Im Rahmen der Androgendeprivationstherapie (ADT) bei Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom (fPCa) wird anhand der „number needed to treat“ (NNT) für kardiovaskuläre (KV-)Ereignisse die Kosteneffektivität für GnRH-Antagonisten beschrieben.

Hintergrund

Zur gesundheitsökonomischen Bewertung und Vergleich von medizinischen Interventionen werden in der Regel Ergebnisse aus klinischen Studien herangezogen. Dies kann z. B. im Rahmen einer Kosteneffektivitätsanalyse (KEA) geschehen, wobei die medizinischen Outcomes zu den einzusetzenden Kosten in Bezug gesetzt werden und die Ergebnisse verschiedener Therapiealternativen verglichen werden können [3].

Die Task Force zur Verwendung gesundheitsökonomischer Informationen bei Therapieentscheidungen im Gesundheitswesen der internationalen Gesellschaft für Pharmaökonomie und Outcomes Research stellte im Rahmen einer systematischen Literaturrecherche fest, dass die NNT häufig als Entscheidungshilfe von Ärzten verwendet wird und dass die NNT im Rahmen einer KEA Ärzten helfen kann, Ergebnisse aus gesundheitsökonomischen Studien besser zu verstehen und anzuwenden [11].

Die vorliegende gesundheitsökonomische Evaluation befasst sich unter Verwendung der NNT mit der KEA zweier Hormontherapien, die beim fPCa eingesetzt werden. Als Outcome wird die Verhinderung von KV-Ereignissen oder Tod anhand der NNT herangezogen. Die NNT gibt dabei die Anzahl von Patienten an, die über einen bestimmten Zeitraum eine neue Therapie anstelle einer Standardbehandlung erhalten müssen, um ein KV-Ereignis zu verhindern.

Aktuelle Studien und Übersichtsarbeiten legen nahe, dass unter ADT bei Patienten mit fPCa und einer KV-Vorgeschichte ein erhöhtes Risiko für erneute KV-Ereignisse besteht [6, 20, 30]. Dieses Risiko scheint zwischen den GnRH-Agonisten Leuprorelin und Goserelin und -Antagonisten unterschiedlich ausgeprägt, wobei der etwas teurere GnRH-Antagonist ein vorteilhafteres Risikoprofil aufweist [2].

Fragestellung

In dieser Studie wurde untersucht, ob der Einsatz von Degarelix im Vergleich zu Leuprorelin im Rahmen einer ADT-Behandlung von Patienten mit einem fPCa und einer KV-Vorgeschichte kosteneffektiv ist.

Methodik

Bei der Betrachtung der Kosten wurde die Perspektive der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eingenommen, da es sich um den relevanten Kostenträger für Leistungen zur Therapie des PCa handelt. Die Betrachtung bezieht sich auf den Zeitraum eines Jahres.

Zur Beantwortung der Fragestellung wurden die Ergebnisse einer gepoolten Analyse von sechs randomisierten und kontrollierten Studien herangezogen, die zum Vergleich der GnRH-Agonisten Leuprorelin und Goserelin mit dem GnRH-Antagonisten Degarelix vorliegen [2]. Dabei wurden ausschließlich KV-Ereignisse oder Tod im Rahmen der Hormontherapie bei Patienten mit fPCa betrachtet.

Die Population der eingeschlossenen Studien (Tab. 1) umfasst 2328 hormontherapienaive Männer mit einem histopathologisch bestätigten PCa, einem ECOG-Score <2 und einer Mindestlebenserwartung von 12 Monaten. Patienten mit einer weiteren Krebsdiagnose in den letzten 5 Jahren vor Studieneinschluss wurden nicht eingeschlossen.

Tab. 1 Übersicht berücksichtigter Studien

In der Studie wurde ein kombinierter Endpunkt aus KV-Ereignissen und Tod jeglicher Ursache betrachtet. KV-Ereignisse wurden als folgende schwere unerwünschte Ereignisse definiert: Myokardinfarkt, ischämisches zerebrovaskuläres Ereignis, hämorrhagisches zerebrovaskuläres Ereignis, arterielle Embolie und thrombotisches Ereignis, andere ischämische Herzerkrankung.

