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Risikoaufklärung

Potenzielles Risiko für Patient, Student und Arzt

Risk disclosure

Potential risks for patient, student and physician

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Rechtsmedizin Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Hintergrund

Um sich für oder gegen eine Behandlung entscheiden zu können, müssen Patienten ein ordnungsgemäß geführtes ärztliches Aufklärungsgespräch erhalten. Auch für den aufklärenden Arzt oder den beauftragten Studenten im praktischen Jahr (PJ) ist ein solch geführtes Aufklärungsgespräch essenziell, um nicht wegen Fehlern bei der Aufklärung von einem Gericht verurteilt zu werden.

Ziel der Arbeit

Neben den hohen rechtlichen Anforderungen an die Risikoaufklärung sollten in der praktischen Anwendung, insbesondere die Merkfähigkeit von Probanden nach einem umfangreichen ärztlichen Aufklärungsgespräch überprüft werden. Ebenfalls sollte den Rechtswissenschaftsstudierenden verdeutlicht werden, welche hohen Anforderungen an ein ärztliches Aufklärungsgespräch gestellt werden sowie welche Schwierigkeiten sich bei der Darlegungs- und Beweislast in einem rechtlichen Verfahren stellen können.

Material und Methode

In diese Pilotstudie wurden 22 Rechtswissenschaftsstudierende auf freiwilliger und anonymer Basis einbezogen. Die Probanden erhielten ein Aufklärungsgespräch über den aortokoronaren Bypass. Mithilfe von Fragebogen wurde das aktive Erinnerungsvermögen in 3 Befragungen abgefragt. Die dritte Befragung fand im Rahmen der Abschlussklausur statt; hierbei wurde Informationsmaterial zur Prüfungsvorbereitung zur Verfügung gestellt.

Ergebnisse

In der ersten Befragung konnten von maximal 123 Risiken im Median 12,5 wiedergegeben werden, in der zweiten Befragung im Median 8. Nach aktivem Lernen der Informationen stieg die Informationswiedergabe im Median auf 33 an. Der Unterschied zwischen den einzelnen Befragungen zueinander war statistisch signifikant (p < 0,01).

Schlussfolgerung

Es zeigte sich, dass ein sehr ausführliches Aufklärungsgespräch mit einer Fülle von Informationen nicht gleichzeitig einen gut informierten Patienten bedeutet.

Abstract

Background

Patients must be adequately informed about forthcoming treatment in a medical informed consent to be able to decide for or against this treatment. For the enlightening physician or the delegated medical student in a practical year, it is essential from the legal perspective to carry out a detailed informed consent in order to avoid being sued for not fulfilling the obligations.

Aim

The objectives of this study were to review the level of memory retention following a medical informed consent, to illustrate to law students the high demands placed on a medical informed consent and the difficulties that can arise in memory retention due to a wealth of information.

Material and methods

In this pilot study, 22 law students were included within the framework of a colloquium on medical law on a voluntary and anonymous basis. The volunteers received an informed consent about an aortocoronary bypass. The study consisted of 3 phases: (1) completing a questionnaire directly after the informed consent, (2) completing a questionnaire 1 week after the informed consent and (3) answering questions as part of a written examination 3 weeks after the informed consent, when learning material was made available beforehand.

Results

In phase 1 an average of 12.5 risks from a maximum of 123 could be reproduced and in phase 2 an average of 8 risks could be remembered. After active learning in phase 3 the number of risks remembered rose to 33. The differences between each of these phases were statistically significant (p < 0.01). The significantly increased memory retention of risk factors is, therefore directly related to an active preoccupation with the information.

Conclusion

The results of the study show that a comprehensive informed consent with a wealth of information does not necessarily represent a well-informed patient. As the volunteers were able to remember more information when written information on the risks was supplied in addition to the verbal informed consent received, it would be useful to read the risk information sheet before the informed consent is carried out and to give patients a copy of the risk information sheet after informed consent, as required by the patient rights act.

