Zu den kontroversen Themen der letzten Jahre in der Knieendoprothetik gehören Philosophien, die eine individuelle Achsausrichtung bedeuten und vom Konzept der mechanischen Ausrichtung abweichen. Die Logik für ein innovatives Engagement auf diesem Gebiet liegt im klinisch uns allen bekannten und daher notwendigen Verbesserungspotenzial hinsichtlich der noch ungenügenden Funktion und Patientenzufriedenheit.

Die alternativen Ideen zur Knie-TEP-Positionierung sind komplex und beruhen auf unterschiedlichen Verständnissen der Kniekinematik. Die Idee der individuellen Komponentenausrichtung wird mit verschiedenen Konzepten verfolgt. Das kinematische Alignment und das sog. „restricted“ kinematische Alignment sind Gegenstand der aktuellen Diskussion und müssen sich mit dem jetzigen Goldstandard des mechanischen Alignments messen. Neben den drei bereits genannten Ausrichtungsoptionen gibt es noch weitere, die eine physiologischere Rekonstruktion von Gelenklinienneigung und Beinachse anstreben, sie sind allerdings wissenschaftlich erst anfänglich betrachtet.

Um ein Knie nach einer alternativen Ausrichtung zu implantieren, können moderne Techniken genutzt werden. Ein manuelles Vorgehen basiert auf der Idee einer „true measured resection“ mit gleichen Resektions- und Implantatdicken. Für die Präzision werden die Knorpel-Knochen-Resektate mit Messlehren vermessen. Alternativ werden 3D-gedruckte patientenspezifische Instrumente (PSI-Schablonen), Navigationsgeräte und Operationsroboter genutzt.

Durch die Anpassung der Prothesenposition können Auswirkungen auf die Weichteilspannung direkt visualisiert und überprüft werden. Erst nach Simulation des postoperativen Ergebnisses werden die Knochenschnitte durchgeführt. Hiermit kann eine individuell angepasste Ausrichtung angestrebt werden.

Wer sich mit den Optionen der alternativen Ausrichtung beschäftigt, sollte zunächst sein Verständnis der Kniekinematik abgleichen. Danach müssen Prinzipien und Grenzen verstanden werden, ehe man sich über Alternativen in der Technik verständigt. Zum Konzept des kinematischen Alignments existiert mittlerweile eine umfangreiche Evidenz. Es gilt, diese mit der Evidenz des mechanischen Alignements abzugleichen. Für uns interessant ist die Situation, dass zwei Implantatehersteller mittlerweile die Zulassung der FDA und CE-Kennzeichnung für kinematische Ausrichtverfahren vorweisen, was aber in den aktuellen Leitlinien und Richtwerten nur teilweise berücksichtigt ist.

Zur Bewertung der aktuellen Situation hilft, sich mit dem Stand der Wissenschaft auseinanderzusetzen. Dieses Themenheft stellt die verschiedenen Techniken der Implantation einer Knie-TEP vor, konzentriert sich dabei aber hauptsächlich auf das kinematische Alignment, das Konzept mit der umfangreichsten wissenschaftlichen Evidenz.

Egal, ob man die Konzepte als Alternative für das eigene Vorgehen sieht, oder sich nur in der Theorie weiterbilden möchte: Das vorliegende Themenheft soll zum Nachdenken anregen, vielleicht neue Erkenntnisse liefern und so das Feld der Knieendoprothetik konstruktiv bereichern.

Herzlichst,

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Prof. Dr. Henning Windhagen

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PD Dr. Max Ettinger