Des Weiteren wurde die Subgruppe der Patienten analysiert, die bereits ein KV-Ereignis in der Vorgeschichte hatten (Tab. 2). Die Auswertungen wurden mittels Kaplan-Meier-Kurven und Log-rank-Tests durchgeführt, um die Zeit bis zum KV-Ereignis oder zum Tod zwischen den Interventionen zu vergleichen.

Tab. 2 KV-Ereignisse nach Albertsen et al. [2]

Die Analyse ergab, dass bei Männern mit vorbestehender KV-Erkrankung das Risiko von KV-Ereignissen innerhalb des ersten Jahres nach Einleitung einer ADT bei GnRH-Antagonisten im Vergleich zu den erwähnten GnRH-Agonisten signifikant niedriger war (Hazard Ratio 0,44; 95 %-Konfidenzintervall 0,26–0,74; p = 0,002). Hierbei wurde eine 56 %ige relative Risikoreduktion von KV-Ereignissen oder Tod unter einer Therapie mit GnRH-Antagonisten festgestellt. Die absolute Risikoreduktion innerhalb des ersten Jahres unter Behandlung mit Degarelix betrug 8,2 Prozentpunkte.

In einem ersten Schritt wurden zunächst die relevanten NNT mittels des Statistikprogramms „R“ nachvollzogen, um durch Angabe der Konfidenzintervalle die Robustheit der NNT zu belegen. Die Berechnungen wurden mit der metaanalytischen Methode der „inverse variance“ mit dem Simonian-Laird Estimator für Tau2 durchgeführt.

Das Ergebnis der gepoolten Analyse (NNT = 12) diente als Grundlage für eine Schätzung der Auswirkungen von Degarelix auf das Budget der GKV („budget impact“). Dabei stellt die Analyse für 12 Patienten die zusätzlichen Arzneimittelkosten der Degarelix-Therapie den Kosten für ein (vermiedenes) KV-Ereignis gegenüber (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Struktur der ökonomischen Analyse

Basierend auf dem kombinierten Endpunkt aus KV-Ereignissen oder Tod wurde die Analyse unter der Annahme durchgeführt, dass die Todesfälle auf kardiovaskuläre Ereignisse zurückzuführen sind.

Arzneimittelkosten

Bei der Auswahl des Vergleichspräparats und der Ermittlung der Arzneimittelkosten wurde auf Angaben im ABDA-Artikelstamm und die Ergebnisse einer Analyse von Verordnungsdaten von „IMS Health“ zurückgegriffen. Dabei wurde das verordnungsstärkste Leuprorelin-Präparat als primärer Komparator gewählt. Als Arzneimittelkosten gehen dabei jeweils die GKV-Kosten pro Packung ein, die sich aus dem Apothekenabgabepreis nach Abzug der gesetzlichen Rabatte der pharmazeutischen Hersteller und der Apotheken ergeben (§§ 130, 130a SGB V). Hinzu kommen sich aus den Fachinformationen ergebende Kosten für zusätzlich notwendige Leistungen zu Lasten der GKV im Rahmen der Therapie (zGKV-L.). Die relevanten Kosten wurden dabei in Anlehnung an § 4 Abs. 8 der Arzneimittelnutzenverordnung (AM-NutzenV, G‑BA) ermittelt. So wurden nur die Leistungen aufgeführt, bei denen es regelhaft Unterschiede zwischen den zu vergleichenden Interventionen gibt.

Ereigniskosten

Die Kosten für ein KV-Ereignis wurden aus den folgenden Bereichen ermittelt: (1) Notfallversorgung, (2) Behandlung im Krankenhaus und (3) Rehabilitation.

Für die Ermittlung der Kosten für die Notfallversorgung sind im Rahmen des § 60 SGB V (Fahrkostenregelung) und der Krankentransport-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (RL-Krankentransport, G‑BA) verschiedene Beförderungsmittel möglich. Welches Beförderungsmittel zu verordnen ist, ist anhand der zwingenden medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu entscheiden (§ 12 SGB V). Bei den hier betrachteten KV-Ereignissen kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein schnelles medizinisches Eingreifen notwendig ist. Dabei wird in aller Regel der Betroffene mittels Rettungsfahrt (§ 5) bzw. Krankentransport (§ 6) in das nächstmögliche Krankenhaus gebracht.