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Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Abb. 4
Abb. 5
Abb. 6
Abb. 7
Abb. 8
Abb. 9

Notes

  1. Bundesregierung, Gesetzentwurf PatRG, BT-Drs. 17/10488; siehe bereits ausführliche Darstellung des PatRG bei Parzeller, Zedler, Das Patientenrechtegesetz (PatRG) – Teil 1: Gesetzgebungsverfahren, Behandlungsvertrag, Vertragspartner und deren Mitwirkungs- und Informationspflichten. Arch Kriminol 2013, 73–90; Parzeller, Zedler, Das Patientenrechtegesetz (PatRG) – Teil 2: Einwilligung, Aufklärungspflichten, Dokumentation der Behandlung, Einsichtnahme in die Patientenakte. Arch Kriminol 2013, 145–160; Parzeller, Zedler, Das Patientenrechtegesetz (PatRG) – Teil 3: Beweislast in Haftungsfragen und kritisches Fazit. Arch Kriminol 2014, 1–19; Parzeller et al., Pflicht zur Offenbarung von Behandlungsfehlern nach dem Patientenrechtegesetz, Rechtsmedizin 2014, 263–271.

  2. BÄK, § 8 MBO (Musterberufsordnung): „Zur Behandlung bedürfen Ärztinnen und Ärzte der Einwilligung der Patientin oder des Patienten. Der Einwilligung hat grundsätzlich die erforderliche Aufklärung im persönlichen Gespräch vorauszugehen.“ und Ergänzung durch Beschlussprotokoll des 114. Deutschen Ärztetags vom 31.05.-03.06.2011 in Kiel – III – 01 Änderung der (Muster −)Berufsordnung. Anlage zum Beschluss: § 8 Aufklärungspflicht: „Die Aufklärung hat der Patientin oder dem Patienten insbesondere vor operativen Eingriffen Wesen, Bedeutung und Tragweite der Behandlung einschließlich Behandlungsalternativen und die mit ihnen verbundenen Risiken in verständlicher und angemessener Weise zu verdeutlichen. Insbesondere vor diagnostischen oder operativen Eingriffen ist soweit möglich eine ausreichende Bedenkzeit vor der weiteren Behandlung zu gewährleisten. Je weniger eine Maßnahme medizinisch geboten oder je größer ihre Tragweite ist, umso ausführlicher und eindrücklicher sind Patientinnen oder Patienten über erreichbare Ergebnisse und Risiken aufzuklären.“

  3. OLG Karlsruhe, VersR 2014, 710–711.

  4. RGSt 25, 375 (375 ff.); BGHSt 35, 246 (246 ff.); BGH NStZ-RR 2007, 340 (341); BGH, NStZ 2008, 150 (150 f.); siehe auch: Parzeller et al., Aufklärung und Einwilligung des Patienten. Dt. Ärtzebl. cme.aerzteblatt.de/kompakt 2009, 29a (29a); Dölling, § 223 StGB, in: Dölling et al (Hrsg.) Gesamtes Strafrecht, 2013, Rn. 9.

  5. Parzeller, Zedler, Arch Kriminol 2013, 73 (79 ff.).

  6. Bundesregierung, Gesetzentwurf PatRG, BT-Drs. 17/10488S. 29.

  7. Ständige Rechtsprechung: z. B. BGH, NJW 1998, 2734 (2734): siehe auch Parzeller, Zedler, Arch Kriminol 2014, 1 (5 f.).

  8. Zur Zurückweisung verspätet vorgebrachter Angriffs- oder Verteidigungsmittel: § 530 f. i. V. m. § 296 Abs. 1, Abs. 4 ZPO.

  9. Simmler, Der Aufklärungsfehler. In: Wenzel (Hrsg.) Der Arzthaftungsprozess. 2012. S. 726–816.

  10. Knaak, Parzeller, Court Decisions on Medical Malpractice. Int J Legal Med 2014, 128: 1049–1057; siehe auch die nachfolgende Darstellung des OLG Karlsruhe, VersR 2014, 710–711.

  11. BGH, VersR 2009, 257 (258).

  12. BGH, VuR 2005, 315 (316).

  13. Wollinger, Hirnschall, Findl, Computer-basiertes Informationsprogramm zur Verbesserung der Patientenaufklärung vor der Katarakt-Operation. Spektrum Augenheilkd, 2011, 368–371.

  14. Aaronson et al., Telephone-based nursing intervention improves the effectiveness of the informed consent process in cancer clinical trials. J Clin Oncol 1996, 984–996.

  15. OLG Karlsruhe, VersR 2014, 710–711: Im Rahmen dieses Beitrages kann nur eine Wiedergabe des Tatbestands und der Entscheidungsgründe erfolgen. Eine kritische Urteilsbesprechung auch vor dem Hintergrund des PatRG und der Literatur bleibt einem eigenständigen Beitrag vorbehalten. Eine unkritische Übernahme und eine zu „großzügige“ Praxis der Delegation ärztlicher Aufklärungsgespräche an PJ-Studierende sollte auch vor dem Hintergrund, dass es sich „nur“ um eine OLG-Entscheidung handelt, vermieden werden.

