Einleitung

Digitalisierung in der Forensik

Zusätzlich zum originären Leistungsspektrum ist die Rechtsmedizin vielerorts federführend in dem Aufbau niederschwelliger Strukturen zur Gewaltopferversorgung und erfüllt damit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und einen politischen Auftrag. Mit der sog. Istanbul-Konvention, die in Deutschland am 01.02.2018 in Kraft getreten ist, besteht zudem ein verpflichtender und umfassender Menschenrechtsvertrag „zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ mit Forderung eines Angebotes leicht zugänglicher medizinischer und rechtsmedizinischer Versorgung „in ausreichender Zahl“ [6]. „Einheitliche Strukturen für die Versorgung von Gewaltbetroffenen“ existieren indes in Deutschland aktuell nicht [18]. Bei bisher mangelnden Ressourcen und einer überschaubaren Anzahl an rechtsmedizinischen Instituten stellen sich die Fragen nach ergänzenden digitalen Angeboten für gerichtsfeste Dokumentationen und inwieweit eine Fotodokumentation auch ohne Einbezug der Rechtsmedizin bestehende Lücken in der flächendeckenden Gewaltopferversorgung schließen kann.

Deutschlandweit zeigte sich zuletzt der zunehmende Bedarf der Digitalisierung in allen klinischen Bereichen – insbesondere im Kontext der aktuellen Pandemiesituation [7]. Digitale Angebote finden in der klinischen Rechtsmedizin bereits vielfach Anwendung, beispielsweise in Form des Forensischen Konsils Gießen [19], des Kompetenzzentrums Kinderschutz im Gesundheitswesen [20] und des iGOBSIS [21] in Nordrhein-Westfalen sowie der Forensischen Kinderschutzambulanz in Hannover [22]. Das Heidelberger Modellprojekt ARMED plant unter Einsatz von Datenbrillen die Verwendung der Augmented-Reality-Technologie, um eine in Echtzeit rechtsmedizinisch supervidierte Untersuchung von Kindern zu ermöglichen [23]. Hauptziel des Projektes sei, mithilfe dieser digitalen Hilfsmittel „rechtsmedizinisches Fachwissen an Orte zu bringen, an denen es dringend benötigt wird“ [24]. Aktuelle Entwicklungen beinhalten auch Strukturen für mobile Geräte, z. B. die Umstellung des Münchner Online-Portals auf die Applikation RemApp [25] oder die Erweiterung des Opferschutzportals Nordrhein-Westfalens [26] um eine „Tarn-App“, die den versteckten Zugriff auf das Angebot des Portals auch offline ermöglichen soll, mit dem Ziel „Opfer vor Gewalt zu schützen und Hilfe in Notsituationen zu geben“ [27]. Darüber hinaus soll die vom Bund geförderte Entwicklung einer Anti-Gewalt-App u. a. die Möglichkeit einer „gerichtsfesten Dokumentation von Bildern und Berichten der Betroffenen“ [28] bieten – als Selbstdokumentation ohne direkte Einbeziehung der Rechtsmedizin.

Möglichkeiten der Manipulation

Durch den allgemeinen technischen Fortschritt und die verbreitete Nutzung neuer Medien werden Kommunikation und Dokumentation im privaten und im beruflichen Alltag erleichtert, aber auch Möglichkeiten der Manipulation geschaffen. Diese Entwicklung zeigt sich auch in der rechtsmedizinischen Praxis, z. B. bei der Verletzungsbegutachtung anhand digitaler Fotografien im Polizeiauftrag. Als problematisch erweist sich hierbei erfahrungsgemäß regelmäßig die erschwerte Beurteilbarkeit, einerseits aufgrund mangelnder Qualität der Lichtbilder (z. B. fehlende Bemaßung, unzureichende Beleuchtung, fehlende Datierung, Farbverzerrung), andererseits aufgrund einfacher Manipulationsmöglichkeiten und fehlender validierter Strukturen zu deren Nachweisbarkeit [3]. Eine Recherche im Internet zeigte zahlreiche frei zugängliche, simple Anleitungen zur Nachbildung von Verletzungen (Tab. 1). Auch jüngste Entwicklungen einer prominenten Gerichtsverhandlung zeigen die Problematik und Brisanz selbstdokumentierter Fotos von Verletzungen als Beweismittel in einer Gerichtsverhandlung. Die Aussagen eines forensischen Sachverständigen stellten die Belastbarkeit der als Beweise eingebrachten Digitalfotos augenscheinlicher Verletzungen deutlich infrage [11].

