Zusammenfassung
Das medizinische Wissen wächst sehr schnell. Doch welche Forschungsergebnisse in Orthopädie und Unfallchirurgie sind tatsächlich dazu geeignet, Therapieentscheidungen im Alltag zu verändern? Die evidenzbasierte Medizin sucht dazu verlässliche Antworten und stützt sich bei der Bewertung von wissenschaftlichen Daten auf eine eigene Auswertesystematik mit Qualitätskriterien und definierten Maßzahlen. Es geht im Kern darum, durch eine strukturierte Analyse den wahren Patientennutzen aus Studienergebnissen herauszufiltern, um daraus einen Algorithmus zur Lösung klinischer Probleme abzuleiten. Die klinische Expertise, das Wissen und die Urteilskraft von Orthopäden und Unfallchirurgen spielen bei der Bewertung der errechneten evidenzbasierten Kennzahlen eine zentrale Rolle.
Abstract
Medical knowledge is rapidly expanding but which research results in orthopedics and trauma surgery are actually suitable to change treatment decisions in the daily routine? Evidence-based medicine is a process to search for reliable answers to this and in the assessment of scientific data relies on an individual systematic evaluation with quality criteria and defined statistics. The core procedure is to filter out the true patient benefits from study results by a structured analysis in order to derive an algorithm to solve the clinical problem. The clinical expertise, the knowledge and the strength of judgement of orthopedic and trauma surgeons play a central role in the assessment of the calculated evidence-based key figures.
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Interessenkonflikt
Gemäß den Richtlinien des Springer Medizin Verlags werden Autoren und Wissenschaftliche Leitung im Rahmen der Manuskripterstellung und Manuskriptfreigabe aufgefordert, eine vollständige Erklärung zu ihren finanziellen und nichtfinanziellen Interessen abzugeben.
Autoren
T. Renkawitz: A. Finanzielle Interessen: Forschungsförderung zur persönlichen Verfügung: DePuy, Zimmer, Aesculap, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Deutsche Arthrose-Hilfe, Otto-Bock-Stiftung, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Stiftung Oskar-Helene-Heim in Berlin, Vielberth-Stiftung. – Kostenerstattungen: DePuy, Zimmer, Aesculap, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Deutsche Arthrose-Hilfe, Otto-Bock-Stiftung, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Stiftung Oskar-Helene-Heim in Berlin, Vielberth-Stiftung, DGOOC, BVOU, DGOU. – Kostenerstattungen für Schulungen/Vorträge: DePuy, Zimmer, Aesculap, Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik (AE), Bayerischer Hausärzteverband. – B. Nichtfinanzielle Interessen: Lehrstuhlinhaber (W3) für Orthopädische Chirurgie, Universität Heidelberg, Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Heidelberg | Mitgliedschaften: Gesamtvorstand der DGOOC, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Evidenzbasierte Medizin der DGOU, Herausgeberboard von Der Orthopäde und Der Unfallchirurg (Springer Medizin), International Advisory Board des Journal of the American Academy of Orthopaedic Surgeons (AAOS).
Wissenschaftliche Leitung
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Wissenschaftliche Leitung
C. Chiari, Wien
H. Gollwitzer, München
J. Grifka, Bad Abbach
M. Jäger, Essen
A. Meurer, Frankfurt a.M.
D. Pape, Luxemburg
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CME-Fragebogen
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Was bezeichnet man in der evidenzbasierten Medizin (EbM) als Bias?
Angaben zum Studiendesign.
Mögliche Verzerrungen von Studienergebnissen durch systematische Fehler.
Die Autorenreihenfolge.
Den Versuch, Publikationsgebühren zu vermeiden.
Die Mehrfachnennung von Autoren.
In einer Klinik wurden 1000 Patienten mit einem neuen Knieimplantat versorgt. Zur Nachuntersuchung wird nun eine Stichprobe von 100 Patienten ausgewählt. Einschlusskriterium für diese Stichprobe ist eine schmerzfreie Gehstrecke von minimal 10 km. Wie bezeichnet man diesen systematischen Fehler bei der Patentientenauswahl?
Selektionsbias
Performance bias
Score bias
Sound bias
Publication bias
Wofür steht das Akronym „SPION“ in der evidenzbasierten Medizin (EbM)?
Selektion/Population/Invasion/Offensivität/Neutralität.