Aus § 5 (3) SGB V geht hervor, dass Rettungswagen (RTW), Notarztwagen (NAW) oder Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) bei Patienten verordnet werden können, „bei denen vor oder während des Transportes lebensrettende Sofortmaßnahmen durchzuführen oder zu erwarten sind, für die ein Notarzt erforderlich ist“. Aus Veröffentlichungen der AOK NordWest geht hervor, dass sowohl RTW und NEF bei KV-Ereignissen verordnet werden, da der Notarzt üblicherweise nicht gemeinschaftlich mit dem Rettungswagen ausrückt [25]. Da sowohl argumentiert werden kann, dass nicht bei allen KV-Ereignissen lebensrettende Sofortmaßnahmen und damit ein Notarzt notwendig ist, auf der anderen Seite aber auch bei Ereignissen dieser Art ein teurerer Rettungshubschrauber zum Einsatz kommen kann, wird hier angenommen, dass sowohl RTW als auch NEF zum Einsatz kommen.

Um die Kosten für die Notfallversorgung durch Krankentransporte mit notärztlicher Begleitungserfordernis zu ermitteln, wurden regionale Vergütungsvereinbarungen herangezogen, da die Vergütungen zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern regional individuell vereinbart werden. Durch eine Freihandsuche im Internet wurden Vereinbarungen aus unterschiedlichen Regionen ermittelt. Da die Vergütungen zwischen städtischem und ländlichem Raum differieren, wurden aus den identifizierten Vergütungsvereinbarungen Entgeltmittelwerte für RTW und NEF gebildet [5, 9, 14, 19, 26, 28, 29]. Diese Mittelwerte wurden dann zu den Gesamtkosten für die Notfallversorgung summiert.

Die Kosten für die Krankenhausbehandlung von KV-Ereignissen wurden anhand von ICD-Schlüsseln operationalisiert (ICD-10-2014, Tab. 3), als Hauptdiagnose genutzt und per DRG-Browser des InEK (Datenjahr 2014) abgefragt. Es wurden aus Gründen der Repräsentativität nur solche DRG eingeschlossen, die innerhalb der jeweiligen Hauptdiagnose eine Fallzahl von mindestens 100 Patienten aufwiesen.

Tab. 3 Endpunktoperationalisierung zur Kostenermittlung

Da die Vergütung der Krankenhäuser auf einer Fallzahldatenbasis und einem zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft vereinbarten Bundesbasisfallwert (BBFW) aus unterschiedlichen Jahren basiert, wurden die Fallkosten anhand des BBFW für 2016 (3311,98 €) und dem DRG-Katalog 2014 bestimmt [13]. Um einen Kostenpunkt für alle betrachteten Endpunkte zu ermitteln, wurde eine Gewichtung nach Fallzahlen vorgenommen.

Die Tagessätze für eine rehabilitative Maßnahme wurden anhand eines „Gutachtens zur aktuellen und perspektivischen Situation der Einrichtungen im Bereich der medizinischen Rehabilitation“ der GEBERA ermittelt. Für das Gutachten wurden verschiedene Rehabilitationseinrichtungen (n = 187) nach den Vergütungen für Heilverfahren, Anschlussheilbehandlungen und ambulanter Rehabilitationen im Rahmen der GKV befragt [4].

Eine Einschränkung bei der Rehabilitationsleistung auf Patienten im Rentenbezug – also über 65 Jahren – wurde vorgenommen, da der Erkrankungsgipfel bei Patienten mit PCa laut dem Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) und dem Robert Koch-Institut (RKI) über 65 Jahren liegt und die GKV für Rehabilitationsleistungen nur bei Patienten im Rentenbezug der Kostenträger ist. Die Kosten für eine kardiologische Rehabilitation, die nach KV-Ereignissen üblich ist, sind für Patienten im Rentenbezug, die rehabilitationswillig und -fähig sind, von der GKV zu tragen. Gemäß der ZfKD und RKI-Daten kann davon ausgegangen werden, dass PCa-Patienten in der Mehrheit (75,41 %) das 65. Lebensjahr erreicht haben bzw. bereits im Rentenbezug sind [23].