Tab. 1 Beispielhafte Übersicht frei im Internet zugänglicher Anleitungen für die Nachstellung von Verletzungen

Die nachfolgenden Beispiele sollen beleuchten, inwieweit es sich bei einer durch die betroffene Person selbst angefertigten Fotodokumentation um ein adäquates Hilfsmittel handelt, das die direkte rechtsmedizinische Inaugenscheinnahme unterstützen oder gar ersetzen kann. Welche Möglichkeiten, Grenzen und Fallstricke bergen digitale Verfahren aus rechtsmedizinischer Sicht?

Methoden

Fallbeispiele aus der rechtsmedizinischen Praxis

In den vergangenen Jahren sind im Rahmen der Routinetätigkeit des Instituts für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover mehrere Personen im Polizeiauftrag untersucht worden, deren vermeintliche Verletzungen sich nach dem Ergebnis der rechtsmedizinischen Untersuchung als aufgeschminkt herausstellten.

Fall 1.

Aufgrund eines „Monokelhämatoms“ einer 15-jährigen Schülerin erfolgte die Meldung durch die Schule bei dem zuständigen Jugendamt, die eine körperliche Untersuchung in der Rechtsmedizin veranlasste. Seitens der Jugendlichen wurde als ursächlich u. a. ein Faustschlag auf das Auge angegeben, und auf dem eigenen Handy fotodokumentierte großflächige Hautverfärbungen im Gesicht und am Hals wurden vorgezeigt (Abb. 1a). Bei der körperlichen Untersuchung kamen deutliche Hautverfärbungen an dem linken jochbogennahen Augenunterlid zur Darstellung, die mittels eines Papiertaschentuchs abwischbar waren (Abb. 1b).

Abb. 1
figure 1

Die Bilder zeigen die im Fall 1 mit dem Handy selbstdokumentierten Hautverfärbungen am Hals (a) sowie das verwendete Papiertaschentuch mit den abgewischten Farbantragungen (b)

Fall 2.

Die Vorstellung in der Rechtsmedizin erfolgte im Polizeiauftrag, nachdem ein Überfall zu Hause durch Fremde mit Angabe des Stülpens einer Tüte über den Kopf und Fesselung zur Anzeige gebracht worden war. Im Rahmen der rechtsmedizinischen Inaugenscheinnahme ließen sich rot-orange und grau-livide Hautverfärbungen im Gesicht, am Hals (Abb. 2a) und im Dekolleté (Abb. 2b) feststellen. Diese ließen sich nahezu vollständig abwischen. Nach deren Entfernung waren außer diskreten Hautrötungen durch das Abreiben der Farbantragungen an den betroffenen Körperstellen keine Verletzungsspuren feststellbar (Abb. 2c, d).

Abb. 2
figure 2

Am Körper der mutmaßlich Geschädigten eines angezeigten Überfalls (Fall 2) ließen sich orange-rote Hautverfärbungen im Gesicht, am Hals (a) und am Dekolleté (b) feststellen, welche nahezu zur Gänze abwischbar waren. Nach Säuberung der Hautareale zeigte sich darunter jeweils eine diskrete Hautrötung (c,d) durch das Entfernen der Farbantragungen. Die im Bildausschnitt c am Rande sichtbaren Blutantragungen stammten am ehesten von zwei glattrandigen Verletzungen an der linken Schulter. Diese Verletzungen seien durch den Lebensgefährten beim Entfernen der Plastiktüte mit einem spitzen Küchenmesser verursacht worden

Fall 3.

