Zusammenfassung
Halswirbelsäulen(HWS)-Distorsionen stellen ein Thema dar, mit dem sich außer der kurativen Medizin auch diverse forensische Disziplinen auseinandersetzen müssen. Der vorliegende Beitrag präsentiert Grundlagen der Begutachtung von kausalen Zusammenhängen bei behaupteten unfallbedingten funktionellen Störungen im HWS-Bereich. Im ersten Teil des CME-Beitrags wurde auf die technische Rekonstruktion von Fahrzeugkollisionen und die biomechanischen Aspekte der Begutachtung eingegangen; im Folgenden werden medizinische und rechtliche Aspekte erläutert.
Abstract
Whiplash-associated disorders and associated phenomena have been studied for decades not only from a therapeutic perspective but also by diverse forensic disciplines. This article outlines the basic principles of expert assessment of causation in cases with claims of functional impairment in the cervical spine region. In the first part of this CME article the technical reconstruction of vehicle collisions and the biomechanical aspects of the expertise were presented, i. e. the areas of the interdisciplinary approach that deal with the parameters of the external mechanical forces on the body. This second part presents the medical and the legal aspects of the forensic expertise of whiplash-associated disorders.
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Interessenkonflikt
J. Adamec, H. Bäumler, N. Doukoff und M. Graw geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Redaktion
B. Madea, Bonn
CME-Fragebogen
CME-Fragebogen
Warum ist bei der sachverständigen Begutachtung von HWS-Distorsionen eine erneute Auswertung vorhandener radiologischer Daten (MRT, CT, Röntgen) sinnvoll?
Da grundsätzlich bisher erhobene Befunde als zweifelhaft eingestuft werden müssen.
Da immer ein Vergleich mit Befunden aus der Zeit vor dem Unfall erfolgen sollte.
Da klinisch unbedeutende und daher nichtdokumentierte Befunde erhoben werden können.
Da häufig keine hinreichend objektiven Befunde durch den Hausarzt erhoben werden.
Da nahezu regelmäßig pathognomonische Befunde festgestellt werden können.
Bei HWS-Distorsionen wird nicht selten ein Latenzintervall, d. h. ein verzögerter Eintritt von Beschwerden, berichtet. Für welche maximale Latenzzeit kann vernünftig eine Kausalität begründet werden?
1 h
5 h
12 h
24 h
48 h
Die Ausbildung chronischer Beschwerden ist bei leichten funktionellen Distorsionen nicht zu erwarten. Welche maximale Zeitdauer einer (partiellen) Arbeitsunfähigkeit wird dabei üblicherweise nicht überschritten?
1 bis 2 Tage
6 bis 7 Tage
2 bis 3 Wochen
4 bis 6 Wochen
8 bis 10 Wochen
Welchen typischen Verlauf weisen die Beschwerden bei HWS-Distorsionen auf?
Unregelmäßige Ausprägung mit kurzzeitigen Peaks
Morgendliches Maximum mit nachfolgender Abnahme
Wellenförmiges Auftreten mit wetterabhängigen Spitzen
Initialer Anstieg mit allmählichem Abklingen
Kontinuierliche Tagezunahme mit abendlichem Maximum
Wie hoch ist der prozentuale Anteil behaupteter HWS-Distorsionen an den schadensersatzrechtlich zu beurteilenden Verletzungen in Deutschland am ehesten?
5 %
10 %
15 %
20 %
25 %
Bei der Begutachtung von HWS-Distorsionen wird radiologisch nicht selten eine Streckhaltung der HWS festgestellt. Wie ist dieser Befund bei der Begutachtung am ehesten einzuordnen?
Dieser Befund bildet ein semisubjektives Kriterium.
Dieser Befund belegt eine chronische Störung.
Dieser Befund beweist ein akutes Trauma.
Dieser Befund entspricht einer typischen Vorschädigung.
Dieser Befund ist ein bedeutungsloser Parameter.
In der Bewertung von HWS-Distorsionen stellen die Problematiken der Aggravation und/oder Simulation eine besondere Herausforderung dar. Wie sollte mit diesen Phänomenen bei der Begutachtung am ehesten umgegangen werden?
Bei der Begutachtung sollte man eine konfrontative Exploration anstreben.
Bei der Begutachtung sollte man sich auf klinische Befunde beschränken.
Bei der Begutachtung sollte man dies bei konkreten Anhaltspunkten diskutieren.
Bei der Begutachtung sollte man die juristische Bewertung priorisieren.
Bei der Begutachtung sollte man eine psychiatrische Mitbeurteilung veranlassen.
Wie wird der Begriff „Gesundheitsverletzung“ juristisch beschrieben?
Jede Störung, die von einem Menschen herrührt und das natürliche Wachstum und die natürliche Entfaltung hindert oder beeinträchtigt.
Jede Störung, die die körperliche Integrität berührt und die volle Bewegungsfähigkeit und volle Mobilität hindert oder beeinträchtigt.
Jede Störung, die das Wohlbefinden tangiert und die physische und psychische Funktionsfähigkeit hindert oder beeinträchtigt.
Jede Störung, die das Gesamtleistungsvermögen reduziert und körperliche oder geistige Fähigkeiten hindert oder beeinträchtigt.
Jede Störung, die den menschlichen Körper involviert und funktionelle und somatoforme Leistungen hindert oder beeinträchtigt.
Bei der Beurteilung einer unfallursächlichen HWS-Distorsion muss gelegentlich eine degenerative Vorbelastung der Wirbelsäule berücksichtigt werden. Welche Aussage trifft bei der Kausalitätsfeststellung nach juristischen Maßstäben im Zivilrecht dabei am ehesten zu?
Für die Annahme einer Unfallkausalität muss der Unfallschaden zu 90 % ursächlich gewesen sein.
Für die Annahme einer Unfallkausalität sollte die unfallbedingte Schädigung die wesentliche Bedingung darstellen.
Für die Annahme einer Unfallkausalität ist es notwendig, dass der Geschädigte vor dem Unfall völlig gesund gewesen ist.
Für die Annahme einer Unfallkausalität muss der Unfallschaden mindestens zwei Drittel der Folgen verursacht haben.
Für die Annahme einer Unfallkausalität ist es nicht erforderlich, dass der Geschädigte vor dem Unfall gesund war.
Welche Anforderung gilt für den Nachweis von Folgeschäden bei HWS-Distorsionen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung des Richters?
Die Wahrscheinlichkeit muss mindestens erheblich (wenigstens 33 %) sein.
Die Wahrscheinlichkeit muss mindestens überwiegend (wenigstens 51 %) sein.
Die Wahrscheinlichkeit muss mindestens wegweisend (wenigstens 66 %) sein.
Die Wahrscheinlichkeit muss mindestens deutlich (wenigstens 75 %) sein.
Die Wahrscheinlichkeit muss mindestens sehr groß (wenigstens 90 %) sein.
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Adamec, J., Bäumler, H., Doukoff, N. et al. Medizinische und rechtliche Aspekte bei der Begutachtung von Halswirbelsäulendistorsionen. Rechtsmedizin 27, 555–566 (2017). https://doi.org/10.1007/s00194-017-0155-0
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00194-017-0155-0