Die Tagessätze neurologischer Rehabilitationen nach Schlaganfall sind möglicherweise höher, waren aber nicht valide zu ermitteln. Daher wurden ausschließlich Kosten für eine kardiologische Rehabilitation angewendet.

Sensitivitätsanalysen

Zur Sicherung der Ergebnisse wurden folgende Sensitivitätsanalysen vorgenommen: (1) Vergleich mit dem günstigsten auf dem Markt befindlichen Leuprorelin-Präparat, (2) Ermittlung der stationären KV-Ereigniskosten aus einer GKV-Routinedatenanalyse.

Ergebnisse

Die Ermittlung der NNT aus der Arbeit von Albertsen et al. ergab über alle sechs Studien 12,2 (95 %-KI 7,6–30,8). Gerundet ergibt sich eine NNT von 12 Patienten, welche mit GnRH-Antagonisten im Vergleich zu den GnRH-Agonisten Leuprorelin und Goserelin behandelt werden müssen, um ein KV-Ereignis oder Tod zu verhindern.

Therapieinduzierte Arzneimittelkosten

Die Mehrkosten im Rahmen der Dauertherapie, welche der GKV durch die Behandlung mit Degarelix im Vergleich zu einer Behandlung mit GnRH-Agonisten (hier Leuprorelin) entstehen, wurden anhand der Präparate Firmagon® 80 mg, Trenantone® 11,25 mg (als verordnungsstärkstes Leuprorelin-Präparat, 34,5 % der Verordnungen in 10/13–09/14 [16]) und Leuprone® HEXAL 5 mg (als Sensitivitätsanalyse) ermittelt.

Aus der Fachinformation zu Degarelix geht eine 2‑mal jährliche Überprüfung des Testosteron-Wertes (Gebührenordnungsposition [GOP] 32.358 à 5 €) des aktuellen einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM, 2. Quartal 2016) und des PSA-Wertes (GOP 32.351 à 4,80 €) hervor [10]. Bei der Anwendung von Leuprorelin-Präparaten ist laut Fachinformation der Testosteron-Wert 4‑mal zu überprüfen. Außerdem sind eine initiale Antiandrogengabe und die 2‑malige Überprüfung der sauren Phosphatase (GOP 32.079 à 0,25 €) erforderlich ([15, 27]; Tab. 4). Hieraus ergeben sich die Jahrestherapiekosten in der Dauertherapie aus Sicht der GKV pro Patient (Anzahl Packungen pro Jahr x GKV-Kosten pro Packung + Kosten für zusätzlich notwendige GKV-Leistungen; Tab. 5). Beim Vergleich von Firmagon® mit Trenantone® beträgt die Kostendifferenz pro Patient 259,28 €. Im Vergleich zum günstigsten Leuprorelin-Präparat beträgt die Differenz 629,18 €.

Tab. 4 Kosten zusätzlich notwendige GKV-Leistungen
Tab. 5 Arzneimittelkosten pro Patient

Behandlungskosten kardiovaskulärer Ereignisse

Als Kosten für die Notfallversorgung ergab die Recherche von Entgeltvereinbarungen, eine Spannweite von 336,61–738,00 € für ein NEF und 235,00–932,23 € für ein RTW. Die Mittelwerte der Entgeltvereinbarungen betragen für ein NEF 474,36 € und für ein RTW 491,06 €. Somit beträgt die Summe der Mittelwerte für ein NEF und ein RTW 965,42 €, welche als Kosten für die Notfallversorgung angenommen wurden.

Die Kosten für die Krankenhausbehandlung bei einem KV-Ereignis, ermittelt durch eine Gewichtung der Fallzahlen, betragen über alle relevanten Krankenhausfälle 5739,40 € (Tab. 6).

