Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in der berufspolitischen Ausgabe 2022 von Die Urologie wollen wir Sie mitnehmen zu einem Blick jenseits der Grenzen.

Die fachspezifische ärztliche Tätigkeit bildet die Basis unseres Tuns. Sie fordert uns tagtäglich in der Behandlung von Patientinnen und Patienten in unserem Fachgebiet. Darüber hinaus wollen wir als urologischer Berufsverband die Gelegenheit nutzen und weitere Perspektiven beleuchten und über das rein Fachliche hinausblicken.

Urologinnen und Urologen sind in ihrer Arbeit eingebunden in einen umfassenden Kontext, der über die rein ärztliche Tätigkeit hinausgeht. Weitere Felder sind zum einen das ärztliche Berufsbild. In diesem stellen sich ergänzende Anforderungen für Ärztinnen und Ärzte in Praxis oder Klink im Sinne einer unternehmerischen bzw. betriebswirtschaftlichen Führung. Darüber hinaus arbeiten Urologinnen und Urologen intensiv mit anderen Fachgebieten sowie intersektoral zusammen mit der damit einhergehenden konsequenten Zielsetzung, vermehrt ambulant zu operieren. Dies steht auch vor dem Hintergrund, Behandlungen und Kosten im Gesundheitssektor weiter gemeinschaftlich stemmen und die Weiterbildung für junge Medizinerinnen und Mediziner qualitativ hochwertig und attraktiv gestalten zu können. Nicht zu vergessen ist das aktuelle Überthema im Gesundheitswesen: die fortschreitende Digitalisierung mit all ihren Herausforderungen und Entwicklungen, die sie außerhalb des rein Fachlichen mit sich bringt.

Diese Komplexität und die gegenwärtigen Entwicklungen wollen wir in unserer jährlichen berufspolitischen Ausgabe von Die Urologie offen beleuchten. Der Berufsverband der Deutschen Urologen (BvDU) als urologischer Berufsverband ist neben unserer wissenschaftlichen Fachgesellschaft DGU (Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V.) die zweite wichtige Säule der organisierten Urologie in Deutschland. Beide Säulen haben ihre jeweilige eigene Kompetenz und Stärke: fachspezifisch auf Seiten der DGU und auf Seiten des BvDU die Interessenvertretung des Berufsbildes urologisch-ärztlicher Tätigkeit in Klinik und Praxis. Beide Verbände, BvDU und DGU, wollen gemeinschaftlich aktiv die Zukunft unseres Faches Urologie gestalten und so angehende Medizinerinnen und Mediziner auch zukünftig für unser attraktives Fach begeistern.

Wohin führt die Zukunft für Belegärzte, im ambulanten Operieren und in Weiterbildung und Digitalisierung?

Das Modell der Belegärzte ist ein Musterbeispiel für die von Politik und Gesundheitsexperten geforderte sektorenübergreifende Versorgung. Die Gesundheitsversorgung in Deutschland leidet u. a. an der unzureichenden Koordination und Kooperation an den Schnittstellen der stark abgeschotteten Versorgungssektoren. Das Problem besteht seit Jahrzehnten. Ziel muss sein, dass Leistungen dort erbracht werden, wo es qualitativ und ökonomisch am sinnvollsten ist und wo Patientinnen und Patienten von ihrem behandelnden Arzt durchgängig behandelt und betreut werden können. Dr. Bernd König, Vorsitzender des BvDU-Arbeitskreises der Belegärzte, beleuchtet diese Ambivalenzen in seinem Beitrag über die „Zukunft des Belegarztwesens“.

Dr. Christian Deindl, Präsident des Bundesverbandes Ambulantes Operieren (BAO e. V.), betrachtet in seinem Beitrag „Die Zukunft des ambulanten Operierens“ die Gründe für den gefühlten Stillstand der Weiterentwicklung des ambulanten Operierens und fordert höchste Priorität für die gemeinsame Forderung von Praxen und Kliniken nach einer einheitlichen Vergütung des ambulanten Operierens. Ambulantes Operieren entlastet den kostenintensiven Kliniksektor und wird dies in noch größerem Umfang tun, sobald Politik und Kostenträger sich zu einer leistungsbezogenen und kostendeckenden Vergütung bekennen.

Besonders freuen können Sie sich auf die Erfahrungen junger Urologinnen und Urologen im Rahmen ihrer Weiterbildung in Klinik und Praxis im Rahmen des Beitrags von C. Siech et al. „Weiterbildung erlebt – Erfahrung des urologischen Nachwuchses“. Weiterbildung in der Urologie steht im Kontext des Weiterbildungscurriculums (WECU). Dieses Curriculum brachte der Berufsverband gemeinsam mit der Fachgesellschaft und der urologischen Nachwuchsorganisation, der German Society of Residents in Urology e. V. (GeSRU), auf den Weg. Es ermöglicht eine qualitativ hochwertige und attraktive Gestaltung der Weiterbildungszeit. Das Curriculum legt insbesondere Wert auf eine einjährige ambulante Weiterbildung, um den Anforderungen der neuen Weiterbildungsordnung gerecht zu werden. Dies ist auch im Kontext einer gewünschten intersektoralen Zusammenarbeit von Kliniken und niedergelassenen Urologinnen und Urologen der zukunftsweisende Weg.

Im Beitrag „Chronopharmakologie“ von Jörg Riedl vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein am Campus Lübeck werden chronotherapeutische Ansätze sowohl in der Prophylaxe als auch bei der Behandlung urologischer Krebserkrankungen hinterfragt, die zunehmend mehr Aufmerksamkeit finden werden. Die Chronopharmakologie befasst sich mit dieser inneren Uhr und den Konsequenzen für die Arzneimitteltherapie. Bisher hauptsächlich in der Psychiatrie und der Schlafmedizin angewendet, soll das Wissen in Zukunft vermehrt in weiteren medizinischen Bereichen genutzt werden.

Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran. Für manche viel zu langsam, für manche, auch aufgrund der technischen Stolpersteine, der unklaren Verantwortlichkeiten und offenen (Re‑)Finanzierungsfragen zu unausgereift und damit zu schnell. Nach Holger Rostek, Mitglied des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, soll die Telematik Infrastruktur (TI) die Digitalisierung im Gesundheitswesen fördern, indem sie eine einheitliche, sichere und interoperable Infrastruktur schafft, die alle Beteiligten an einer Behandlung vernetzt. Ein guter Gedanke. Von einer guten, praxistauglichen Umsetzung sind wir leider noch einiges entfernt. Trotzdem stehen die meisten Praxen der Digitalisierung aufgeschlossen gegenüber. Sie wird für viele Beteiligte hoffentlich bald umfangreiche Vorteile in der Administration, Diagnostik, Therapie, Pflege und Logistik im Gesundheitswesen bringen.

Bedeutsame, vielfältige Themen, die uns in Zukunft weiter gemeinschaftlich fordern! Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre mit vielen interessanten Anregungen und freue mich auf die Diskussion mit Ihnen im Rahmen unserer Veranstaltungen auf dem DGU-Kongress. Wir freuen uns auf den weiteren Austausch mit Ihnen im BvDU Seminar, im Berufspolitischen Forum, dem Niederlassungsseminar und der Mitgliederversammlung. Zu den in dieser Ausgabe beleuchteten Themen, wie das Ambulante Operieren oder die Digitalisierung, werden im Rahmen des Berufspolitischen Teils des Kongresses weitere Facetten hinzukommen.

Ihre Catrin Steiniger

Herausgeberin/Präsidentin des Berufsverbands der Deutschen Urologen e. V.