Zusammenfassung
Exakte Daten über die Nichteinhaltung von Standards in der medizinischen Versorgung liegen bisher noch nicht vor. Es gibt vereinzelte Berichte über Versorgungsdefizite, aber die Unsicherheit und die Furcht vor dem Mangel scheinen heute (noch) größer zu sein als es der Mangel tatsächlich ist.
Die derzeitige Rechtsprechung berücksichtigt auch die wirtschaftliche Situation des Gesundheitswesens im Allgemeinen und des Krankenhauses/Arztes im Speziellen. Nach einem Urteil des BGH können die Ansprüche des Patienten nicht ungekürzt und ohne Rücksicht auf finanzielle Auswirkungen umgesetzt werden.
Bevor Standards abgesenkt werden, müssen alle organisatorischen Anstrengungen unternommen werden, die zur Aufrechterhaltung der Standards erforderlich sind. Dazu gehört ggf. auch die Verlegung von Patienten und die Schließung von Kliniken, wenn der gebotene Standard nicht aufrechterhalten werden kann.
Wenn die Behandlungsbedingungen aufgrund personeller und/oder sachlicher Gegebenheiten so ungünstig sind, dass das daraus resultierende Risiko und die möglichen Nachteile für den Patienten größer sind als der erreichbare Nutzen, muss diese Behandlung wegen Überschreitung des erlaubten Risikos unterbleiben. Das Eingehen der erhöhten Gefahr ist dann nicht mehr durch das erlaubte Risiko gedeckt, das bei überwiegendem Sozialnutzen auch eine an sich gefährliche Handlung rechtfertigt.
Abstract
Precise data on failures to meet standards of medical care are not available. Isolated reports do exist of supply shortages, but the uncertainty and fear still seem to be greater than the shortages themselves. Current German law takes into account the economic situations of both the hospital/doctor in particular and the health care system in general. According to a German Supreme Court ruling, ‘patient demands’ may not be defined inflexibly and without regard to financial implications; however before a medical standard is lowered, all organizational efforts must first be made to maintain that standard. This could even include the transfer of patients and closure of clinics. When subjective or real conditions of a diagnosis or therapy are so unfavorable that the resulting risk and potential disadvantage to the patient outweigh the achievable benefits, such treatment should normally be rejected. The situation exists however in which excessive risk to an individual patient can be justified by a greater social value.
Notes
Beske F, Kern AO, Lescow, H (1999) Auswertung einer Leserumfrage: Leistungseinschränkung oder Rationierung im Gesundheitswesen? Dtsch Arztebl 96(3): A113–117
Strech D, Börchers K, Freyer D et al. (2008) Ärztliches Handeln bei Mittelknappheit. Ethik Med 20: 94–109
OLG Köln, VersR 1993, 52 f
BGH VersR 1975, 44; BGH VersR 1954, 290; OLG Düsseldorf, MedR 1984, 69
Dressler, FS Geiß, 2000, S. 387
vgl. auch Taupitz, in: Wolter/Riedler/Taupitz, Einwirkungen der Grundrechte auf das Zivilrecht, öffentliche Recht und Strafrecht, 1999, S. 114
vgl. Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 4. Aufl. 2008, Rdnr. 18
OLG Hamm NJW 2000, 1801, 1802
Steffen, FS Geiß 2000, S. 487
so mit Recht Steffen, a.a.O., S. 487
BGH VersR 1994, 480, 482
BGH NJW 1988, 763; NJW 1993, 2989
BGH NJW 1993, 2989 ff
BGH NJW 1999, 1779, 1781
Steffen, a.a.O., S. 498
siehe Dahm, in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, 2. Aufl. 2001, Nr. 5090, Rdnr. 9
Interessenkonflikt
Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Berg, D., Ulsenheimer, K. Zwischen Budget, Haftung und Wohl der Patientin. Gynäkologe 43, 75–78 (2010). https://doi.org/10.1007/s00129-009-2397-8
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