Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Unser Gesundheitswesen steht vor epochalen und revolutionären Veränderungen. Dies betrifft v. a. das Krankenhauswesen, impliziert aber auch Veränderungen in der ambulanten Versorgung unserer Bevölkerung. Das Bundesgesundheitsministerium plant grundlegende disruptive Veränderungen, die langfristig die Kosten der stationären Versorgung senken und ihre Qualität verbessern soll.

Die geplanten Gesetzesänderungen müssen hierbei in enger Abstimmung mit den Bundesländern erfolgen. Dieser Prozess gestaltet sich schwierig vor dem Hintergrund unterschiedlicher verfassungsrechtlicher Kompetenzen. Die Krankenhäuser sollen je nach personeller, baulicher, medizintechnischer, struktureller und prozessualer Qualität verschiedenen Levels zugeteilt werden – vom Basisversorger bis zum universitären Maximalversorger. Auf dieser Basis soll dann eine zunächst pauschalisierte Vorhaltefinanzierung der Krankenhäuser erfolgen. Gegenwärtig lässt sich noch nicht ermessen, in welchem Umfang tatsächlich die Vorschläge der hierzu eingesetzten Regierungskommission politisch umgesetzt werden.

Dies alles findet statt vor dem Hintergrund einer zunehmend überalternden Bevölkerung. So werden im Jahre 2030 nahezu 20 Mio. Menschen in Deutschland leben, die älter als 67 Jahre sein werden. Auch hieraus erwächst ein immer eklatanter werdender Fachkräftemangel. Nach Schätzungen aus einem Gutachten von PricewaterhouseCoopers werden 2030 nahezu 800.000 Personen an medizinischem Assistenzpersonal und nahezu 170.000 Ärztinnen und Ärzte fehlen. Die Urologie ist hierbei besonders gefordert mit einer erwarteten Fallzahlsteigerung von 16,6 % bis zum Jahr 2030.

Die Behandlung, insbesondere im Bereich der Uroonkologie, wird immer komplexer

Dabei wird die Behandlung, insbesondere im Bereich der Uroonkologie, immer komplexer. Die Urologie betreut 35 % aller soliden malignen Erkrankungen, und dabei gehört der individualisierten Präzisionsmedizin die Zukunft. Die molekulare Testung mittels „next generation sequencing“ sowie der Einsatz der daraus resultierenden zielgerichteten Therapien ermöglicht, insbesondere in der Behandlung des Prostatakarzinoms, eine Verbesserung der onkologischen Behandlungsergebnisse (Wullich et al.).

Unabhängig von den geplanten Krankenhaus-Strukturreformen haben bereits neue Versorgungsstrukturen wie Praxisketten und medizinische Versorgungszentren die Urologie erfasst. Henzler et al. zeigen die Organisationsstruktur sowie die wichtigsten Entwicklungen der medizinischen Versorgungszentren und Praxisgruppen in Deutschland auf. Sie stellen Lösungen für den zu bewältigenden demographischen Wandel sowie die Forderung nach einer Umgestaltung der Arbeitsbedingungen der neuen Ärztegeneration dar.

Der Prämisse zur Kostenreduktion der stationären Versorgung sowie dem zunehmenden Fachkräftemangel soll durch eine Verlagerung von Operationen in den ambulanten Bereich getragen werden.

In dem Artikel von Volkmer et al. wird der neue ambulante Operationskatalog sowie die Kontextfaktoren des IGES-Institut zur Erweiterung dessen kritisch beleuchtet. Eine entsprechende Ausbildung und Vergütung für den ambulanten Sektor ist jedoch noch offen.

Aufgrund der wachsenden Patientenzahlen in der Urologie ist neben der Ambulantisierung eine stärkere Kooperation aller Leistungserbringer die Zukunft. Transsektorale Versorgungsmodelle wie das Kooperationsmodell Krankenhaus-Praxis oder vertragsärztliche Kooperationsformen können eine qualitative, bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung möglich machen. Chancen und Limitationen dieser Modelle werden in dem Artikel durch Köhrmann et al. dargestellt. Kooperation ist in – Wettbewerb und Konkurrenz ist out.

Große Hoffnung wird in die zunehmende Digitalisierung des Gesundheitswesens gesetzt. Diese wird als „Gamechanger“ für eine effizientere Gesundheitsversorgung angesehen. Den aktuellen Stand sowie einen Ausblick der digitalen Transformation in der Urologie beleuchtet der Artikel von Witzsch et al. Die elektronische Patientenakte, die Telemedizin, digitale Gesundheitsanwendungen sowie die künstliche Intelligenz können in der Zukunft unsere Arbeitsabläufe unterstützen, insofern die Herausforderung der Mitentwicklung und Integration angenommen wird.

Die Urologie ist das Zukunftsfach in einer immer älter werdenden Bevölkerung. Dies nicht nur aufgrund steigender Fallzahlen, sondern auch aufgrund immer komplexer und herausfordernder Behandlungsstrategien und Techniken. Diese werden in Zukunft eine immer weiter fortschreitende Subspezialisierung in der Urologie notwendig machen. Die einzige Konstante im Leben ist Veränderung, diejenigen, die in der Zukunft erfolgreich sein werden, sind diejenigen, die diese Transformation annehmen und daraus lernen (Heraklit von Ephesos, 500 v. Chr.). Die Urologie ist hierfür bestens gerüstet.

Prof. Dr. M. Kriegmair

Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V.

Dr. L. Hofer

Kongressassistentin des 75. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie