Liebe Leserin, lieber Leser,

die Epiphyseolysis capitis femoris (ECF) wird leider bis heute oft nur zeitlich verzögert diagnostiziert, obwohl Ärzte und Fachärzte das Krankheitsbild der Epiphysenlösung des Hüftkopfes kennen sollten. Es sind bis heute immer noch Diagnoseverzögerungen von mehreren Monaten bis zu mehr als einem Jahr zu beklagen. Dabei herrscht – trotz mehrerer Kontroversen bei der ECF – Einigkeit darüber, dass bei frühzeitiger Diagnose eines noch geringen Abrutsches die Fixation in situ ein sicheres Behandlungsverfahren mit sehr guten Ergebnissen darstellt. Uncharakteristische Beschwerden bei der chronischen ECF, schmerzfreie Intervalle und ausschließlich auf das Knie projizierte Schmerzen können zu ärztlicher Fehleinschätzung, Diagnose- und Behandlungsfehlern führen. Es zeigt sich auch bei Arzthaftungsfragen im Zusammenhang mit einer ECF, dass Diagnoseverzögerungen und Aufklärungsmängel häufige Probleme darstellen, die zu Anerkennung von Behandlungsfehlern führen.

In dieser Ausgabe soll das Krankheitsbild der ECF in wesentlichen Aspekten dargestellt werden

In dieser Ausgabe von Der Orthopäde soll das Krankheitsbild der Epiphyseolysis capitis femoris in den wesentlichen Aspekten dargestellt werden. Die Autoren möchten Grundlagen zur Ätiopathogenese, Klinik, diagnostischen Verfahren und zu aktuellen Therapieverfahren bei der ECF sowie bei persistierenden Deformitäten mit der Folge eines femoroazetabularen Impingements darstellen. Es werden auch Komplikationen der Erkrankung selbst sowie der unterschiedlichen Therapieverfahren und Epiphyseolysen des Femurs bei besonderen Erkrankungsfällen beleuchtet. Diese Beiträge sollen der Auffrischung und Vertiefung der Kenntnisse zur ECF dienen und dem Leser Grundlage für das (fach-)ärztliche Handeln in Praxis und Klinik bieten. Mein besonderer Dank gilt den Autoren, die sich nicht nur um diese Beiträge verdient gemacht haben, sondern auch zur aktuellen Forschung zu diesem Krankheitsbild beigetragen haben.

Moderne bildgebende Verfahren und neue Operationsmethoden haben unsere Kenntnisse zur ECF erweitert, aber auch neue Fragen aufgeworfen. So ist zum Beispiel noch unklar, welche Rolle präexistente anatomische Abnormalitäten von Schenkelhalstorsion oder azetabulärer Orientierung und Tiefe spielen und welche sich aufpfropfenden Deformitäten des Abrutsches zu einer „post-slip deformity“ führen. Es bleibt zu erforschen, welche Parameter für ein günstiges Remodellierungspotenzial sprechen, was bei der Beratung zur Prognose aber auch für die Implantatwahl von großer Bedeutung ist. Ich wünsche allen Lesern eine erkenntnisreiche Lektüre und gebe den seit vielen Jahrzehnten bekannten Rat: Bei Schmerz im Knie, vergiss die Hüfte nie.

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Univ.-Prof. Dr. med. Rüdiger Krauspe