Lernziele

Nach dem Lesen des Beitrags ...

  • kennen Sie die wesentlichen Einflüsse auf die Fertilität Ihrer Patientin und können diese hinsichtlich Ihres Verhaltens dazu beraten.

  • veranlassen Sie bei unerfülltem Kinderwunsch eine an der Anamnese orientierte zielführende Diagnostik.

  • kennen Sie die relevanten in der allgemeingynäkologischen Praxis behandelbaren Ursachen und Therapieformen bei anovulatorischer Infertilität.

  • indizieren Sie rechtzeitig die begleitende Vorstellung in einem Kinderwunschzentrum zur Beratung hinsichtlich Chancen und Grenzen assistierter Reproduktionsverfahren.

Einleitung

Die weit verbreitete Anwendung kontrazeptiver Verfahren seit den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat sowohl die Einstellung zum Kinderwunsch als auch das Vorgehen zur Familienplanung maßgeblich beeinflusst. Dies bringt es für die allermeisten Frauen mit sich, ihre Familienplanung bewusst zu überdenken und zu einem geeignet erscheinenden Zeitpunkt in Ihrem Lebenslauf „anzugehen“. Die damit scheinbar verbundene Planbarkeit trägt auch viel zu der Frustration der Frauen bei, wenn sich die erwünschte Schwangerschaft dann innerhalb eines als angemessen erachteten Zeitfensters nicht einstellt [1]. Dabei liegt trotz scheinbar unbegrenzter Informationsquellen durch die modernen Medien, aber auch durch Familien und Bekannte häufig nur ein eingeschränktes Wissen über die Fertilität und darauf wirkende Einflussfaktoren vor [2].

Weibliche Fertilität ist altersabhängig

Die weibliche Fertilität korreliert negativ mit steigendem Alter aufgrund einer abnehmenden Zahl, aber auch einer geringer werdenden Qualität der vorhandenen Eizellen ([3]; Abb. 1a). Dies führt unweigerlich zu einer zeitlichen Begrenzung für die Umsetzung des Kinderwunsches, und unterscheidet rein biologisch die weibliche Fertilität von der männlichen Perspektive mit einer lebenslang aufrechterhaltenen Spermienproduktion. Im gleichen Maß, wie die Schwangerschaftschancen abnehmen, nehmen das Fehlgeburtsrisiko, das Risiko kindlicher Fehlbildungen und mütterliche Risiken während der Schwangerschaft zu. Bei einer zunehmend aufgeschobenen Familienplanung liegt das durchschnittliche Alter der Mütter bei der Geburt des ersten Kindes im Jahr 2017 bei 29,8 Jahren [4], das durchschnittliche weibliche Alter bei einer Kinderwunschbehandlung bei 35,5 Jahren [5]. Theoretische Kalkulationsmodelle zu der Fragestellung, mit welchem Alter eine Frau abhängig von der gewünschten und mit hoher Sicherheit zu erzielenden Familiengröße eine erste Schwangerschaft planen sollte, geben dieses mit 32 Jahren für ein Kind, mit 27 Jahren für eine gewünschte 2‑Kind-Familie und bereits mit 23 Jahren für eine 3‑Kind-Familie an [5]. Selbstverständlich kann dies lediglich als Anhaltspunkt verstanden werden, welcher die immer sehr persönlichen und individuellen Lebensumstände (z. B. Partnerwahl, Berufsausbildung, finanzielle Situation) von Frauen und Paaren mit dem Wunsch einer Familiengründung außer Acht lässt.

