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Tötungsdelikte im Gesundheitswesen – Teil 1

Hintergründe und Besonderheiten

Homicides in the healthcare system—Part 1

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Zusammenfassung

Gewaltanwendungen gegenüber Patienten in Krankenhäusern und v. a. in Heimen finden in der öffentlichen Diskussion kaum Beachtung. Bei Tötungen handelt es sich meist um Serientötungen, deren Entdeckung aufgrund verschiedener Faktoren erschwert ist und daher oftmals nur auf Zufällen beruht. Der Tatort ist der Ort des beruflichen Wirkens des Täters, an dem zum einen Gewaltverbrechen nicht erwartet werden und zum anderen Sterben und Tod zum Alltag gehören. Das Zusammenspiel gesellschaftlicher und innerbetrieblicher Rahmenbedingungen sowie einer prädisponierenden Persönlichkeitsstruktur ist die Basis derartiger Gewaltverbrechen, denen letztlich verschiedenste Motive zugrunde liegen.

Abstract

Violence against patients in hospitals and, especially in nursing homes, receives hardly any attention in public discussion. Most of these cases are serial killings, the discovery is difficult due to various factors and is therefore often only based on coincidences. The crime scene is the occupational workplace of the offender where on the one hand violent crimes are not expected and on the other hand death is part of the daily routine. The interaction of social and internal working conditions as well as a predisposing personality structure lead to such violent crimes, which are ultimately based on a wide variety of motives.

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Autoren

E. Doberentz: A. Finanzielle Interessen: E. Doberentz gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinanzielle Interessen: angestellte Rechtsmedizinerin, Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn | Mitgliedschaften: Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin, Berufsverband Deutscher Rechtsmediziner.

J. Ulbricht: A. Finanzielle Interessen: J. Ulbricht gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinanzielle Interessen: angestellte Rechtsmedizinerin, Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn | Mitgliedschaft: Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin.

B. Madea: A. Finanzielle Interessen: B. Madea gibt an, dass kein finanzieller Interessenkonflikt besteht. – B. Nichtfinanzielle Interessen: Institutsleiter, Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Bonn | Mitgliedschaften: Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin, IALM, ISFG.

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Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.

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Wissenschaftliche Leitung

B. Madea, Bonn

CME-Fragebogen

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Was zählt nicht zu den von der WHO definierten Gewaltformen in der Altenpflege?

Sexueller Missbrauch

Psychische Gewalt

Freiheitsentzug

Vernachlässigung

Manipulation von Angehörigen

In welchem Umfeld finden Gewaltanwendungen gegen Patienten am häufigsten statt?

Pflegeheim

Krankenhaus

Altenheim

Arztpraxis

Operationsaal

Welche der folgenden Kriterien sind typisch für Täter/Täterinnen?

Weiblich, jung, Charakterzüge Selbstüberschätzung und Größenwahnsinn

Männlich, eigenbrödlerisch, Charakterzüge Selbstunsicherheit und Selbstmitleid

Männlich, gesellig, Charakterzüge Belastbarkeit und Kollegialität

Männlich, jung, Charakterzüge Gier und Narzissmus

Weiblich, älter, Charakterzüge Kontaktfreudigkeit und Flexibilität

Welche ist die häufigste Tötungsmethode der Ärzte und Pflegekräfte im beruflichen Umfeld?

Ersticken

Vergiftung

Injektionen

Maschinelle Manipulation

Luftembolie

Welche Ursache kommt für die vermutlich extrem hohe Dunkelziffer unentdeckter Patiententötungen am wenigsten in Betracht?

Spurenarme Tötungsmethoden

Fälschlicherweise bescheinigte natürliche Todesart

Angst um Ruf der Einrichtung durch einen Skandal

Hemmschwelle derartiger Anschuldigungen

Unzureichende polizeiliche Ermittlungen

Ein 78 Jahre alter, schwer dementer Patient lebt seit mehreren Jahren in einer Pflegeinrichtung. Die Angehörigen entdecken plötzlich immer wieder auffällige „blaue Flecke“ am ganzen Körper und bitten Sie als betreuenden Hausarzt um Rat. Welche Überlegung müssen Sie in Betracht ziehen?

Das lange Pflegeverhältnis spricht gegen einen körperlich gewaltsamen Übergriff.

An Demenz erkrankte Patienten haben ein höheres Risiko, Opfer von Gewalt zu werden.

Es kann sich nur um eine neu aufgetretene Störung der Blutgerinnung handeln.

Die Begutachtung weiterer in der Einrichtung lebender Patienten ist nicht notwendig.

Bei dementen Patienten ist eine Selbstbeibringung am wahrscheinlichsten.

Motive für Patiententötungen sind komplex. Welches Motiv ist dabei am wenigsten zutreffend?

Anhaltender Geltungsdrang

Finanzielle Bereicherung

Minderung des eigenen Leidensdrucks

Mitleid mit dem Patienten

Ausübung von Macht

Auf Ihrer Station verstirbt überraschend eine 79 Jahre alt gewordene Patientin, die zur Einstellung eines neu aufgetretenen Diabetes mellitus seit 5 Tagen stationär war. Die Patientin war in einem sehr guten Allgemeinzustand, und der plötzliche Tod ist für Sie nicht nachvollziehbar. Als Vorerkrankungen sind neben dem Diabetes mellitus Typ 1 eine leichte Hypertonie bekannt. Wie verhalten Sie sich?

Sie führen ordnungsgemäß eine Leichenschau durch. Hierbei ergeben sich keine Hinweise auf eine Gewalteinwirkung. Sie bescheinigen eine natürliche Todesart.

Trotz des guten Allgemeinzustands ist mit dem Versterben bei älteren Patienten jederzeit zu rechnen. Sie bescheinigen eine natürliche Todesart.

Sie messen den Blutzucker, der sehr niedrig ist. Sie bescheinigen eine natürliche Todesart mit der Todesursache Hypoglykämie bzw. Diabetes mellitus.

Sie informieren die Polizei. Die Todesursache wird am ehesten kausal auf Ihre Behandlung zurückzuführen sein. Sie bescheinigen eine nichtnatürliche Todesart.

Sie informieren die Polizei. Da sich Ihnen die Todesursache nicht erschließt, bescheinigen Sie eine ungeklärte Todesart.

Sie arbeiten in der ambulanten hausärztlichen Versorgung und betreuen den älteren Patienten Herrn K. zu Hause. Herr K. ist dement und benötigt entsprechende Hilfe bei alltäglichen Dingen wie der Einnahme von Mahlzeiten und der Körperpflege. Herr K. nimmt Phenprocoumon ein, ansonsten ist der Gesundheitszustand dem Alter entsprechend gut. Bei Ihrem nächsten Besuch finden sie Herrn K. leblos in Rückenlage im Bett. Bei der Leichenschau fallen Ihnen Hautvertrocknungen im Bereich von Mund und Nase sowie mehrere Hämatome der Oberarme auf. Was trifft am ehesten zu?

Hämatome sind nicht ungewöhnlich bei Phenprocoumon-Patienten. Die Hautvertrocknungen der Mund-Nasen-Region sind am ehesten auf die erforderliche Körperpflege, wie Verletzungen nach Rasur, zurückzuführen.

Die Hautvertrocknungen sind am ehesten auf die notwenige Nahrungsaufnahme mittels Fütterung durch die Pflegekräfte zu erklären. Eine Gegenwehr von Herrn K. gegenüber der Pflege ist bekannt.

Die Hämatome der Oberarme könnten ggf. auf Pflegemaßnahmen zurückgeführt werden. Bei den Hautvertrocknungen muss jedoch immer auch an ein gewaltsames Zuhalten von Mund und Nase gedacht werden.

Hautvertrocknungen treten häufig lagebedingt auf. Herr K. wird vermutlich in der Sterbephase mit seinem Gesicht aufgelegen und sich kurz vor seinem Tod auf den Rücken gedreht haben.

In Zusammenschau der Hämatome und Befunde der Mund-Nasen-Region scheidet eine Entstehung der Befunde im Rahmen der Pflege aus, und somit ist von einem Tötungsdelikt auszugehen.

Welche der nachfolgenden Aussagen trifft bei Gewaltanwendungen gegenüber Patienten am ehesten zu?

Körperliche Gewaltakte gegenüber Patienten treten häufiger bei nur kurzen Pflegeverhältnissen auf.

Tötungsdelikte gegenüber Patienten sind meist die Folge langjähriger Täter-Opfer-Beziehungen.

Überwiegend ältere Frauen im Lebensalter zwischen 70 und 80 Jahren sind Opfer von Misshandlungen in der Pflege.

Psychische Misshandlungen treten oftmals erst nach langjährigen Pflegeverhältnissen zwischen Täter und Opfer auf.

An Demenz erkrankte Patienten werden aufgrund der geringeren Beziehungsdynamik seltener Opfer gewaltsamer Übergriffe.

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Doberentz, E., Ulbricht, J. & Madea, B. Tötungsdelikte im Gesundheitswesen – Teil 1. Rechtsmedizin 31, 155–172 (2021). https://doi.org/10.1007/s00194-021-00470-z

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