Tab. 6 Stationäre Kosten – relevante DRG

Zu den Kosten der Rehabilitation heißt es im Gutachten der GEBERA: „Die aktuellen Tagessätze [2010] in der Kardiologie bewegen sich zwischen 90 € und 123 €, wobei die Mediane je nach Rehabilitationsträger zwischen 110 € und 114 € betragen“ [7].

Die Tagessätze einzelner Einrichtungen erwiesen sich als schwieriger zu recherchieren, da diese individuell zwischen den Einrichtungen und Kostenträgern verhandelt werden. Durch eine Freihandrecherche konnte zusätzlich der Tagessatz einer Einrichtung recherchiert werden, der sich mit den Ergebnissen des Gutachtens deckt.

Es wurde mit dem Mindestmedian von 110 € pro Tag aus der GEBERA-Umfrage weiter gearbeitet. Daraus ergeben sich bei einer Rehabilitationsdauer von mindestens 3 Wochen Rehabilitationskosten in Höhe von 2310 €. Wird hierauf die Quote der PCa-Patienten im Rentenbezug angewendet (75,41 %), ergeben sich pro Patient Kosten in Höhe von 1741,97 € für eine kardiologische Rehabilitation.

Insgesamt wurden somit KV-Ereignis-induzierte Gesamtkosten für die Notfallversorgung, die Behandlung im Krankenhaus und für die Rehabilitation in Höhe von 8446,79 € in die Kalkulation einbezogen (Tab. 7).

Tab. 7 KV-Ereignis-induzierte Gesamt-GKV-Kosten

Gegenüberstellung

Bei 12 mit Degarelix behandelten PCa-Patienten mit KV-Vorgeschichte entstehen im Vergleich zu Trenantone® zusätzliche Arzneimittelkosten in Höhe von 3111,36 €. Demgegenüber würden durchschnittliche Kosten für ein KV-Ereignis in Höhe von 8446,79 € verhindert. Somit besteht eine Mehrausgabe in Höhe von 5335,43 € für 12 Patienten bei der Behandlung mit Trenantone®. Dies entspricht im Basisfall einer jährlichen Einsparung in Höhe von 444,62 € pro PCa-Patient mit KV-Vorgeschichte, wenn er mit Degarelix statt Leuprorelin behandelt würde (Tab. 8).

Tab. 8 NNT-induzierte GKV-Einsparungen

Sensitivitätsanalysen

Bei der Behandlung von 12 Patienten mit Degarelix anstelle von Leuprone® HEXAL ergeben sich 7550,16 € Arzneimittelmehrkosten. Bei gleichbleibenden Kosten für ein KV-Ereignis in Höhe von 8446,79 € ergibt sich eine Einsparung pro Patient von 74,72 €, wenn alle 12 Patienten mit Degarelix behandelt werden.

Bezieht man die Ergebnisse einer GKV-Routinedatenanalyse zu den tatsächlichen Kosten eines Herzinfarktes (9875 €) bzw. Schlaganfalls (9366 €) mit ein, ergeben sich fallzahlgewichtete durchschnittliche Krankenhauskosten von 6850,11 € und Gesamtkosten für ein KV-Ereignis von 9557,50 € [24]. Hieraus ergeben sich gegenüber der Leitsubstanz Trenantone® Einsparungen von 537,18 € pro Patient und Jahr (NNT 12; 3111,36 € NNT-induzierte Arzneimittelmehrkosten).

Diskussion

Mit dieser Studie liegt der erste Vergleich zur Kosteneffektivität verschiedener ADT-Präparate für die Patientengruppe mit fPCa und einer kardiovaskulären Vorgeschichte vor. Die NNT hat sich in der Medizin und Gesundheitsökonomie als ein Instrument etabliert, um die Effektivität einer Therapie besser einzuschätzen und begreifbar zu machen. So kann der „budget impact“ für die GKV verschiedener Therapien mit einer Kennzahl dargestellt werden, die für alle Akteure im Gesundheitswesen (Kostenträger, Ärzte und mit Einschränkungen auch Patienten) allgemeinverständlich ist. Das heißt anhand der NNT können therapieinduzierte Mehrkosten oder Einsparungen abgebildet werden. Eine gute Übersicht an Praxisbeispielen bietet das systematische Review von Moore, McQuay oder das arznei-telegramm [1, 21].