Abb. 1
figure 1

a Weibliche Fertilität ist altersabhängig. (Mod. nach [3]). b Erfolg einer IVF/ICSI(In-vitro-Fertilisation/intrazytoplasmatische Spermieninjektion)-Therapie in Abhängigkeit vom Alter der Frau. (Mod. aus [5])

Häufig werden aber auch die Erfolgsaussichten einer heute in Deutschland durchführbaren Kinderwunschbehandlung überschätzt und gleichermaßen der Einfluss des weiblichen Alters auf die Erfolgschance bei einer künstlichen Befruchtung (In-vitro-Fertilisation [IVF] mit oder ohne intrazytoplasmatische Spermieninjektion [ICSI]) unterschätzt: Die Geburtenrate nach IVF/ICSI wird mit 27 % pro Embryotransfer bei einer 35-jährigen, bei einer 40-jährigen Patientin mit 15 % und bei einer 44-jährigen Patientin mit lediglich 3,2 % angegeben ([5]; Abb. 1b). Es ist daher für die Beratung in der allgemeingynäkologischen Praxis zur Einschätzung des therapeutischen Zeitfensters wichtig, über die altersabhängig und damit weitestgehend unbeeinflussbar sinkenden Erfolgschancen auch im Rahmen einer aktiven Kinderwunschtherapie zu informieren, und ggf. auch frühzeitiger die begleitende Vorstellung in einem Kinderwunschzentrum in Betracht zu ziehen.

Beeinflussbare präkonzeptionelle Einflüsse auf die Fertilität

Lebensstilmodifikation

Eine aktuelle Metaanalyse [6] zu präkonzeptionellen Einflussfaktoren kann signifikante Effekte lediglich für diätetische Maßnahmen zur Gewichtsreduktion bei Übergewichtigen mit einem nachfolgend messbaren Anstieg der Spontanschwangerschaftsrate belegen. Für andere Verhaltensänderungen, wie Beendigung schädlicher Einflüsse (z. B. Nikotin, Alkohol) oder vermehrter körperlicher Aktivität, aber insbesondere auch präkonzeptionelle Einflussfaktoren auf Seiten der Männer, liegen bisher zu wenige Studiendaten vor, um allgemeingültige Empfehlungen zu unterstützen. Die amerikanische Fachgesellschaft American Society for Reproductive Medicine schätzt anhand einzelner Studien verschiedene Einflüsse auf weiblicher Seite und basiert darauf ihre Empfehlungen (Tab. 1; [7]).

Tab. 1 Lebensstilfaktoren mit Einfluss auf die Fertilität

Durch das Rauchen des Partners liegen valide Daten für herabgesetzte Konzeptionschancen der Partnerin, hier im Detail eine um 50 % reduzierte Schwangerschafts- und Lebendgeburtenrate beispielsweise im Rahmen einer künstlichen Befruchtung, sowie auch erhöhte Fehlgeburts- und ektope Graviditätsraten vor [8]. Der Kinderwunsch kann hier im positiven Sinne häufig als ein sehr guter Motivationsfaktor zur Umsetzung einer Lebensstilmodifikation gesehen werden.

Ernährung und Nahrungssupplemente

Unverändert besteht von Seiten der Fachgesellschaften für alle Schwangeren, idealerweise auch bereits 2 Monate vor einer geplanten Schwangerschaft, die allgemeine Empfehlung, 400 µg Folsäure zusätzlich einzunehmen, um Neuralrohrdefekten beim Neugeborenen vorzubeugen [9]. Dies sollte außerhalb einer bekannten Schilddrüsenerkrankung und nach vorheriger Abfrage einer speziell jodhaltigen Ernährung (z. B. Meeresalgen) mit einer zusätzlichen Jodidsupplementation von 100 (–150) µg pro Tag kombiniert sein. Davon abgesehen ist für keine besondere Diät oder den Zusatz von Mikronährstoffen (z. B. Vitamine, Antioxidantien) ein genereller Nutzen hinsichtlich des Kinderwunsches belegt. Eine aktuelle Studie hat durch retrospektive Datenerhebung einen signifikant negativen Einfluss von häufigem Fast Food (>4/Woche) sowie wenig Obst (<1–3/Monat) auf die Zeit bis zum Eintritt einer Schwangerschaft („time to pregnancy“, TTP) bestimmt [10]. Dies kann lediglich die allgemein zu gebende Empfehlung hinsichtlich einer ausgewogenen vitaminreichen Ernährung insbesondere auch für Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch unterstreichen.

