Mut, Offenheit und die Bereitschaft, selbst solides Grundwissen immer wieder in Frage zu stellen − dies sind die Essenzen, aus denen Innovationen destilliert werden. Sie sind Grundvoraussetzung, um unser Fach zu sichern und in die Zukunft zu führen.

Einen exzellenten Überblick über die Innovationen der letzten Jahre in der gynäkologischen Onkologie geben die Beiträge von Janni et al. und von Fasching. Während beim primären Mammakarzinom System- und Radiotherapie eine immer sparsamere operative Behandlung möglich machen, bleibt es beim Ovarialkarzinom dabei, dass die Prognose direkt abhängig ist von der Vollständigkeit des primären Eingriffs. Deshalb kann sich beim Ovarialkarzinom eine endoskopische Vorgehensweise auch nicht durchsetzen, anders als beim Endometrium- und beim Zervixkarzinom, die in frühen Stadien heute vielfach minimal-invasiv versorgt werden. Für das Zervixkarzinom haben vor allem Erkenntnisse über die Embryologie des kleinen Beckens von Michael Höckel ebenso wie das minimal-invasive Staging Fortschritte in Hinblick auf eine funktionsschonende operative Versorgung gebracht. Die Umsetzung dieses Konzeptes und die Übertragung in ein roboterassistiertes Vorgehen dokumentiert der Beitrag von Kimmig.

Maßgeblichen Einfluss auf die Behandlung maligner Erkrankungen hat inzwischen eine ausgefeilte Diagnostik in Bezug auf Rezeptorstatus und Molekulargenetik. Sie ermöglicht es, kostspielige oder auch nebenwirkungsreiche Therapien immer genauer nur noch dort einzusetzen, wo sie sinnvoll sind. Dass die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Christiane Woopen, sich kürzlich genötigt gesehen hat, vor der „personalisierten Medizin“ zu warnen und zu fragen, ob Patienten unter diesem Schlagwort lediglich „vor den Karren der molekularbiologischen Forschung“ gespannt würden, müssen wir aufmerksam zur Kenntnis nehmen und in die Debatte eingreifen, wo nötig. Ein Zurück in eine diagnostikfreie Zeit mit radikalen Operationen, Bestrahlungen und Systemtherapien wird es nicht geben.

Rezeptorstatus und Molekulargenetik haben immer mehr Einfluss auf onkologische Therapien

In der Geburtsmedizin dagegen sind Fortschritte scheinbar viel schwieriger zu erzielen, wie Kagen, Hoopmann u. Abele erörtern. Die Frühgeburtenrate unter 9% zu senken scheint fast aussichtslos. Einerseits werden die Frühdetektion von Risikoschwangeren und die Strategien zur Verhütung zu früher Geburten optimiert: Die Plazentaforschung führt zu immer neuen Erkenntnissen zum Verständnis der Pathophysiologie der Schwangerschaft und der fetalen Programmierung, wie Zygmunt et al. ausführen. Auf der anderen Seite müssen immer mehr Schwangerschaften als Risikoschwangerschaften betrachtet werden. Noch immer ist die Präeklampsie für 15% aller Frühgeburten verantwortlich; selbst wenn durch eine Kombination aus uteriner Dopplersonographie, maternaler Anamnese und Blutdruck die Detektionsrate im zweiten Trimester auf 100% erhöht werden konnte, bleiben therapeutische Ansätze bis heute unbefriedigend. Eine sehr frühzeitige Risikodetektion lässt darauf hoffen, dass durch angepasste Gabe von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure die Präeklampsiemorbidität gesenkt werden kann.

Für die Erkennung von Schwangeren mit hohem Risiko für eine Frühgeburt hat sich inzwischen ein „Klassiker“ bewährt, die Zervixlängenmessung in der Mitte der Schwangerschaft. Progesteron, Zervixpessar oder auch der Muttermundsverschluss sind in diesen Fällen indiziert, um die frühzeitige Geburt aufzuhalten. Ist eine Cerclage möglich, soll aber aus individuellen Erwägungen heraus nicht durchgeführt werden, so muss die Schwangere dennoch über diese Behandlungsalternative aufgeklärt werden. Dies hat kürzlich der Bundesgerichtshof entschieden, wie Martell in seinem Beitrag ausführt.

Erhebliche Veränderungen werden wir künftig in der pränatalen Diagnostik erleben durch die Möglichkeit, das gesamte embryonale Genom nichtinvasiv zu gewinnen und zu analysieren. Welche Chancen und Herausforderungen hier auf uns und auf die gesamte Gesellschaft warten, können wir derzeit nur im Ansatz vermuten.

Die Analyse des embryonalen Genoms wird die pränatale Diagnostik verändern

In der Reproduktionsmedizin werden immer gezieltere, individualisierte und „milde“ Stimulationsprotokolle entwickelt. Bei jungen onkologischen Patientinnen und Patienten ist Fertilitätsprotektion das Gebot der Stunde. Operative Interventionen, wie Uterustransplantationen als Ultima Ratio oder Tubenimplantate, eröffnen Eltern mit Kinderwunsch neue Chancen.

Weitere wichtige Themen werden Ihnen in der Oktoberausgabe von Der Gynäkologe vorgestellt: Rabe, Schwenkhagen et al erläutern Optionen der Antikonzeption bei Patientinnen mit Krankheiten des epileptischen Formenkreises. Riemer/Hagenberg stellen infektassoziierte Läsionen des Genitale bei einem 11-jährigen Mädchen mit Mykoplasmenpneumonie vor.

Wir hoffen, dass die Zusammenstellung dieser Ausgabe für Sie ebenso faszinierend ist wie für Herausgeber und Redaktion.

Ihr Prof. Dr. med. Klaus Friese