Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Schwangerschaft und Krebs, zwei Zustände, die konträrer nicht sein können. Auf der einen Seite das Glück, Leben zu schenken, auf der anderen Seite Angst und die Bedrohung des eigenen Lebens. Wird die Diagnose Krebs in der Schwangerschaft gestellt, so treffen diese beiden kapitalen Zustände direkt aufeinander – eine Belastung, der die Betroffenen unmöglich alleine gewachsen sein können und der sie machtlos gegenüber stehen. Unsere Aufgabe ist daher nicht bloß die eines Ratgebers und Therapeuten, sondern auch die eines Organisators und Moderators. Die Betreuung dieser Patientinnen ist in einem interdisziplinären Team durchzuführen, das aus Psychoonkologen, Gynäkoonkologen, Reproduktionsmedizinern und, je nach Erkrankung, auch aus Hämatoonkologen, Strahlentherapeuten und Chirurgen besteht.

Schwangerschaft und Krebs sind nicht von der Betroffenen allein zu bewältigen

Das vorliegende Heft von Der Gynäkologe widmet sich nicht nur der Krebserkrankung in der Schwangerschaft, sondern versucht auch die Frage zu beantworten, ob eine Schwangerschaft nach Krebserkrankung ein Risiko darstellt oder nicht und wann der richtige Zeitpunkt für eine Schwangerschaft ist. Es befasst sich eingehend und sehr ausführlich mit der Diagnose Krebs vor, in und nach der Schwangerschaft. Dabei wird auf die gynäkologischen Krebserkrankungen, aber auch auf hämatoonkologische Erkrankungen und solide Tumoren eingegangen. Darüber hinaus gibt es einen Überblick über die dazugehörige Diagnostik, die Möglichkeiten der Systemtherapie sowie den derzeitigen Stand des Fertilitätserhalts und stellt sowohl Standards als auch aktuelle Entwicklungen dar.

Das Überleben mit einer malignen Erkrankung hat sich weiter verbessert

Die Überlebensrate junger Patientinnen mit einer malignen Erkrankung ist mit dem Wissen um molekulare Subgruppen und Targets durch eine mehr zielgerichtete Diagnostik und Therapie in den letzten Jahren weiter verbessert worden. Cordes et al. befassen sich daher mit den Möglichkeiten des Fertilitätserhalts, wobei einige bereits etabliert, andere weiterhin experimentell sind. Das im Jahr 2006 gegründete Netzwerk FertiPROTEKT unterstützt die Optimierung und Standardisierung der Beratung unserer Patientinnen.

Das Mammakarzinom ist das häufigste Malignom der Frau, daher ist das Wissen um die Therapie dieser Erkrankung auch in der Schwangerschaft von größter Wichtigkeit, zumal die Inzidenz des Mammakarzinoms in der Schwangerschaft zunimmt. Eine Registerstudie der German Breast Group unter Federführung von Sybille Loibl sammelt seit Jahren erfolgreich Daten von Schwangeren mit Mammakarzinom. Die Erkenntnisse dieser Studie sind in den letzten Jahren in unsere Therapieempfehlungen eingeflossen und werden von Sybille Loibl in ihrem Beitrag sozusagen „aus erster Hand“ zusammengefasst. Aufgrund der Tatsache, dass das Mammakarzinom die häufigste eine Schwangerschaft verkomplizierende maligne Erkrankung ist, widmen sich auch Salmen et al. dieser Erkrankung und gehen in punkto Systemtherapie noch etwas detaillierter auf die aktuelle Datenlage ein.

Eine andere Tumorentität, die ihre höchste Inzidenz im reproduktiven Alter hat und damit in der Schwangerschaft auftreten kann ist das Zervixkarzinom. Gerade Patientinnen mit unerfülltem Kinderwunsch sind durch die maligne Erkrankung des für eine Schwangerschaft relevanten Organs sowohl organisch als auch besonders psychologisch affiziert. Der Grenzgang zwischen optimaler Therapie und Schwangerschaft wird im gleichnamigen Artikel von Hoellen et al. ausführlich beschrieben, der sowohl die prämalignen Läsionen als auch das invasive Karzinom einschließt.

Schwangerschaft und gynäkoonkologische Erkrankung wirken sich nicht unbedingt negativ aufeinander aus

Wirkt sich eine Schwangerschaft nun negativ auf eine gynäkoonkologische Erkrankung oder ein Mamakarzinom aus oder eher die onkologische Erkrankung negativ auf eine Schwangerschaft? Warum beide Fragen eher verneinend beantwortet werden können, wird von Thill et al. in ihrem Beitrag beantwortet, in dem neben den einzelnen Tumorentitäten auch die psychoonkologischen Aspekte gestreift werden. Diese werden unterem anderem von Bolling et al. detaillierter berücksichtigt. Das interdisziplinäre Autorenteam beschäftigt sich in seinem Beitrag ausführlich mit den einzelnen zytotoxischen Substanzen sowie deren möglichem Einsatz in der Schwangerschaft und gibt eine umfassende Übersicht zu den hämotoonkologischen Erkrankungen und soliden Karzinomen in graviditate.

Wir sind sicher, Ihnen mit dem in dieser Ausgabe von Der Gynäkologe behandelten Leitthema zahlreiche Informationen an die Hand geben zu können, die Sie in komplexen Entscheidungs- und Belastungssituationen für die betroffene Schwangere, ihre Familien sowie für sich selbst in ihrer Praxis und in ihrem Arbeitsalltag nutzen können. Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre.

PD Dr. M. Thill

Prof. Dr. K. Diedrich

Prof. Dr. R. Kreienberg