Eine 13-jährige Person brachte wiederholte Tritte durch ein Familienmitglied zur Anzeige. Zur Untermauerung der Vorwürfe wurde ein vor dem Spiegel angefertigtes „Selfie“ auf dem Handy vorgelegt und von der Polizei abfotografiert. Darauf waren – sofern bei schlechter Bildqualität abgrenzbar – großflächige, unscharf begrenzte, fleckig abgeblasste, bräunliche Hautverfärbungen im seitlichen Unterbauch ohne Korrespondenz zu knöchernen Widerlagern sichtbar. Bei Inaugenscheinnahme des Körpers waren keine Verletzungen (mehr) feststellbar. Die Lokalisation der fotografierten Befunde ohne Korrespondenz zu knöchernen Widerlagern wurde aus rechtsmedizinischer Sicht jedoch als untypisch eingeschätzt. Im Nachgang an die körperliche Untersuchung wurde eingeräumt, dass die Befunde auf dem Bild aufgeschminkt und die Vorwürfe unwahr gewesen waren.

Künstlich erstellte Verletzungsbefunde

Für Schulungsmaterial wurden durch das Personal des Instituts für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover Verletzungen nachgestellt, wobei sich mit simplen Mitteln realistische Befunde produzieren ließen. Mittels Permanent-Markern der Marke Schneider in 2 Farben (rot und blau), etwa 5 ml Desinfektionsmittel (Sterillium®, Schneider Schreibgeräte GmbH, Schramberg, Deutschland), Einmalhandschuhen sowie Papierhandtüchern wurden Hautverfärbungen nach dem Vorbild von Würgemalen erzeugt und fotografisch festgehalten (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Zu Demonstrationszwecken wurden die hier sichtbaren Würgemale nachgestellt. Dafür wurden Permanent-Marker in 2 Farben (rot und blau), Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel sowie Papierhandtücher verwendet

Mittels digitaler Bildbearbeitung wurden in Fotoaufnahmen (Abb. 4 und 5) auf einem iPad Air® (5. Generation) mit der Applikation Procreate® und einem Apple Pencil® (2. Generation) Verletzungen im Nachhinein künstlich erstellt. Verwendet wurden neben dem Standardpinselset die käuflich erworbenen digitalen Pinsel Snowflake aus dem Pinselset Freja’ Winter sowie Dots 2 aus Sandras Fur brushes. So wurden ein Monokelhämatom (Abb. 6) und periokuläre Petechien (Abb. 7) nachgestellt. Darüber hinaus sind in der Applikation „Werkzeuge“ zum Verzerren von Bildern bzw. Bildteilen verfügbar, mit denen auch ein komplexes Verletzungsbild mit Schwellungen nachgestellt werden konnte (Abb. 8). Durch Übereinanderlegen mehrerer Bildebenen wurden ferner echte Verletzungen (hier Zigarettenbrandwunden) in ein beliebiges Foto eingefügt (Abb. 9).

Abb. 4
figure 4

Ausschnitt der unbearbeiteten Original-Fotoaufnahme, welche mit einem iPhone® aufgenommen und anschließend digital bearbeitet wurde (Abb. 6 und 7)

Abb. 5
figure 5

Originalfotoaufnahme, welche als Selfie mittels iPhone® im häuslichen Umfeld aufgenommen und anschließend digital bearbeitet wurde (Abb. 8 und 9). Nebenbefundlich ist ein violetter Augenschatten am rechten Augenunterlid sichtbar

Abb. 6
figure 6

Das Bild zeigt ein mittels der Applikation Procreate® und deren Standardrundpinsel digital erzeugtes Monokelhämatom

Abb. 7
figure 7

Die Abbildung stellt mittels der Applikation Procreate® und den Pinselsets Freja’s Winter (Snowflake) und Sandras Fur Brushes (Dots 2) digital erstellte periokuläre Petechien dar

Abb. 8
figure 8

Digital mittels der Applikation Procreate® erstellte Verletzungen auf einem Selfie. Neben einer Schwellung mit umgebender Hautverfärbung an der Oberlippe wurden Würgemale, periokuläre Petechien und ein blass-bläuliches Hämatom an der Wange eingearbeitet. Es wurden die zuvor genannten Pinsel verwendet

