Zusammenfassung
Im Rahmen der Leichenschau ist die letztendliche Todesursache zu benennen, die in einer Todesursachenkaskade auf ein Grundleiden zurückzuführen ist. Beim Grundleiden handelt es sich um die zum Tode führende Erkrankung, bei der letztendlichen Todesursache um die Art des Todeseintritts bei einer bestimmten Grundkrankheit. Bei erwarteten Todesfällen sollte immer eine sichere Angabe von Grundleiden und Todesursache möglich sein. Dies ist bei nichterwarteten Todesfällen deutlich schwieriger. Bei der Angabe einer Todesursachenkaskade kann man sich konzeptioneller und didaktischer Hilfsmittel bedienen, z. B. der Graduierung morphologischer und klinischer Befunde hinsichtlich ihrer todesursächlichen Dignität und sog. Sterbenstypen (thanatologische Brücke zwischen Grundleiden und Todesursache).
Abstract
During the external postmortem examination of a corpse the final cause of death is to be named, which can be traced back by means of a cause of death cascade to the underlying condition. The underlying cause of death is the condition that triggered the chain of events leading to death. The immediate cause of death is a final complication resulting from the underlying cause of death. When death was expected it should always be possible to specifically name the underlying causes of death and immediate cause of death. In cases where death was not expected this may be much more difficult. In the specification of a cause of death cascade conceptional and didactic aids can be used, e.g. the graduation of morphological and clinical findings with respect to their dignity in the cause of death and so-called dying types. These dying types have also been described as thanatological bridges between the underlying disease and the immediate cause of death.
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CME-Fragebogen
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Bei welchem der folgenden Todesmechanismen handelt es sich um ein terminales Ereignis, das nicht als unmittelbare Todesursache auf der Todesbescheinigung aufgeführt werden sollte?
Epidurales Hämatom
Multiorganversagen
Elektromechanische Entkopplung
Nierenversagen
Sepsis
Bei welchem der folgenden Sterbenstypen handelt es sich nicht um einen von Leiss definierten Sterbenstyp?
Linearer Sterbenstyp
Komplexer Sterbenstyp
Exponentieller Sterbenstyp
Divergierender Sterbenstyp
Konvergierender Sterbenstyp
Welcher der folgenden Begriffe stellt keine Variable des von Schoenmackers definierten Modells der Belastungsfähigkeit dar?
Belastungsgrenze
Primäres Belastungsniveau
Sekundäres Belastungsniveau
Grenzbelastung
Belastungsintervall
Welche Aussage zur Klassifizierung der Todesart ist zutreffend?
Aufgrund hoher Obduktionsquoten in Deutschland haben Fehler bei der Leichenschau praktisch keine Auswirkungen auf unentdeckte nichtnatürliche Todesfälle.
Ein kausaler Zusammenhang bei sog. Spättodesfällen besteht nach 10 Jahren grundsätzlich nicht mehr, da ein Versterben ab dann stets als natürlich anzusehen ist.
Bei einer todesursächlichen Hirnkontusion liegt stets eine nichtnatürliche Todesart vor, die in der Todesbescheinigung auch so zu klassifizieren ist.
Ein Subduralhämatom ist aufgrund seiner als traumatisch einzustufenden Genese beweisend für einen nichtnatürlichen Tod.
In der Praxis tendieren leichenschauende Ärzte im Zweifel eher dazu, einen nichtnatürlichen oder ungeklärten Tod zu bescheinigen.
Die Validität eines plötzlichen kardialen Todesfalles kann bei welchem Befund am ehesten als sicher betrachtet werden?
„Myocardial bridging“
Ausgeprägte hypertrophe Kardiomyopathie
Fokale Myokarditis
Atypischer Ursprung einer Koronararterie aus der A. pulmonalis
Myxoide Degeneration der Mitralklappe mit Prolaps
In welcher der folgenden Fallkonstellationen ist am ehesten nicht von einem natürlichen Tod auszugehen?