Beratung zum Konzeptionsoptimum

Bei der Realisierung des Kinderwunsches stellt sich für viele Paare die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt für den Geschlechtsverkehr, um die Chance für den Eintritt einer Schwangerschaft maximal auszuschöpfen. Jedwede ärztliche Beratung zu der zeitlichen Planung und Frequenz des Geschlechtsverkehrs sollte dabei gegen den damit potenziell verursachten Stress für das Paar abgewogen werden [7]. Tatsächlich nimmt jedoch die Schwangerschaftschance, wie zu erwarten, bei einer wöchentlichen Frequenz gegenüber einer täglichen oder täglich alternierenden Frequenz signifikant ab [11]. Dies ist auf die Dauer des fertilen Zeitfensters von nur 6 Tagen vor und einschließlich des Tages der Ovulation zurückzuführen. In diesem Zeitfenster ist weiterhin die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft bei innerhalb von 0–2 Tagen vor der Ovulation stattfindendem Geschlechtsverkehr mit 33 % am höchsten gegenüber 10 % am 5. Tag vor der Ovulation ([11]; Abb. 2). Wünscht das Paar eine bessere Kontrolle über das fertile Zeitfenster, so kann dies bei regelmäßigem Zyklusgeschehen sehr zuverlässig über kommerziell erhältliche Ovulationstests bestimmt werden [12]. Zunehmend verbreitet ist der Einsatz von Zyklus-Apps zur Vorhersage des fertilen Zeitfensters, deren Zuverlässigkeit jedoch sehr stark von den eingesetzten Algorithmen und eventuell zusätzlich erfassten Symptomen aus der Methodik der natürlichen Familienplanung (NFP) abhängt [13].

Abb. 2
figure 2

Konzeptionswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von der Nähe zur Ovulation. (Nach [11])

Stress

Die psychoemotionale Belastung von Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch ist groß. Allerdings scheint ein häufig von den Patientinnen erfragter negativer Einfluss dieses Stressors auf das Schwanger-Werden selbst und auch auf die Erfolgschance einer Kinderwunschbehandlung nicht vorzuliegen [1].

Anamneseorientierte Diagnostik bei unerfülltem Kinderwunsch

Definition des unerfüllten Kinderwunsches

Unter Berücksichtigung der oben genannten Konzeptionsraten pro Zyklus wird der Kinderwunsch üblicherweise nach Ablauf eines Jahres mit ungeschütztem regelmäßigem Geschlechtsverkehr und ohne den Eintritt einer Schwangerschaft als „unerfüllt“ bezeichnet [14]. Hiervon sind nach allgemeinen Schätzungen ca. 10–15 % aller Paare im reproduktiven Alter betroffen. Der Zeitpunkt für eine zu initiierende Diagnostik und darauf basierende therapeutische Interventionen sollte dabei abhängig von vorliegenden Anamnesefaktoren individuell auch früher gewählt werden [15]. Dies gilt beispielsweise für eine ausgeprägte Zyklusstörung, wie eine Amenorrhö, oder ein bereits vorbekannt wiederholt eingeschränktes Spermiogramm. Andererseits sollte die Dauer des unerfüllten Kinderwunsches per se als grober Indikator für das Ausmaß einer Fertilitätseinschränkung betrachtet werden: So ist die Wahrscheinlichkeit für eine noch spontane Schwangerschaft nach bereits 5 Jahren eines unerfüllten Kinderwunsches sicher deutlich geringer einzuschätzen als innerhalb des zweiten Jahres [16]. Für das individuelle Paar sollte das Ausmaß der Einschränkung unter Berücksichtigung aller die Fertilität des Paares beeinflussenden Faktoren zielorientiert eingeschätzt und eine effektive Therapie beraten werden. Zusätzlich zur Leitlinie für die Diagnostik und Therapie des unerfüllten Kinderwunsches vor einer assistierten Reproduktion (AWMF-Registernummer 015-085; [17]) können als Handlungsempfehlung bereits bestehende Leitlinien, beispielsweise die der amerikanischen Fachgesellschaft [15], und die aktuelle Studienlage zu einzelnen Themenkomplexen herangezogen werden.

