Die freien Berufe haben eine Sonderstellung in der Gesellschaft, denn sie üben Tätigkeiten aus, die gesellschaftlich als wichtig erachtet werden. Kern der ärztlichen Freiberuflichkeit sind Freiheit und Verantwortung. Ärztinnen und Ärzte stellen sich in den Dienst der Gesundheit und sind in ihrem Handeln moralischen und ethischen Grundsätzen verpflichtet. Freie Berufe haben dadurch Rechte und Pflichten, die andere Berufsgruppen nicht genießen. Die Freiberuflichkeit sichert freie medizinische Entscheidungen. Auch die ärztliche Schweigepflicht leitet sich aus der Freiberuflichkeit ab. Die Pflicht des freien Arzt-Berufes ist es, die Patientenversorgung zu gewährleisten. Ebenso verpflichtend ist die fortlaufende Qualifizierung, um sicherzustellen, dass die Tätigkeiten gemäß dem neuesten Stand der Wissenschaft ausgeübt werden. Im Gegenzug stehen die Gebührenordnung, die ärztliche Selbstverwaltung und die Möglichkeit, eigene Versorgungswerke zu unterhalten. Dieses Gleichgewicht gerät aktuell in Schieflage. Die ärztliche Freiberuflichkeit gerät zunehmend unter Druck – in einen Spagat zwischen Bürokratie und ökonomischen Zwängen.

Freiheit und Verantwortung sind für Ärztinnen und Ärzte nicht verhandelbar, denn trotz ihrer anscheinenden Gegensätzlichkeit sind sie die Essenz der ärztlichen Profession

Mit welchen Herausforderungen sehen sich junge Urologinnen und Urologen im Hinblick auf ihre berufliche Karriere konfrontiert? Welche Bedeutung hat dies für ihre Weiterbildung? Mittels SWOT-Analyse untersucht das Team von Frau Dr. Carolin Siech (Klinik für Urologie, Universitätsklinikum Frankfurt), Mira Fassbach (Klinik Urologie, urologische Onkologie und Kinderurologie, Helios Klinikum Duisburg), Dr. Maike Neutzer (Klinik für Urologie, Kinderurologie und Urogynäkologie, Krankenhaus Maria Hilf der Alexianer Krefeld GmbH) und Dr. Henrike Beverungen (Klinik für Urologie, St. Elisabeth Krankenhaus, Leipzig) Strategien und Lösungsansätze, um urologische Berufstätigkeit und Weiterbildung aktiv mitzugestalten, zu verbessern und weiterzuentwickeln. Demnach sind die Stärken u. a. das Weiterbildungscurriculum Urologie (WECU) sowie die Vernetzung von stationärer und ambulanter Weiterbildung. Als Chancen wurden Digitalisierung, technischer und medizinischer Fortschritt sowie ärztliche Freiberuflichkeit identifiziert.

Vor dem Hintergrund möglicher Auswirkungen der Krankenhausreform verteidigt Prof. Dr. Peter J. Goebell (Unikklinikum Erlangen, Bereich Waldkrankenhaus) das hohe Gut der Freiberuflichkeit und der Ärztlichen Selbstverwaltung, die im Alltag nur bedingt eine Rolle zu spielen scheinen, die aber in Bezug auf das Werte- und Ethikverständnis des ärztlichen Berufes in seiner gesellschaftlichen Rolle und Garantenstellung einer letztlich freien und weisungsunabhängigen Entscheidungsfindung ein hohes Gut verteidigt.

Doch wie viel ist vom freien Arztberuf in einer von ökonomischen Zwängen geprägten Versorgungswelt noch übrig? Ein enormes Privileg des ärztlichen Berufsstandes ist die Selbstverwaltung. Heute wird von der ärztlichen Selbstverwaltung zu Recht erwartet, dass sie sich meinungsbildend und öffentlichkeitsnah zu aktuellen medizinethischen und rechtlichen Debatten äußert. In seinem Beitrag gibt Erik Bodendieck (Sächsische Landesärztekammer) einen Überblick zu den aktuellen Kernthemen der ärztlichen Selbstverwaltung sowie zur Selbstverwaltung der Zukunft.

Zwar impliziert der Begriff des „freien Berufs“ eine besondere Freiheit in der Berufsausübung, wie stellt es sich jedoch tatsächlich dar? Welche Verantwortlichkeiten und Pflichten auf der einen Seite, aber auch Rechte auf der anderen, haben Ärztinnen und Ärzte? In ihrem Beitrag geben RA Dr. jur. Thomas Willaschek und RAin Juliane Siewert einen Gesamtüberblick zu dieser Thematik. Besondere Aspekte sind hierbei die Definition des freien Berufs, selbständige oder angestellte Berufsausübung, Rechte und Pflichten, wirtschaftliche Unabhängigkeit und Vergütung.

Ärztinnen und Ärzte stehen heute in einem Spannungsfeld zwischen einer „empathischen, sich Zeit nehmenden ärztlichen Tätigkeit“ und einer „wirtschaftlich sinnvollen, zweckmäßigen und notwendigen“ Medizin. Dr. Thomas Quack (niedergelassener Urologe) hinterfragt die aktuelle Situation von Ärztinnen und Ärzten im Hinblick auf die extrem verdichteten Arbeitsanforderungen. Wie bewältigen sie den Spagat zwischen dem Anspruch der Patientinnen und Patienten auf umfangreiche und schnelle Versorgung und dem berechtigten Einfordern von Zeit für das eigene Privatleben?

Unter dem Motto „Freiberuflichkeit sichern und Selbstverwaltung stärken“ fordert übrigens der 127. Ärztetag 2023 in seiner „Essener Resolution für Freiheit und Verantwortung in der ärztlichen Profession“ Rahmenbedingungen, die eine freie Berufsausübung sicherstellen.

Ihr Dr. Axel Belusa

Vorstand, Schriftführer

Berufsverband der Deutschen Urologie e. V. (BvDU)