Infizierter Portkatheter mit septischem Geschehen
Lungenembolie infolge einer Beinvenenthrombose
Dissektion einer zystischen Medianekrose Erdheim-Gsell
Hirnmassenblutung mit Ruptur von Hirngefäßen
Ketoacidose bei unentdecktem Diabetes mellitus Typ 1
Welche der folgenden Aussagen zur Feststellung der Todesursache ist korrekt?
In etwa einem Zehntel der Fälle stimmt die Leichenschaudiagnose nicht mit der Obduktionsdiagnose überein.
Bei einer elektrokardiographisch gesicherten Asystolie kann diese als unmittelbare Todesursache in der Todesbescheinigung verwendet werden.
In einigen Fällen ist hinsichtlich der Todesursache lediglich ein Deutungsversuch möglich.
Arteriosklerotische Plaques mit einer Stenose des Koronarlumens <50 % rechtfertigen niemals die Annahme einer kardialen Todesursache.
Funktionelle Endzustände finden sich auf der Todesbescheinigung nur höchst selten als unmittelbare Todesursache.
Eine kausale und nachvollziehbare Todesursachenkaskade liegt in welchem der folgenden Beispiele vor?
Ia) Pneumonie – Ib) Koronare Herzkrankheit (KHK) – Ic) Hypertonie – Id) Demenz
Ia) Lungenthrombembolie – Ib) Tiefe Beinvenenthrombose – Ic) Bettlägerigkeit – Id) Fortgeschrittene Demenz
Ia) Elektromechanische Entkopplung – Ib) Blutverlust – Ic) Beckenringfraktur – Id) Treppensturz
Ia) Septischer Schock – Ib) Infizierte Hüftprothese – Ic) Hirnmassenblutung – Id) Zerebrale Arteriosklerose
Ia) Myokardinfarkt – Ib) Dreigefäßerkrankung – Ic) Arterielle Hypertonie – Id) M. Alzheimer
Welcher der folgenden Faktoren wirkt sich am ehesten nachteilig auf die Deutung und Beurteilungsqualität eines Obduzenten aus?
Das Veranlassen bzw. Empfehlen weiterführender Untersuchungen bei unklaren makroskopischen Befunden
Das konsequente Festhalten an übernommenen standardisierten Interpretationsgeflogenheiten
Die kritische Einordnung des tatsächlichen Stellenwerts behördlicher Ermittlungsergebnisse
Das fallorientierte Anwenden ergänzender oder variierender Untersuchungstechniken
Die Einstellung, anhand der erhobenen Befunde und Informationen nicht alles sicher entscheiden zu wollen
Welche der folgenden Aussagen bezüglich des demografischen Wandels in Deutschland ist zutreffend?
Bei älteren Personen ist die Todesursache in der Regel sicher festzustellen, da diese meistens mehrere relevante Vorerkrankungen aufweisen, die dann subsumiert werden können.
In Anbetracht des demografischen Wandels in Deutschland dürfte von einem stetigen Anstieg linearer Sterbenstypen, bei denen Grundleiden und Todesursache in einem Organsystem liegen, auszugehen sein.
Altersschwäche bezeichnet die terminale Multimorbidität und kann als unmittelbare Todesursache verwendet werden, die den Tod und auch die Plötzlichkeit des Todeseintritts hinreichend erklärt.
Aufgrund der stetig älter werdenden Bevölkerung kommt der komplexe Sterbenstyp, bei dem das Grundleiden verschiedene Organsysteme einbezieht, am häufigsten vor.
Bei älteren Personen sollte bei fehlenden äußerlichen Befunden auch eine todesursächliche biochemische Stoffwechselregulation in Betracht gezogen werden, die jedoch nur anhand postmortaler Untersuchungen diagnostiziert werden können.
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Madea, B., Prangenberg, J. & Doberentz, E. Feststellung der Todesursache. Rechtsmedizin 32, 221–236 (2022). https://doi.org/10.1007/s00194-021-00548-8
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