Einflussfaktoren der Paarfertilität

Neben der Vorgeschichte bereits eingetretener Schwangerschaften und erfolgter Geburten nicht nur in der aktuellen, sondern ggf. auch in früheren Partnerschaften, sollten hier auch Voroperationen oder chronische Erkrankungen bei der Patientin sowie dem Partner erfragt werden (Tab. 2). Auffälligkeiten in der Sexualanamnese sind aktiv nachzufragen. Weiterhin sind die Erhebung der Medikamentenanamnese, die Ermittlung von Körpergröße und -gewicht sowie Fragen nach erheblichen Gewichtsschwankungen, einer sportlichen Betätigung oder nach anderen körperlichen oder psychischen Stressfaktoren bedeutsam auch im Hinblick auf das Vorliegen einer Zyklusstörung.

Tab. 2 Anamnesefaktoren bei unerfülltem Kinderwunsch

Hormonelle Diagnostik bei Zyklusstörungen

Ein Intervall zwischen 25 und 35 Tagen mit einer individuellen Abweichung von weniger als 2–3 Tagen bei der einzelnen Patientin sowie eine Blutungsdauer von 5–7 Tagen definieren ein regelmäßiges Zyklusgeschehen (Eumenorrhö; Tab. 3). Eine entsprechende Zyklusanamnese lässt mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine ovulatorische Zyklusqualität und fehlende hormonelle Störfaktoren schließen [18].

Tab. 3 Definition der Eumenorrhö und von Zyklusstörungen. (Aus [19], mod. nach [20])

Die Notwendigkeit einer ausführlichen hormonellen Diagnostik bei der Patientin mit Kinderwunsch beschränkt sich daher auf das Vorliegen einer Zyklusstörung. Diese steht meistens im Zusammenhang mit einigen wenigen aber häufig vorkommenden Krankheitsbildern. Typische damit einhergehende Beschwerden wie eine Galaktorrhö oder Androgenisierung, aber auch zyklusabhängige Beschwerden wie Dysmenorrhö oder Hypermenorrhö als mögliche Hinweise auf organische Auffälligkeiten sollten in der Anamnese bereits erfragt werden. Die hormonelle Diagnostik sollte dann am Zyklusanfang erfolgen, bei Amenorrhö auch davon unabhängig. Sie umfasst die in Tab. 4 aufgeführten Parameter.

Tab. 4 Empfohlene hormonelle Diagnostik bei unerfülltem Kinderwunsch

Die Bestimmung von TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) zum Ausschluss einer Schilddrüsenfunktionsstörung wird dabei auch außerhalb einer Zyklusstörung als prognostisch relevant beispielsweise für das Fehlgeburtsrisiko beurteilt [21], auch wenn die Notwendigkeit einer Optimierung des TSH-Basalwertes außerhalb einer Schilddrüsenfunktionsstörung durchaus kontrovers diskutiert wird. Durch ein niedrig zu messendes AMH (Anti-Müller-Hormon) liegt entgegen früherer Vermutungen bei erst kürzlich bestehendem Kinderwunsch wohl keine Einschränkung der Fruchtbarkeit vor [22]. Jedoch lässt sich hierdurch zusätzlich zu dem chronologischen Alter der Patientin eine Einschätzung der ovariellen Stimulierbarkeit und des therapeutischen Zeitfensters vornehmen, so dass dies auch – neben anderen Faktoren – über die frühere Vorstellung in einem Kinderwunschzentrum entscheiden kann.

Eine zusätzliche hormonelle Diagnostik in der zweiten Zyklushälfte kann eine erfolgte Ovulation dokumentieren. Allerdings sollte die Höhe der Progesteronmessung aufgrund starker pulsatiler Schwankungen nicht überbewertet werden. Besteht klinisch aufgrund prämenstruellen Spottings der Verdacht auf eine Lutealphaseninsuffizienz, so liegt ursächlich eine Follikelreifungsstörung vor, und eine am Zyklusanfang durchgeführte hormonelle Diagnostik zur Beurteilung der ovariellen Regulation und Ausschluss hormoneller Störfaktoren hat den weitaus größeren Stellenwert [23].

