Seit frühester Menschheitsgeschichte sind Erkrankungen der Wirbelsäule bekannt. Eine erste Beschreibung stammt schon aus dem alten Ägypten, welche im Papyrus Edwin Smith (ca. 1550 v. Chr.) dargelegt ist. Hippokrates (460–377 v. Chr.) beschrieb im Anschluss die ersten Behandlungen von Wirbelsäulenerkrankungen. Neben den aus der Antike bekannten Methoden, wie Extension und Traktion, kamen nun erstmal Stützapparaturen und erste Korsettversorgungen zum Einsatz. Die operativen Möglichkeiten entwickelten sich zunächst nur schleppend, da das Ergebnis aufgrund der hohen Infektrate nicht zufriedenstellend war und man der konservativen Therapie den Vorzug gab. Die drei notwendigen Voraussetzungen für den Aufschwung der Wirbelsäulenchirurgie wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts durch die Entdeckung der Anästhesie, Asepsis und Radiologie gemacht. Als Meilenstein zu nennen sind die Veröffentlichungen von Albee und Hibbs 1911 in New York über dorsale Fusionstechniken, obwohl E. Albert in Wien bereits dorsale Spondylodesen bei der Spondylitis tuberculosa durchgeführt hatte, was jedoch in Vergessenheit geriet. Als Begründer der Bandscheibenchirurgie gelten Mixter und Barr (1934), obwohl einzelne Autoren Operationen an Bandscheiben schon im Vorfeld beschrieben hatten. Burns (1933) ist im Zusammenhang mit der ersten lumbalen interkorporellen Spondylodese zu nennen und Cloward (1943) in Verbindung mit der PLIF-Technik. Auch wenn schon Fritz Lange in München um 1900 versucht hat, mit Stäben aus verschiedenen Materialen die Lendenwirbelsäule dorsal zu stabilisieren, konnte der erste wirkliche Fortschritt erst 1962 durch Harrington errungen werden. Durch die Entdeckung der transpedikulären Fixierung durch Roy-Camille et al. (1972) wurden die Operationsmethoden der Neuzeit auf den Weg gebracht.

Wichtig ist, richtige Indikationen zu stellen und operative Techniken zu verstehen

In der heutigen Zeit kämpfen die Wirbelsäulenchirurgen mit ganz anderen Problemen. Auf der einen Seite steigt die Wahrscheinlichkeit einer Wirbelsäulenerkrankung mit dem Alter, sodass durch den demografischen Wandel auch die Zahl der Operation steigt. Zudem führen neue Untersuchungstechniken und Studien sowie die Weiterentwicklung chirurgischer Techniken und Implantate zu einem Anstieg der Operationszahlen. Auf der anderen Seite ist die Wirbelsäulenchirurgie gerade in Deutschland immer wieder öffentlicher Kritik ausgesetzt, es würde zu viel und oft aus finanziellem Anreiz operiert werden. Gerade deshalb ist es wichtig, richtige Indikationen zu stellen und die Grundlagen und Möglichkeiten operativer Techniken zu verstehen.

Obwohl die Korrelation zwischen der Stärke klinischer Beschwerden und radiologischer Bildgebung nicht nachweisbar ist, stellt die Bildgebung eine wichtige Grundlage der Indikationsstellung dar. Schütz gibt einen Überblick über den aktuellen Stand und die Möglichkeiten der Methoden der radiologischen Diagnostik zur Verifizierung der eventuell zu empfehlenden operativen Maßnahmen an der Wirbelsäule im Kontext degenerativer, entzündlich-infektiöser oder posttraumatischer Pathologien und Veränderungen an der Wirbelsäule. Es wird aufgezeigt, dass qualitativ hochwertige moderne radiologische Untersuchungen essenziell für die Diagnose und das postoperative Management sind, da diese Antworten auf die wichtigsten Fragen bei der Behandlung liefern.

In der präoperativen Planung kam es in den letzten Jahren zu einem Umdenken und die Bedeutung der sagittalen Balance rückte in den Mittelpunkt. Völlner und Grifka geben einen Überblick, wie die Degeneration einzelner Wirbelsäulenabschnitte, das Nachlassen der Muskulatur oder die Verminderung von Bewegungsumfängen der Gelenke nach dem Ausschöpfen aller Kompensationsmechanismen zur Imbalance der Wirbelsäule führen. Ausgehend von einer standardisierten Bildgebung müssen im Rahmen einer biomechanischen Analyse Kompensationsmechanismen identifiziert werden, das ursprüngliche sagittale Wirbelsäulenprofil antizipiert werden und in die Planung des korrigierenden Eingriffs eingerechnet werden.

