Anamnese

Die 34-jährige Patientin stellte sich erstmalig in der 9 + 0. SSW (Schwangerschaftswoche) vor zur Ermittlung der SSL (Scheitel-Steiß-Länge), die mit 25 mm im Normbereich lag. Im zweiten Trimenon wurde mit 3,4 mm in der 13 + 3. SSW ein erhöhter Messwert für die Nackentransparenz („nuchal translucency“) gemessen. Weitere Diagnostik zur Detektion fetaler Anomalien wurde durchgeführt. Dabei zeigte sich in der Ultraschalldiagnostik ein ausgeprägter fetaler Aszites (Abb. 1). Maternaler Risikofaktor war ein Nikotinabusus (5 Zigaretten pro Tag), sonst bestanden keine Komorbiditäten. Aufgrund des ausgeprägten fetalen Aszites (Abb. 2) erfolgte die Amniozentese mit Karyotypisierung und eine erstmalige Analyse des Aszitespunktates hinsichtlich der Urinparameter in der 13 + 4. SSW.

Abb. 1
figure 1

13 + 3 SSW (Schwangerschaftswoche), ausgeprägter fetaler Aszites

Abb. 2
figure 2

13 + 3 SSW (Schwangerschaftswoche), Aszites und Harnblase mit Nabelschnurgefäßen

Eine zweite transplazentare Punktion des fetalen Aszites mit einer TA-22G(Gauge)-Nadel erfolgte in der 14 + 6. SSW mit Entnahme von 45 ml Flüssigkeit und folgender Analyse, in der eindeutig fetaler Urin nachgewiesen werden konnte. Nach dieser zweiten Punktion kam es zu keiner weiteren Aszitesbildung mehr (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

15 + 5 SSW (Schwangerschaftswoche), diskreter Restaszites

Weiterer Verlauf und Diagnostik

Eine TORCH(„toxoplasmosis, other infectious microorganisms, rubella, cytomegaly, herpes simplex“)-Serologie zur Abklärung einer pränatalen Infektion ergab unauffällige Befunde, der fetale Karyotyp war mit 46 XX regelrecht. Insgesamt konnten keine Hinweise für ein syndromales Geschehen festgestellt werden. Im Rahmen der Karyotypisierung wurde der fetale Aszites fast vollständig abpunktiert, und es stellte sich eine mäßig gefüllte Harnblase dar.

Die Analyse bestätigte den primären Verdacht auf fetalen Urin (Harnstoff 3,5 mmol/l, Harnsäure <0,1 mmol/l, Gesamteiweißmenge 3210 mg/l, spezielle Harnproteine: α1-Mikroglobulin 43,8 mg/l, β2-Mikroglobulin 5,65 mg/l). Die Werte der Urinanalyse sprachen zunächst für eine eingeschränkte Nierenfunktion.

In der 20. SSW fiel zusätzlich ein Pes equinovarus beidseits auf. Dieser Befund wird als zufällig angesehen, da keine Korrelation mit der urogenitalen Fehlbildung im Sinne eines Syndroms nachgewiesen werden konnte. Die Fruchtwassermenge war jederzeit regelrecht. Die engmaschigen sonographischen Kontrollen zeigten stets eine zeitgerechte Entwicklung mit perzentilengerechtem Wachstum. In der 30. SSW fiel hinter der Blase eine große zystische Raumforderung auf (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

36 + 0 SSW (Schwangerschaftswoche), fetale Harnblase mit retrovesikaler septierter Zyste

Aufgrund einer unklaren fetalen Tachyarrhythmie in der 35 + 6 SSW erfolgte die primäre Sectio caesarea. So kam das weibliche Frühgeborene in der 36 + 0. SSW mit einem Geburtsgewicht von 3050 g zur Welt, Apgar-Score: 9‑10-10.

Wie lautet Ihre Diagnose?

Die postpartal durchgeführte Urethozystoskopie und Vaginoskopie bestätigte den Verdacht auf eine komplexe urogenitale Fehlbildung. Die Nieren lagen beidseits orthotop, freie abdominale Flüssigkeit war nicht nachweisbar. Es fand sich ein Hydrometrokolpos (6 × 6 × 3 cm) mit Ansammlung von ca. 55 ml Flüssigkeit hinter einem komplett obstruierenden vaginalen Querseptum aufgrund einer Sonderform der Fehlbildung des Sinus urogenitalis mit tiefer urethrovaginaler Fistel, obstruierendem Septum und Uterus bicornis. Die äußerlich angelegte Urethra endete blind. Am 12. Lebenstag erfolgte operativ eine Vaginoskopie und Urethrozystoskopie mit Darstellung der urethrovaginalen Fistel und Inzision des obstruierenden queren Vaginalseptums und Entleerung des Hydrokolpos. Anschließend trat kein erneuter Urinverhalt auf, und das Kind konnte am 19. Lebenstag entlassen werden.

Kloakenfehlbildungen sind insgesamt seltene Fehlbildungen. Das antenatale sonographische Erscheinungsbild weist eine sehr große Vielfalt auf, was die Diagnose erschwert [1]. Entwicklungsgeschichtlich wird in der 6. SSW aus der Kloake durch Septierung von kranial nach kaudal der Anorektalkanal und der Sinus urogenitalis, aus dem später in der Entwicklung die Vagina und Urethra entstehen. Bei gestörter Septierung kann es zu einem persistierenden Sinus urogenitalis kommen, es bleibt ein gemeinsamer Ausgang proximal des Introitus. Eine persistierende Kloakenmembran kann zusätzlich eine Harnabflussbehinderung verursachen und führt durch die unmittelbare Verbindung von Urethra und Vagina zur Ansammlung von Flüssigkeit in der Vagina, ein Hydrokolpos entsteht. Ein Rückstau bis in den Uterus nennt man Hydrometrokolpos, Urin kann in diesem Falle über die Tuben direkt ins Peritoneum fließen [1, 2].

Diagnose: komplexe urogenitale Fehlbildung

Der fetale Aszites bestehend aus fetalem Urin trat bereits im ersten Trimenon auf. Da bei Persistenz von einer Beeinträchtigung der fetalen Lungenentwicklung auszugehen war, wurde eine Aszitespunktion bei gleichzeitiger Karyotypisierung und Analyse der harnpflichtigen Substanzen zur Erhärtung der Verdachtsdiagnose durchgeführt. Postnatal war die Lungenfunktion sofort unbeeinträchtigt, auch die Nierenfunktion war uneingeschränkt. Postnatal zeigte sich ein Situs wie in Abb. 5 schematisch dargestellt.

Abb. 5
figure 5

Schematische Darstellung der urogenitalen Fehlbildung

Fazit für die Praxis

  • Ein persistierender Sinus urogenitalis und Kloakenfehlbildung mit Hydrometrokolpos als eine Ursache für fetalen Aszites ist ein seltenes Krankheitsbild. In der Literatur sind mehrere Fallbeispiele mit intrauterinem Fruchttod unklarer Genese beschrieben.

  • Engmaschige sonographische Kontrollen können eine korrekte Einschätzung der Prognose ermöglichen.

  • Eine frühe invasive Therapie kann das Krankheitsbild der urogenitalen Fehlbildung mit Gefahr der Lungenhypoplasie bei fetalem Aszites positiv beeinflussen.

  • Prognostisch günstige Marker sind eine negative TORCH-Serologie und ein normaler Karyotyp.

  • Eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Pränataldiagnostikern, Urologen, Neonatologen und Gynäkologen verbessert das Outcome signifikant.