ erst einmal ein angemessenes Thema suchen müssen, das der Beantwortung dieser Frage entspricht. Deshalb schlagen wir vor, diese Skala eher als „Orientierungsreaktion“ oder „Suche nach Gesprächsthema“ zu bezeichnen.
Die Angaben beziehen sich auf die ausgezählten absoluten Werte der jeweiligen Kombination aus Mimik und Sprache.
Fehlende signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bzgl. des mimischen Ausdrucks von Ärger lassen sich vor allem auf die Heterogenität und die geringe Größe ( n =20) der Stichprobe zurückführen. Aufgrund der aufwändigen EmFACS-Kodierungen und deren Auswertungen werden diese jedoch in Kauf genommen und es wird darauf hingewiesen, dass sich zwischen der gesunden Stichprobe und den Fibromyalgie-Patientinnen deutliche mimische Ausdruckstendenzen bzgl. der Emotion Ärger finden lassen, die den Schluss zulassen, dass diese bei entsprechender Stichprobengröße mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls signifikant werden.
Grundsätzlich ist in Bezug auf die Gottschalk-Gleser-Sprachinhaltsanalyse kritisch anzumerken, dass im Hinblick auf die einzelnen Angstsubskalen oftmals aus den sprachlichen Äußerungen keine „konkrete Angst“ hervorgeht, sondern vielmehr implizit davon ausgegangen wird. Stattdessen werden unserer Meinung nach eher Todes-, Verletzungs-, Trennungsthemata usw. erfasst, bei denen es oftmals schwierig ist nachzuvollziehen, inwieweit es sich dabei um einen Angstinhalt handelt. Besonders deutlich wird dieser Sachverhalt bei der Skala „diffuse Angst“.
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Equit, M., Kirsch, A. Mimischer und sprachlicher Affektausdruck. Psychotherapeut 50, 195–202 (2005). https://doi.org/10.1007/s00278-005-0420-7
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00278-005-0420-7