Schnake et al. erörtern dabei die Indikationen und Techniken der lumbalen Spondylodese. Gerade hier kommt es durch die Industrie zu einer steigenden Anzahl von verfügbaren Implantaten. Unterm Strich bleibt jedoch, unabhängig vom gewählten Verfahren, das Erreichen der knöchernen Durchbauung das höchste Ziel für eine erfolgreiche Operation.

Neben der klassischen lumbalen Pedikelschraubeninstrumentation hat sich die spinale Navigation seit ihren Anfängen Mitte der 1990er-Jahre stark weiterentwickelt. Schöller und Jablawi zeigen die Vorteile und Pitfalls. Die hohe Genauigkeit und geringe Strahlenbelastung des Operationsteams sind unstrittige Vorteile navigierter Operationen, während Zeitersparnis und ökonomischer Nutzen noch belegt werden müssen. Regelmäßiger Einsatz und ein standardisierter Workflow sind wesentlich für eine sichere und effektive Nutzung der lumbalen Navigation, sodass sich mit Verbesserung des Nutzerkomforts und der Bildqualität die spinale Navigation in Zukunft sicherlich noch weiterverbreiten wird.

Als operatives Standardverfahren nach Ausschöpfen konservativer Maßnahmen bei Spinalkanalstenosen im lumbalen Bereich gilt die mikrochirurgische Dekompression.

Ruetten stellt den Trend zu vollendoskopischen Techniken zur Dekompression dar. Die Entwicklung verschiedener operativer Zugänge und Instrumentarien hat die vollendoskopische Operation von Bandscheibenvorfällen und Spinalkanalstenosen ermöglicht. Es wird eine suffiziente Dekompression mit reduzierter Traumatisierung, verbesserten Sichtbedingungen und positiver Kostenrelation erreicht. Somit können vollendoskopische Operationen heute als Erweiterung und Alternative innerhalb des Gesamtkonzeptes der Wirbelsäulenchirurgie eingeordnet werden.

Behandlungsstrategien für die nichtoperative und operative Therapie gehen häufig weit auseinander

Wie in vielen Bereichen, gehen auch bei osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen die Behandlungsstrategien für die nichtoperative und operative Therapie häufig weit auseinander. Auf Grundlage der existierenden Literatur, dem Wissen von Experten und deren Klassifikation osteoporotischer Wirbelkörperfrakturen (OF-Klassifikation) hat die Sektion Wirbelsäule der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie nun allgemeine Behandlungsempfehlungen herausgegeben, welche durch Blattert et al. erstmalig hier in deutscher Sprache veröffentlicht werden.

Ein anderes, weit verbreitetes Problem stellt die Degeneration der Facettengelenke dar. Faber geht auf die unterschiedlichen minimalinvasiven Techniken zur symptomatischen Therapie der degenerativen Facettengelenkserkrankung ein. Er beschreibt die wichtigsten Techniken, wie die Thermorhizotomie (Thermodenervierung), die Kryorhizotomie (Kryotherapie) und das endoskopische oder perkutane Facettengelenksdebridement anhand deren Wirkung auf die anatomischen Zielstrukturen, den mediale Ast des Ramus dorsalis oder die Facettengelenkskapsel.

Die richtige Operation beim richtigen Patienten führt in der Regel auch zum richtigen Ergebnis

Neben den häufigen und uns täglich begegnenden Wirbelsäulenerkrankungen dürfen aber auch die „Kolibris“ nicht vergessen werden. Die Kokzygodynie, der Schmerz des Steißbeins, gewinnt aktuell auch in der Literatur wieder an Bedeutung. Patienten haben in der Regel eine lange Leidensgeschichte hinter sich und werden von Facharzt zu Facharzt geschickt, bis die Diagnose sichergestellt wird. Nach Ausschöpfen der konservativen Maßnahmen stellt die Kokzygektomie ein sicheres und gutes Verfahren zur Behandlung der Beschwerden dar.

Zusammenfassend kann man sagen, dass dem Wirbelsäulenbehandler ein weites Spektrum an Möglichkeiten zur Verfügung steht, welches sich in Zukunft auch noch weiter entwickeln wird. Daher ist es wichtig, mit dem Patienten gemeinsam ein individuelles Therapiekonzept zu besprechen und die speziellen Anforderungen zu berücksichtigen. Trotz der Kritik an steigenden Operationszahlen gilt festzuhalten, dass die richtige Operation beim richtigen Patienten in der Regel auch zum richtigen Ergebnis führt.

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PD Dr. med. habil. Achim Benditz