Zusätzlich erfolgt durch die klinische Untersuchung und Vaginalsonographie eine Beurteilung von Uterus und Ovarien/Adnexen, sodass nicht nur vorliegende Implantationshindernisse (z. B. Myome, Polypen, Adenomyosis), sondern auch die ovarielle Funktion und Reserve (antrale Follikelzahl bei PCOS [polyzystisches Ovarsyndrom] oder prämaturer ovarieller Insuffizienz) sowie auch beispielsweise Endometriosezysten oder eine Saktosalpinx erkannt werden.

Spermiogramm und andrologische Untersuchung

In nahezu der Hälfte aller Paare mit unerfülltem Kinderwunsch trägt der Partner zur Ursache der Infertilität bei. Daher sollte frühzeitig eine begleitende Diagnostik auch des Partners initiiert werden [15]. Diese beinhaltet ein Spermiogramm nach den WHO(World Health Organisation)-Kriterien [24], bei aufgrund der Anamnese zu vermutender oder festgestellter Einschränkung auch eine vollständige andrologische Untersuchung. Auf jeden Fall sollte vor Beginn einer therapeutischen Maßnahme, beispielsweise im Rahmen einer Ovulationsinduktion, an den vorherigen Ausschluss eines begleitenden andrologischen Faktors gedacht werden.

Tubare Diagnostik

Der Nutzen einer zusätzlichen tubaren Diagnostik sollte auch abhängig von der bisher durchgeführten nichtinvasiven Diagnostik bei Frau und Mann beurteilt werden. Bei einer evidenten Zyklusstörung und geplanten ovariellen Stimulation kann dies außerhalb vorbekannter tubarer Risikofaktoren lediglich absichernden Charakter haben. So sieht beispielsweise auch die neue internationale Leitlinie zum PCOS keine zwingende Indikation zu einer Tubendiagnostik [25]. Zur Auswahl stehen grundsätzlich die invasive Diagnostik mittels Laparoskopie und Chromopertubation mit der höchsten Präzision und der gleichzeitigen Möglichkeit für eine therapeutische Intervention (z. B. Adhäsiolyse) alternativ zu der Hysterokontrastsonographie (HKSG) als weniger invasives Verfahren. Sind anamnestische Risikofaktoren wie eine vorausgegangene Chlamydieninfektion oder Voroperationen bekannt, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit eines tubaren Faktors [26]. Bei zusätzlichen Anamnesefaktoren, wie einer Dysmenorrhö als Hinweis für eine Endometriose, ist die Diagnostik nur im Rahmen einer Laparoskopie möglich. Hier gilt die operative Intervention bereits als ein wichtiger Therapieschritt zur Erfüllung des Kinderwunsches [27].

Therapie

Die Indikationsstellung und gezielte Auswahl einer therapeutischen Intervention bei der Patientin mit Kinderwunsch ergibt sich in der Praxis aus der oben beschriebenen Ursachenklärung vor dem Hintergrund des Lebensalters der Patientin und der Dauer des Kinderwunsches. Dabei sollte über Chancen und Risiken der unterschiedlichen Methoden realistisch insbesondere auch unter Berücksichtigung der mit einer Therapie verbundenen Belastungen beraten werden. Bei einer tubaren oder andrologischen Ursache des unerfüllten Kinderwunsches sind Verfahren der ART (assistierte Reproduktion) die Therapie der Wahl und indizieren die rechtzeitige Überweisung an ein spezialisiertes Zentrum.

Ovulationsinduktion

Im Rahmen der hormonellen Diagnostik festgestellte Ursachen einer Zyklusstörung wie beispielsweise eine Hyperprolaktinämie sollten kausal therapiert werden. Bei anovulatorischem Zyklusgeschehen durch PCOS oder bei einer zentralen Regulationsstörung ist eine ovarielle Stimulation die Therapie der Wahl. Durch den Einsatz von Clomifen bereits seit vielen Jahrzehnten besteht eine große Erfahrung im Umgang mit diesem einfach, erfolgreich und weitestgehend sicher einzusetzenden Medikament [25]. Wichtige Merkmale der Clomifenstimulation sind in Tab. 5 auch den nachfolgend genannten medikamentösen Alternativen gegenübergestellt. Bei einer bis zu 15 %-igen Rate polyfollikulärer Reaktionen mit mehr als 3 zur Ovulation heranreifenden Follikeln ist das Mehrlingsrisiko die im Vordergrund stehende und zu beratende Komplikation, und ein Ultraschall sollte um den 11.–13. Zyklustag erfolgen.

