Diese Ausgabe beschreibt wichtige Entwicklungen in der gynäkologischen Onkologie und geht dezidiert auf die neuen zielgerichteten medikamentösen Therapieoptionen ein. Diese sollen im Idealfall maßgeschneidert für die jeweilige Patientin und deren Erkrankungssituation sein. Üblicherweise werden die „tailored therapies“ daher in Abhängigkeit von klinischen und tumorbiologischen Parametern ausgewählt. Dieses individualisierte Vorgehen soll Therapien mit reduzierter Toxizität und gleichzeitig gesteigerter Effektivität ermöglichen.

Beim Mammakarzinom werden zur Therapieplanung bereits die klinischen Parameter (z. B. Alter, TNM-Status und Grading) durch tumorbiologische Informationen wie den Hormonrezeptor- und HER2/neu-Status ergänzt. Dadurch werden zielgerichtete Therapien für Subkollektive möglich. Internetportale wie www.adjuvantconsens.com geben einen Überblick über Risikokonstellationen und die möglichen spezifischen leitliniengerechten Therapieoptionen.

Die endokrine Therapie des Mammakarzinoms ist eine der ersten maßgeschneiderten Behandlungsansätze

Die endokrine Therapie des Mammakarzinoms ist vermutlich die erste „tailored therapy“, die routinemäßig und erfolgreich bei der Behandlung solider Tumoren eingesetzt wurde. Die verschiedenen endokrinen Therapieoptionen (selektive Östrogenrezeptormodulatoren, GnRH-Analoga, Aromataseinhibitoren und reine Östrogenrezeptorantagonisten) zeigen beim hormonresponsiven Mammakarzinom eine hohe therapeutische Effektivität bei einem akzeptablen Nebenwirkungsspektrum. Neben den auf den Östrogenrezeptor gerichteten Strategien werden in Studien auch Verträglichkeit und Wirksamkeit eines Antigestagens überprüft.

Als zweiter tumorbiologischer Marker hat die HER2/neu-Überexpression entscheidende prognostische und therapeutische Bedeutung erlangt. Etwa 25% aller Mammakarzinome zeigen diese Überexpression und kommen für eine zielgerichtete Therapie mit dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab in Frage. Mittlerweile ist in der metastasierten Situation (bei HER2/neu-Überexpression) mit Lapatinib auch ein Tyrosinkinaseinhibitor (in Kombination mit Capecitabin) nach Trastuzumab-Versagen zugelassen.

Neue tumorbiologische Marker werden als Ziele für eine selektive Therapie untersucht

Etliche neue tumorbiologische Marker werden als Ziele einer selektiven Therapie des Mammakarzinoms und anderer gynäkologischer Tumoren geprüft. Hier sind besonders weitere Wachstumsrezeptoren, intrazelluläre Signalwege, die für die Entstehung von Resistenzen verantwortlich sind, und auch Proliferations- und Apoptosemarker interessant.

Seit kurzem stehen erste Anti-Angiogenese-Substanzen zur Verfügung, die Endothelzellen der Tumorblutgefäße ausschalten und dem Tumor das Nährstoffangebot entziehen. Insbesondere VEGF gerichtete Antikörper und „small molecules“ sind beim Mammakarzinom, aber auch bei soliden gynäkologischen Tumoren wie dem Ovarialkarzinom von zunehmender Bedeutung.

Auch in der gynäkologischen Onkologie gibt es erste Ansätze einer therapeutischen Vakzinierung. So sind bereits erste klinische Studien durchgeführt worden, die einen gewissen Wirksamkeitsnachweis einer Anti-HER-2-Vakzine beim HER-2/neu-amplifizierten Mammakarzinom und einer Vakzine, die gegen das tumorspezifische Antigen CA 125 beim Ovarialkarzinom gerichtet ist, zeigen.

Hereditäre Mamma- und Ovarialkarzinome gehen häufig mit einer erhöhten Chemosensibilität einher, da aus einer BRCA1/-2-Mutation eine Beeinträchtigung von Reparaturmechanismen bei DNA-Doppelstrangbrüchen resultiert. Ein weiterer DNA-Reparaturmechanismus in Tumoren wird durch die PARP1-Inhibitoren gehemmt. Diese könnten besonders bei hereditären, aber auch sporadischen Tumoren einen neuen zielgerichteten Therapieansatz zur Zytoreduktion bieten. Hierzu laufen etliche klinische Studien.

Um die Prognose und besonders das Therapieansprechen besser abschätzen zu können, werden weitere histopathologische Marker beschrieben, sowie prädiktive Gensignaturen entwickelt, die allerdings alle noch in großen, prospektiven Studien validiert werden müssen. Durch die Gensignaturen sollen besonders Patientengruppen identifiziert werden, die von bestimmten Chemotherapien nicht profitieren und denen man die Nebenwirkungen aggressiver Therapien ersparen kann.

W. Jonat

K. Diedrich

W. Distler