Die politischen Rahmenbedingungen machen eine strategische Positionierung unseres Fachgebiets notwendig. Der Nationale Krebsplan der Bundesregierung fordert seit 2009 eine Neuordnung der onkologischen Strukturen. Dabei wird die Entwicklung von zertifizierten Onkologischen Zentren und Onkologischen Spitzenzentren („Comprehensive Cancer Centers“) gefordert. Diese müssen zertifiziert sein, entweder nach den Richtlinien der Deutschen Krebsgesellschaft, oder es bietet sich dafür alternativ auch die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie & Onkologie (DGHO) an, deren Zertifikat vielleicht etwas leichter zu bekommen ist, allerdings mit dem Pferdefuß, dass das Onkologische Zentrum dann unter der Leitung des Hämatoonkologen steht und die systemische Chemotherapie „zentralisiert“ wird. Krankenhäuser stehen nun unter dem Druck, ein zertifiziertes „Zentrum“ sein zu müssen oder sein zu wollen. Schon bei der Zertifizierungsfrage werden also Weichen gestellt, die sich mittelbar auch auf die ambulante Versorgung auswirken werden. Unter dem Label „interdisziplinär“ wird oft versucht, ein hämatoonkologisches Monopol zu erreichen. Zusätzlich wird im Entwurf des Versorgungsgesetzes mit der geplanten Neufassung des § 116b SGB V die Möglichkeit der spezialärztlichen Versorgung zusätzlich zum ambulanten niedergelassenen Bereich auch für den ambulanten Krankenhaussektor vorgesehen.

All diese Veränderungen betreffen direkt unser Kerngebiet, die Uroonkologie. Zwei große Konfliktbereiche gilt es zu bearbeiten: Erstens müssen wir dem Anspruch anderer Fachgebiete, die Onkologie als Ganzes und dann auch noch besser vertreten zu können, gemeinsam entgegentreten. Zweitens müssen wir innerhalb der Urologie die Arbeitsteilung und die Vernetzung zwischen ambulant und stationär, zwischen Niedergelassenem, Belegarzt und Klinik definieren und strukturieren. Dies sollte am besten geschehen, bevor andere es für uns tun.

Als Reaktion auf die politischen Vorgaben haben die Deutsche Gesellschaft für Urologie, der Berufsverband der Deutschen Urologen und die Arbeitsgemeinschaft „Urologische Onkologie“ (AUO) der Deutschen Krebsgesellschaft ein Positionspapier zur urologischen Onkologie erstellt, welches nachfolgend abgedruckt ist. Dieses Papier wurde als offener Brief allen gesundheitspolitischen Institutionen und berufspolitischen Standesvertretungen zugeleitet, ebenso wurde es allen Mitgliedern von DGU und BDU zugeschickt. Ein weiteres detailliertes Dokument zu den Anforderungskriterien der DKG-Zertifizierung für Onkologische Zentren wurde ebenfalls von DGU, BDU und AUO erarbeitet und der DKG zugesandt.

Es ist ein bescheidener Erfolg, DGU, BDU und AUO zu gemeinsamen Positionen zu bewegen. Denn die Sorge der Vertreter von niedergelassenen Urologen geht dahin, dass die Kliniken alles an sich ziehen wollen, die Sorge der onkologisch ausgerichteten Spezialisten besteht darin, dass der Widerstand der Niedergelassenen dazu führen wird, dass der gesundheitspolitische Zug mit der hämatoonkologischen Lokomotive abgefahren sein wird, bevor die Urologen sich zusammenfinden.

Wichtig ist, dass Letzteres verhindert wird, wenn es nicht schon zu spät ist. Es muss allen klar sein, dass es um die Zukunft der Urologie geht und dass es damit um die Arbeit der Kollegen von morgen geht. Sektorale Befindlichkeiten und Besitzstandswahrung als politische Ziele werden nur dazu führen, dass andere Kräfte bestimmen. Deshalb müssen wir gemeinsam als deutsche Urologie auftreten.

So muss die Urologie die Kriterien zur Behandlung uroonkologischer Tumoren in Onkologischen Zentren maßgeblich selbst definieren und dies nicht gesundheitspolitischen Gremien überlassen. Gefordert wird in dem Positionspapier auch eine Neudefinition der Onkologievereinbarung, die ohnehin schon föderal völlig unkontrolliert ist und einer patientenschädlichen Indikationsausweitung Vorschub leistet.

Konkretisierung der uroonkologischen Weiterbildung in der Weiterbildungsordnung

Zusätzlich wird eine Neudefinition der uroonkologischen Weiterbildung in der Weiterbildungsordnung angestrebt. Dieser Punkt erregt bislang am meisten Kritik aus den Reihen besonders der niedergelassenen Kollegen, da dies vermeintlich den Facharzt abwerten würde. Wie kaum ein anderes Fachgebiet wurde die Urologie durch Auslagerungen aus dem Facharzt in den letzten Jahren beschnitten (Andrologie, medikamentöse Tumortherapie, fachgebundenes Röntgen, Labor, Mikrobiologie). Die Musterweiterbildungsordnung wird vom Deutschen Ärztetag beschlossen, der mehrheitlich aus Hausärzten und Internisten besteht. Eine einfache Reintegration ist politisch gegenwärtig kaum durchsetzbar. Was das Positionspapier fordert, ist der „Parallelerwerb“ für die medikamentöse Tumortherapie (d. h. während der Weiterbildungszeit zum Facharzt an Kliniken, in denen die Systemtherapie auch von der Urologie durchgeführt wird). Denn klar sein muss, dass die Kompetenz der Chemotherapie nur dann vorhanden sein kann, wenn sie auch erlernt wurde. Zusätzlich dazu soll die Möglichkeit der „Onkologischen Urologie“ definiert werden [mit komplexer Tumorchirurgie und komplexer Systemtherapie (z. B. metastasiertes Blasenkarzinom, metastasierter Hodentumor, Sekundärtherapie)].

Da der Facharzt für Urologie allein nicht immer ausreichende Qualifikation für große tumorchirurgische Eingriffe und solche komplexen Systemtherapien bietet, soll unser onkologischer Schwerpunkt durch eine solche operativ und medikamentös geprägte 2-jährige Weiterbildung gefördert werden. Eine solche Schwerpunktbezeichnung wird niemanden, der heute niedergelassen ist, in seiner Tätigkeit tangieren, sondern soll das Fach besser positionieren, um interdisziplinär in den Kliniken auch in Zukunft onkologisch kompetent dastehen zu können.

J.A. Steffens

O.W. Hakenberg