Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Verfassen des folgenden Textes fühlt sich surreal an, da heute am 26.03.2020 bereits die meisten Urologischen Universitätskliniken mit einem deutlich reduzierten Operationsprogramm arbeiten. Wir alle bereiten uns auf den vollen Impact der Corona-Pandemie vor. Inwieweit diese zum Zeitpunkt des Erscheinens des vorliegenden Heftes bereits kontrolliert ist, kann heute niemand absehen. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie erscheinen viele Herausforderungen in Bezug auf Prostatakarzinome relativ. Nichtsdestotrotz dürfen wir nicht vergessen, dass in Deutschland immer noch mehr als 14.000 Männer pro Jahr am Prostatakarzinom versterben. In den letzten Jahren wurden erfreulicherweise viele wegweisende Studien durchgeführt und therapeutische Fortschritte erzielt, so dass wir glauben, dass Ihnen die Lektüre des nachfolgenden Heftes Freude bereiten wird.

Im ersten Übersichtsartikel von Knipper et al. werden Therapiekonzepte bei primär oligometastasierten Männern besprochen. Hier hat sich Dank der Ergebnisse der STAMPEDE-Studie der Behandlungsalgorithmus geändert, so dass bei Patienten mit niedriger Metastasenlast der Primarius behandelt wird. Inwieweit sich Ergebnisse zur Strahlentherapie auf die radikale Prostatektomie übertragen lassen ist unklar und Studien hierzu müssen durchgeführt und von uns allen unterstützt werden. Im nachfolgenden Artikel von Thomas und Ohlmann geht es um die intensivierte Systemtherapie von Männern mit polytop metastasierten hormonsensitiven Prostatakarzinomen. Hier liegen mittlerweile viele Studienergebnisse vor und die Möglichkeiten in Bezug auf Auswahl und Einsatz der verschiedenen Therapien werden umfassend diskutiert. Anschließend geben von Amsberg und Merseburger einen wertvollen Überblick über die aktuelle Therapie des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms. Hier kommen zahlreiche uns gut bekannte und etablierte Wirkstoffgruppen zum Einsatz. Darüber hinaus gibt es jedoch auch neue zielgerichtete Medikamente wie PARP-Inhibitoren oder die PSMA-Radioligandentherapie. Durch molekulare Analysen von Tumorgewebe, zirkulierenden Tumorzellen und freier Tumor-DNA wird immer wahrscheinlicher, dass die personalisierte Medizin auch in der Therapie des Prostatakarzinoms Einzug halten wird.

Nach diesem Übersichtsartikel folgen zwei weitere Arbeiten zur PSMA-Radioligandentherapie sowie molekular zielgerichteten Therapien, die tiefergehend behandlungsrelevante Details beleuchten. In der ersten Arbeit der Kollegen Bögemann und Herrmann werden die vorliegenden Ergebnisse zur PSMA-Radioligandentherapie für den Urologen gut verständlich aufbereitet. Der Artikel von Grüllich et al. wiederum gibt einen detaillierten Überblick über die Mechanismen der DNA-Reparaturdefizienz sowie Tumorimmunologie beim Prostatakarzinom. Hierzu gibt es ausgesprochen spannende Ansätze, aber im Vergleich zu Nieren- und Blasentumoren ist der Weg in die klinische Routine noch weit. Interessanterweise ist auf diesem Gebiet auch die Firma CureVac aktiv, die derzeit wegen eines möglichen Corona-Impfstoffs prominent in den Medien besprochen wird. Abschließend beschreibt Fr. Hübner den wichtigen Bereich der komplementären Medizin in der Uroonkologie. Diese bietet insbesondere die Chance, Betroffene aktiv einzubinden. Fr. Hübner gibt wertvolle Hinweise, von welchen unseriösen Alternativmedizinangeboten abgeraten werden sollte und wie stattdessen die komplementäre Medizin im Bereich des Nebenwirkungsmanagements wertvolle Beiträge leisten kann.

Wir glauben fest, dass Ihnen die Lektüre der nachfolgenden Artikel Freude bereitet und zu guter Letzt auch Ablenkung vom Corona-Virus bietet.

Mit kollegialen Grüßen

Univ.-Prof. Dr. Boris Hadaschik

Univ.-Prof. Dr. Axel Merseburger