Abb. 9
figure 9

Aus dem Digitalfoto eines Routinefalls (Quelle: MHH) wurden 2 Zigarettenbrandverletzungen an der Stirn und am Kinn mittels der Applikation Procreate® auf digitale Art eingearbeitet

Diskussion

Fotografien in der Rechtsmedizin

Digitale Fotografien haben analoge in der Rechtsmedizin wie im Privatleben gänzlich ersetzt, wobei u. a. Mängel der „technischen Bildgüte“, z. B. „Unschärfe“, „Belichtungsfehler“ und „Fehler der Farbtreue“, zur Nichtverwendbarkeit eines Lichtbildes für dessen originären Zweck führen können [17]. Besonders problematisch erscheint jedoch die leichte Manipulierbarkeit der Befunde, nicht nur am Körper selbst, sondern auch am digitalen Bildmaterial bei sich rasant entwickelndem technischen Fortschritt. Die Verwendung von Digitalfotografien als Beweismittel in einem Strafverfahren ist aus Sicht der Autoren somit an hohe qualitative Ansprüche und technische Überprüfbarkeit zu binden.

Digitale Beweise in einem Strafverfahren

Doch nicht nur in der Verwendung von stehendem Bildmaterial ist der digitale Beweis bereits seit 2001 auf dem Vormarsch [13]. Die wachsende Vernetzung der Gesellschaft über digitale Medien wie E‑Mail, Nachrichtendienste, soziale Netzwerke oder Video- und Foto-Sharing führt zu neuen Möglichkeiten und Arten der Beweisführung [3], welche immer häufiger Verwendung finden [12]. Digitale Inhalte beherbergen jedoch verschiedene Risiken, die ohne digital-forensische Überprüfung nicht unmittelbar augenscheinlich sind [8, 13] und technische Herausforderungen mit sich bringen [9]. Unter anderem verdeutlichen Boddington et al. (2008) sowie Reedy (2020) anhand zahlreicher Beispiele, wie wichtig die kritische Wertung digitaler Inhalte als Beweismittel ist, und beschreiben diverse Methoden zur Beschaffung, Validierung und Prüfung digitaler Beweise, um mögliche Fehler oder Manipulationen zu identifizieren [4, 15]. Insbesondere die mangelnde Erforschung sowie fehlende Anwendungsberichte und rechtliche Vorgaben bezüglich der Validierung digitaler Beweise werden problematisiert [4, 10]. Die Applikation Procreate® findet in diesen Veröffentlichungen keine Erwähnung. Auch der 2011 vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik veröffentlichte Leitfaden IT-Forensik beinhaltet umfassende organisatorische und technische Empfehlungen bezüglich der Sicherung und Weiterverarbeitung von Daten und verdeutlicht, wie komplex der Umgang mit digitalen Beweismitteln ist [5].

Die Verwendung digitaler Fotografien als Beweismittel in einem Gerichtsverfahren kann folglich Gefahren bergen. Durch mangelnde Grundkenntnisse über mögliche Manipulationswege und Fehlerquellen digitaler Datensätze kann es zur Fehleinschätzung bei der Beweiswürdigung mit weitreichenden Folgen kommen [9]. In einem Beispiel aus Dänemark mussten über 10.000 Gerichtsurteile aus dem Zeitraum von 2012 bis 2019 aufgrund der Verwendung fehlerhafter GPS-Daten und somit falscher Verortungen als Beweismaterial revidiert werden [16].

Auch eine aktuelle und weltweit medienwirksame Gerichtsverhandlung beleuchtet die Problematik eindrucksvoll. In diesem Fall seien die (teils) als Beweise eingeführten, selbstaufgenommenen Fotos von Verletzungen den Aussagen eines Sachverständigen zufolge in einem Bildbearbeitungsprogramm zumindest gespeichert worden, wie anhand der Metadaten der Bilder festzustellen gewesen sei [11]. Die Belastbarkeit dieser Fotos als Beweismaterial und die Echtheit der Befunde wurden deshalb stark angezweifelt [11].