Tab. 5 Charakteristika verschiedener Medikamente zur Ovulationsinduktion

Letrozol und Metformin als alternative Optionen bei PCOS

Bei PCOS ergeben sich ergänzende oder alternative therapeutische Optionen, die allerdings in den Bereich der Off-label-Verordnung fallen. Der Einsatz von Metformin als „Insulinsensitizer“ ist bereits langjährig bewährt und kann das Ansprechen auf eine Clomifenstimulation verbessern oder bereits initial zu einer Zyklusregulierung mit dem Ziel ovulatorischer Zyklen eingesetzt werden. Dies kann bei einer begleitend vorliegenden Adipositas bekanntermaßen auch durch eine Lebensstilmodifikation und Gewichtsreduktion um ca. 5–10 % durch die Patientin selbst initiiert werden. Die aktuelle Cochrane-Analyse zeigt jedoch insbesondere einen signifikanten Effekt für die Metformineinnahme auf die Lebendgeburtenrate bei Patientinnen mit einem Body-Mass-Index (BMI) <30 und PCOS [28]. Die bei einer Unverträglichkeit von Metformin häufig beworbenen Inositole als Nahrungsergänzungsmittel zeigen bisher keinen vergleichbaren signifikanten Effekt [28].

Erstmals wird in der neuen internationalen Leitlinie zum PCOS auf der Basis der dazu zwischenzeitlich vorliegenden positiven Studiendaten auch Letrozol als First-line-Therapie empfohlen ([25]; s. auch Abb. 3). Auch hier muss die Verordnung „off-label“ erfolgen, das Einnahmeschema entspricht dem einer Clomifenstimulation. Als Vorteil neben einer höheren Lebendgeburten- und Schwangerschaftsrate sind eine geringere Rate polyfollikulärer Reifungen und damit ein etwas geringeres Mehrlingsrisiko beschrieben.

Abb. 3
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Stufentherapieschema bei PCOS (polyzystisches Ovarsyndrom) und Kinderwunsch. * Off-label-Verordnung; LOD laparoskopisches Ovar-Drilling. (Nach [25])

Eine bei Versagen der oben genannten Medikamente mögliche Gonadotropinstimulation ist individuell zu dosieren und mit einer höheren Rate polyfollikulärer Reifungen und dadurch erforderlichen Ultraschallkontrollen verbunden. Diese stellt ebenso wie eine laparoskopische Stichelung der Ovarien eher die Zweitlinientherapie beim PCOS (polyzystisches Ovarsyndrom) dar, und die Patientin wird dazu häufig an spezialisierte Zentren überwiesen. Eine IVF-Therapie wäre eine Drittlinientherapie unter Berücksichtigung der mit dem Verfahren verbundenen erhöhten Risiken insbesondere auch eines ovariellen Überstimulationssyndroms aufgrund der typischerweise zu erwartenden höheren Eizellzahl.

Fazit für die Praxis

  • Die Paarfertilität ist von vielen Einzelfaktoren beeinflusst.

  • Die Konzeptionschancen sind durch das Alter der Frau und die Dauer des unerfüllten Kinderwunsches maßgeblich bestimmt.

  • Zum Einfluss von Lifestyle-Faktoren auf die Fruchtbarkeit sollten beide Partner beraten werden.

  • Eine hormonelle Diagnostik ist bei jeder Zyklusstörung indiziert, und eine anovulatorische Infertilität lässt sich in der Praxis erfolgreich behandeln.

  • Vor Therapiebeginn sollte ein Spermiogramm vorliegen.

  • Bei eingeschränkter Ovarreserve können eine frühere Diagnostik und eine Vorstellung im Kinderwunschzentrum zur Wahrung der Chancen sinnvoll erscheinen.