  16. BGH, VersR 2009, 257 (257–258); BGH, NJW 2000, 1784 (1786); BGH, NJW 1991, 2346 (2347); BGH, NJW 1984, 1397 (1398).

  17. BGH, MedR 2007, 169 (169); BGH, NJW 1974, 604 (604–605); OLG Karlsruhe, VersR 1997, 241 (241).

  18. Eine Nachfolgestudie befindet sich derzeit in der Auswertung.

  19. Aufklärungsbogen Aortokoronarer Bypass proCompliance in Thieme Compliance GmbH Stand: 11/2013.

  20. http://www2.uni-frankfurt.de/44129702/Lernsysteme. Abrufdatum 13.02.2014.

  21. BGHSt 4, 347–353; BGH VersR 2012, 1038 (1040) zum Begriff der Parallelwertung in der Laiensphäre im rechtlichen Kontext.

  22. Ackermann (2014) BiAS. für Windows Handbuch Version 10. Epsilon, Hochheim Darmstadt

  23. Sachs (2003) Angewandte Statistik, 11. Auflage, Kap. 422.

  24. Sachs (2003) Angewandte Statistik, 11. Auflage, Kap. 76.

  25. Knaak, Parzeller, Court Decisions on Medical Malpractice. Int J Legal Med 2014, 128: 1049–1057.

  26. Z. B. BGH, NJW 2007, 2771 ff.

  27. Zusammenhang zum Erinnerungsvermögen und Schulabschluss siehe Demirbas, Untersuchung zum Erinnerungsvermögen von Patienten nach medizinischen Aufklärungsgesprächen zu HNO-Operationen, Diss. Würzburg, 2010, S. 16, 22 ff.

  28. Vgl. BGH, NJW 2005, 1716 ff.; BGH, NJW 2007, 2767 ff.; BGH, NJW 2007, 2771 ff.

  29. Cornoiu et al., Multimedia patient education to assist the informed consent process for knee arthroscopy, ANZ J Surg 2011, 176–180; Krupp et al., Informed consent in neurosurgery: patients’ recall of preoperative discussion, Acta neurochir 2000, 233–238; Moseley et al., Effects of presentation method on the understanding of informed consent, Br J Ophthalmol 2006, 990–993; Olver et al., Improving informed consent to chemotherapy: a randomized controlled trial of written information versus an interactive multimedia CD-ROM, Patient education and counseling 2009, 197–204; Rossi et al., Informed consent for ankle fracture surgery: patient comprehension of verbal and videotaped information, Foot & ankle international. 2004, 756–762; Wollinger, Hirnschall, Findl, aaO., Spektrum Augenheilkd 2011, 368–371.

  30. § 630e Abs. 2 S. 2 BGB: Dem Patienten sind Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen.

  31. Bessere Merkfähigkeit bei zusätzlichen schriftlichen Informationen: Makdessian et al., Informed consent in facial plastic surgery, Arch Facial Plast Surg 2004, 26–30; Smith et al., Informed consent in trauma: Does written information improve patient recall of risk? A prospective randomised study, Int. J. Care Injured 2012, 1534–1538; Aremu, Alabi, Segun-Busari, The role of informed consent in risks recall in otorhinolaryngology

    surgeries: verbal (nonintervention) vs written (intervention) summaries of risks American Journal of Otolaryngology–Head and Neck Medicine and Surgery 2011, 485–489.

  32. Moseley et al., aaO., Br J Ophthalmol 2006, 990–993.

  33. Wollinger, Hirnschall, Findl, aaO., Spektrum Augenheilkd 2011, 368–371.

  34. Werner et al., Communication training for advanced medical students improves information recall of medical laypersons in simulated informed consent talks – a randomized controlled trial. BMC Medical Education 2013, 13: 15.

  35. Aaronson et al., aaO., J Clin Oncol 1996, 984–996.

  36. BGH, Urt. v. 28.01.2014– VI ZR 143/13. juris online.

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D. Bangert, A. Blank, H. Ackermann und M. Parzeller geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Dieser Beitrag beinhaltet keine medizinischen Studien an Menschen oder Tieren.

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Bangert, D., Blank, A., Ackermann, H. et al. Risikoaufklärung. Rechtsmedizin 25, 451–459 (2015). https://doi.org/10.1007/s00194-015-0012-y

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