Strahlenmedizin/Pathologie/Innere Medizin/Orthopädie/Neurologie.
Studiendesign/Patienten/Intervention/Outcome/Nutzen.
Singularität/Paternität/Individualität/Objektivität/Neutralismus.
Sehen/Prüfen/Inhalieren/Orientieren/Nennen.
Wie ist der p-Wert zu beurteilen?
Der p-Wert ist eine Maßeinheit.
Der p-Wert ist nicht manipulierbar.
Der p-Wert ist keine Maßeinheit, nur ein Hinweis.
Der p-Wert ist unfehlbar.
Der p-Wert ist gleichzusetzen mit der klinischen Relevanz.
Wie wird die Absolute Risikoreduktion (ARR) berechnet?
Ereignisrate Kontrollgruppe – Ereignisrate Interventionsgruppe
Ereignisrate Interventionsgruppe: Ereignisrate Kontrollgruppe
„Odds“ Interventionsgruppe : „Odds“ Kontrollgruppe
1 – relative Risikoreduktion
1: Absolute Risikoreduktion
Welche Frage steht am Ende einer evidenzbasierten Medizin (EbM)-Analyse?
Die Frage nach dem Vergütungsmodell.
Die Frage nach der Fallzahlsteigerung.
Die Frage nach IGEL Leistungen.
Die Frage nach der Ökonomisierung des Arztberufs.
Die Frage nach der klinischen Relevanz und dem wahren Patientennutzen aus Studienergebnissen.
Wie schätzen Sie eine Studie ein, bei der eine hohe Anzahl von Studienteilnehmern bei der Nachuntersuchung nicht mehr zur Verfügung steht?
Dies spielt in der evidenzbasierten Medizin (EbM) keinerlei Rolle.
Dieses Problem lässt sich problemlos durch statistische Methoden kompensieren.
Dies sollte das Ziel jeder Studie sein.
Dies kann unter Umständen die klinisch relevante Aussagekraft der Studie infrage stellen.
Genau dies ist Grundlage einer überzeugenden Studienpräsentation.
Wie bewerten Sie einen statistisch „signifikanten“ Ergebnisunterschied?
Ein statistisch signifikanter Unterschied lässt keine Aussage darüber zu, ob ein Studienergebnis als „besser“ oder „schlechter“ für Patienten zu bewerten ist.
Ein statistisch signifikant unterschiedliches Ergebnis ist beweisend – es bedarf keiner weiteren Diskussion.
in statistisch signifikantes Ergebnis sollte das Ziel jeder Doktorarbeit sein.
Für eine erfolgreiche Habilitation ist ein signifikantes Ergebnis eine Grundvorraussetzung.
Im Zweifelsfall sollte durch häufig Wiederholung von Experimenten eine statistische Signifikanz erreicht werden.
Welche Aussage zur evidenzbasierten Bewertung von wissenschaftlichen Ergebnissen trifft zu?
Man kann sich immer auf das angegebene Evidenzlevel in der Studie verlassen.
Es geht darum, viele Studien mit dem gewünschten Ergebnis zu finden.
Ist eine Aufgabe nur für Epidemiologen und Statistiker.
Um Kennzahlen der evidenzbasierten Medizin (EbM) zu berechnen und daraus eine Aussage abzuleiten braucht es eine spezielle Ausbildung, regelmäßige Übung und Fachwissen.
Orthopäden und Unfallchirurgen sind für diese Methode grundsätzlich ungeeignet.
Es soll der Nutzen eines neuen Medikaments zur Verhinderung von heterotopen Ossifikationen nach einer Hüft TEP mit Hilfe einer prospektiv randomisierten und patientenverblindeten Verum/Placebo Untersuchung bewertet werden. In der Verumgruppe sind nach einem Jahr bei 5 Patienten Ossifikationen nachweisbar, in der Placebogruppe finden sich 15 Fälle mit Ossifikationen. Sie berechnen für ihre Bewertung die „Number-needed-to-treat“, also die durchschnittliche Anzahl von Patienten, die mit dem neuen Medikament behandelt werden müssen, um eine Ossifikation nach einer Hüft TEP zu verhindern. Zu welchem Ergebnis kommen Sie?
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5
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20
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Renkawitz, T. Evidenzbasierte Medizin in Orthopädie und Unfallchirurgie. Orthopäde 50, 681–688 (2021). https://doi.org/10.1007/s00132-021-04135-3
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