Die Mehrkosten für eine Therapie mit Degarelix werden durch die verhinderten Kosten für KV-Ereignisse auch unter Berücksichtigung von Sensitivitätsanalysen überkompensiert. Durch eine zielgerichtete Therapieauswahl für PCa-Patienten, welche vor Einleitung einer medikamentösen ADT ein KV-Ereignis erlitten haben, könnte die GKV durchschnittliche Kosten zwischen 74,72–537,18 € pro Patient einsparen. Dies bedeutet, dass die Behandlung mit Degarelix bei Patienten mit einem fPCa kosteneffektiv ist.

Aus Sicht der Kostenträger entstehen Kostenaufwand und Kosteneinsparungen in der vorliegenden Analyse jedoch in unterschiedlichen Sektoren. Dies könnte ein Ansatz für eine integrierte Versorgung der untersuchten Patientengruppen bieten. Neben der positiven Bilanz zur Kosteneffektivität kommen aus Sicht der Patienten bei der Vermeidung von kardiovaskulären Ereignissen auch Faktoren wie gewonnene Lebensqualität hinzu.

Durch die in der vorliegenden Studie gezeigten Sensitivitätsanalysen ist die Kosteneffektivität für eine Degarelix-Therapie für PCa-Patienten mit einer Vorgeschichte an KV-Ereignissen auch unter geänderten Annahmen bestätigt, womit ein Argument gegen Verordnungseinschränkungen gegenüber Kassenärztlichen Vereinigungen gegeben ist.

Limitationen der Studie sind der kombinierte Endpunkt aus kardiovaskulären Ereignissen oder Tod und die daraus resultierende Berechnung der NNT auf Basis einer gepoolten Post-hoc-Analyse von KV-Ereignissen. Demnach sind weitere gesundheitsökonomische Evaluierungen erforderlich, welche auf klinischen Studien mit einem direkten Vergleich von KV-Ereignissen bei GnRH-Agonisten und GnRH-Antagonisten basieren. Die Ergebnisse der PRONOUNCE-Studie [31], welche die kardiovaskuläre Sicherheit von Degarelix im Vergleich zu Leuprorelin untersucht, können für eine Validierung und Aktualisierung der Ergebnisse aus der vorliegenden Evaluation herangezogen werden.

Außerdem sind weitere Studien zu den tatsächlich entstehenden Kosten geplant, um den in dieser Studie betrachteten Sachverhalt in der Behandlungsrealität zu untersuchen. Dies wäre z. B. in Kooperation mit einer Krankenkasse möglich.

Fazit für die Praxis

  • Degarelix ist im Vergleich zu Leuprorelin für fPCa-Patienten mit einer kardiovaskulären Vorgeschichte kosteneffektiv.

  • Die präparatbezogenen Mehrkosten bei einer Therapie mit Degarelix im Vergleich zu einer Therapie mit Leuprorelin werden für fPCa-Patienten mit einer kardiovaskulären Vorgeschichte durch vermiedene Kosten für ein KV-Ereignis um durchschnittlich 444,62 € pro Patient überkompensiert.

  • In den Sensitivitätsanalysen wurde gezeigt, dass Degarelix auch bei einem Vergleich der Therapiekosten mit dem günstigsten und nicht dem verordnungsstärksten Leuprorelin-Präparat, oder wenn Kosten für Herzinfarkt und Apoplex basierend auf GKV-Routinedaten herangezogen werden, kosteneffektiv ist (durchschnittliche Einsparungen von 74,72 € pro Patient, bzw. 537,18 € pro Patient).

  • Kostenaufwand und Kosteneinsparungen entstehen bei der Behandlung von fPCa-Patienten mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse in unterschiedlichen Sektoren. Hierin könnte ein Ansatz zur integrierten Versorgung der untersuchten Patientengruppe liegen.