Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

die endoprothetische Versorgung des Hüftgelenks hat insbesondere in Deutschland in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland nicht nur bei den absoluten Implantationszahlen, sondern auch bei den relativen Implantationen bezogen auf die Einwohnerzahl mit Abstand an der Spitze. Trotz berichteter exzellenter Standzeiten der modernen zementfreien und zementierten Implantate ist die Rate der Revisionseingriffe – als wesentliches Kriterium der Versorgungsqualität – in Deutschland mit knapp 15% im europäischen Vergleich im oberen Drittel angesiedelt. Als Folge der steigenden Implantationszahlen ist eine weitere Zunahme an Revisions- und Wechseleingriffen zu beobachten. Das Risiko wesentlicher Komplikationen wie der periprothetischen Infektion konnte trotz aller technischen Fortschritte in den letzten zwei Jahrzehnten nicht weiter reduziert werden und neue Probleme wie z. B. das zunehmende Auftreten multiresistenter Bakterienstämme erfordern eine intensive Weiterentwicklung der präventiven Maßnahmen. Hoffnungen auf eine Verbesserung der Versorgungsqualität und die Reduktion der Revisionsraten werden aktuell insbesondere in die Etablierung eines deutschlandweiten Endoprothesenregisters sowie in eine Zertifizierung spezialisierter Endoprothetikzentren gesetzt.

Algorithmen zur Analyse schmerzhafter Hüfttotalendoprothesen und Kappenprothesen stellen die Grundlage für eine erfolgreiche Komplikationsbehandlung dar

Im vorliegenden Heft wurde der Schwerpunkt bewusst auf die Prävention und Behandlung von Komplikationen in der Hüftendoprothetik gelegt. Die Grundlage für eine erfolgreiche Komplikationsbehandlung stellen Algorithmen zur Analyse schmerzhafter Hüfttotalendoprothesen und Kappenprothesen dar. Gerade nach Oberflächenersatz ist eine erhöhte Revisionsrate zu beobachten, und die Schmerz- wie auch Versagensursachen sind nicht immer eindeutig zu eruieren. Neben den Implantaten und der intraossären Verankerung ist in der Hüftendoprothetik insbesondere das Management der periartikulären Weichteile in den Mittelpunkt des klinischen Interesses gerückt. Die Prävention und Behandlung muskulärer Funktionsstörungen des Hüftgelenks durch heterotope Ossifikationen und direkte Muskelschädigung tragen entscheidend zum Erfolg einer Endoprothesenimplantation bei. Schädigungen sensibler Hautnerven aber auch motorischer Nerven treten während einer Endoprothesenimplantation am Hüftgelenk deutlich häufiger auf als oft beschrieben. Insbesondere bei Patienten mit erhöhtem Risiko kann daher eine korrekte präoperative Einschätzung helfen, diese schwerwiegende Komplikation zu vermeiden. Aktuelle Daten zur Nachbehandlung belegen ferner, dass insbesondere im Hinblick auf sportliche Aktivitäten nach Hüftprothesenimplantation fehlende oder wenig einheitliche Empfehlungen durch die Operateure vorgegeben werden. Hier ist eine Konkretisierung der Empfehlungen notwendig!

Weiterhin stellt die periprothetische Infektion eine gefürchtete Komplikation dar, deren Inzidenz insbesondere durch die gestiegenen Revisionszahlen weiter an Bedeutung gewinnt. Neben den bekannten grampositiven multiresistenten Erregern wurden bereits wiederholt multiresistente gramnegative Bakterien aus dem Formenkreis der Extended-spectrum-β-Laktamase (ESBL) bildenden Enterobakterien beschrieben. Die Signifikanz dieser Erregergruppe sowie ein Update über die evidenzbasierten Daten zur perioperativen Antibiotikaprophylaxe werden ebenfalls in diesem Heft abgehandelt.

Ihre

PD Dr. H. Gollwitzer

Prof. Dr. R. Gradinger