Metadaten enthalten Informationen über eine digitale Datei und liefern viele Auskünfte, wie den Namen, Speicherort, die Größe und Art der Datei, aber auch Erstelldatum und Uhrzeit sowie verwendete Geräte und Systeme [14]. Daher werden sie oft für forensische Zwecke herangezogen und analysiert [1, 2].

Der Nachweis einer digitalen Bearbeitung von Fotos im Nachhinein ist jedoch komplex und sollte unter Einbezug von IT-Forensikern erfolgen [9], insbesondere wenn initial keine Vorstellung in der Rechtsmedizin stattgefunden hat.

Bezug auf die vorgestellten Fälle

In der rechtsmedizinischen Praxis konnten Fälle, bei denen Verletzungen auf analoge Art und Weise nachweislich gefälscht wurden, identifiziert werden (s. entsprechend den oben dargestellten Fallbeispielen). Einfach zugängliche Mittel und Anweisungen ermöglichen bzw. erleichtern das Vortäuschen von Verletzungen durch z. B. Schminken (Tab. 1). Darüber hinaus stellt die digitale Bearbeitung mit leicht zugänglichen Methoden einen nicht zu unterschätzenden Fallstrick dar, wie die seitens der Autoren nachbearbeiteten Lichtbilder (Abb. 4, 5, 6, 7, 8 und 9) veranschaulichen.

In den beschriebenen Fallbeispielen hat die direkte körperliche Inaugenscheinnahme durch die Rechtsmedizin zur Ursachenklärung und zur Manipulationsaufdeckung mit strafprozessualer Relevanz beigetragen. Vor diesem Hintergrund sollten die Einschränkungen einer Selbstdokumentation von Verletzungen berücksichtigt und deren Beweissicherheit kritisch geprüft werden. Insbesondere bei der Sicherung von Beweisen und deren nachfolgender Speicherung sollten Maßnahmen zur Gewährleistung einer manipulationssicheren Handhabung ergriffen werden.

Fazit

Eine nachgeschaltete Beurteilung von extern angefertigten, digitalen Lichtbildern – insbesondere durch Privatpersonen – birgt deutliche Einschränkungen in der Belastbarkeit der in ein Strafverfahren eingebrachten vermeintlichen Beweise. Aus rechtsmedizinischer Sicht können weder eine Bild- noch eine Befundmanipulation im Nachgang mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden. Während die Verbesserung der Versorgung von Gewaltbetroffenen durch die Entwicklung neuer Applikationen zur (Selbst-)Dokumentation von Gewalttaten und deren Folgen ausdrücklich zu befürworten ist, ist bei der Beurteilung aus Sicht der Autoren die Möglichkeit der (Ver‑)Fälschung von Befunden zu berücksichtigen und kritisch zu prüfen. Digitale Versorgungsmodelle unter Einbindung entsprechend forensisch geschulter Ärzt_innen und unter enger Supervision von Rechtsmediziner_innen können adäquate Überbrückungskonzepte darstellen. Die direkte körperliche rechtsmedizinische Untersuchung ist jedoch noch immer als Goldstandard anzusehen.

Fazit für die Praxis

  • Die (Ver‑)Fälschung von rechtsmedizinisch relevanten Befunden ist sowohl auf analoge als auch auf digitale Art und Weise möglich.

  • Die Eigendokumentation in innovativen Applikationen für Gewaltbetroffene wird eine persönliche Vorstellung und direkte rechtsmedizinische Inaugenscheinnahme nicht ablösen können.

  • Auf die Limitationen einer Selbstdokumentation im Vergleich zu einer zeitnahen, qualifizierten, körperlichen Untersuchung sollte in den entsprechenden Applikationen hingewiesen werden.

  • Auch wenn grundsätzlich jede Ausweitung der Angebote für Gewaltbetroffene zu begrüßen ist, sollten die Möglichkeit einer missbräuchlichen Verwendung berücksichtigt und Vorbehaltsformulierungen vorgehalten werden.