Rekonstruktive Eingriffe am Schultergelenk haben in den vergangenen Jahrzehnten weltweit an Bedeutung gewonnen und werden gegenwärtig überwiegend arthroskopisch bzw. minimalinvasiv durchgeführt. Möglich wurde dies insbesondere durch das verbesserte Verständnis pathomorphologischer Veränderungen verschiedener Schultererkrankungen und die Neu- bzw. Weiterentwicklung von Implantaten, Instrumenten und operativen Techniken, wodurch gegenwärtig selbst komplexe rekonstruktive Eingriffe standardisiert durchgeführt werden können.

Heute können selbst komplexe rekonstruktive Eingriffe standardisiert durchgeführt werden

Im Fokus der Rotatorenmanschettenchirurgie standen in den vergangenen Jahren im Wesentlichen biomechanische und klinische Studien, die den Stellenwert verschiedener Refixationstechniken untersucht haben. Trotz der Etablierung hochstabiler Konstrukte haben sich die klinischen Ergebnisse nicht wesentlich verbessert. Das Maß an Primärstabilität ist hier vermutlich erreicht bzw. sogar überschritten, und die Zukunft wird in der biologischen Optimierung der Rekonstruktion zu suchen sein, um die Rate an Redefekten weiter zu reduzieren. Neue Ansätze existieren v. a. in der gelenkerhaltenden Versorgung von irreparablen oder partiell reparablen Rupturen. Sowohl die Superior-Kapselrekonstruktion als auch moderne Muskeltransferoperationen zum Ersatz bzw. zur Augmentation der insuffizienten muskulotendinösen Einheiten der Rotatorenmanschette stehen aktuell auf dem Prüfstand der klinischen Forschung.

Die Diskussion um die optimalste Versorgungsstrategie von Pathologien des SLAP(Superior Labrum Anterior Posterior)-Komplexes und der langen Bizepssehne ist bisher nicht abgeschlossen. Innovative arthroskopische Techniken haben die Versorgung dieser Krankheitsbilder simplifiziert und führen bei korrekter Indikationsstellung zu zufriedenstellenden Ergebnissen.

Moderne Verfahren der Kapsel-Labrum-Rekonstruktion in der Versorgung von Schulterinstabilitäten gehören inzwischen zum arthroskopischen Standardrepertoire, und es bleibt zu hoffen, dass bei korrekter Indikationsstellung die Rezidivraten im Langzeitverlauf weiter reduziert werden können. Die Quantifizierung und Berücksichtigung signifikanter knöcherner Defektsituationen am Schultergelenk tragen entscheidend zum Erfolg der operativen Therapie von Schulterinstabilitäten bei. Anatomische und extraanatomische Rekonstruktionstechniken konkurrieren gegenwärtig in der Versorgung knöchern bedingter Schulterinstabilitäten. Die posteriore Schulterinstabilität stellt dabei eine eigene Entität dar. Neue Klassifikationssysteme, fortschrittliche konservative Therapiekonzepte und innovative operative Verfahren ermöglichen eine dezidierte Einteilung und Behandlung dieses eher seltenen Krankheitsbildes.

Auch in der traumatologischen Schulterchirurgie konnten immense Fortschritte in den vergangenen Jahren erzielt werden. Während die Versorgung von Glenoid- und Tuberculum-majus-Frakturen bereits seit Längerem arthroskopisch mit sehr guten klinischen Ergebnissen durchgeführt wird, konnte das Indikationsspektrum der minimalinvasiven Techniken auch auf komplexere Fraktursituationen der Skapula ausgeweitet werden. Gleiches gilt für die Versorgung von lateralen Klavikulafrakturen und Schultereckgelenksprengungen. Arthroskopische bzw. arthroskopisch assistierte Techniken vermeiden eine ausgiebige Weichteilpräparation mit relevanter Zugangsmorbidität und erlauben die simultane Versorgung von glenohumeralen Begleitpathologien. Obligate Zweiteingriffe lassen sich ebenso vermeiden.

Ziel dieses Themenheftes ist es, Ihnen einen Überblick zu etablierten und aktuellen Entwicklungen in der rekonstruktiven Schulterchirurgie zu geben. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Freude bei der Durchsicht der folgenden Beiträge.

Ihr

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M. Scheibel