Die Regierung müsse einen Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform vorlegen, erst dann seien Konsensgespräche möglich, bekräftigte kürzlich Herr Seehofer die zentrale Forderung der Opposition im Zusammenhang mit den Eckpunkten dieses Gesetzesvorhabens, die die Ministerin Ulla Schmidt einer wenig beeindruckten Öffentlichkeit am 5. Februar präsentierte.

In der Tat, gegenüber den im Koalitionsvertrag 2002–2006 genannten Inhalten eines Reformvorhabens im Gesundheitswesen finden sich auch jetzt keine zündenden und der Finanzmisere der Krankenkassen hilfreichen und notwendigen neuen Gedanken. Hat Frau Schmidt eigentlich ihre vollmundigen Aussagen, die Krankenkassenbeiträge würden nicht steigen und die Defizite der GKV würden sich in noch akzeptablen Bereichen bewegen, völlig vergessen? Mit keinem Wort finden sich im Eckpunktepapier Hinweise auf die Finanzierung des Vorhabens oder gar, wie man über eine Beitragssatzsenkung die Lohnnebenkosten zurückführen und damit einen erheblichen Beitrag zur wirkungsvollen Reduzierung der Arbeitslosenzahlen leisten will.

Man wartet nun auf die Ergebnisse des Darmstädter Ökonomen Bert Rürup, die die Einnahmenseite der GKV sanieren sollen. Mit den vorgestellen 8 Maßnahmen:

  • Stärkung der Patientensouveränität und -rechte,

  • Verbesserung der Patientenversorgung,

  • Verbesserung der Transparenz,

  • Entscheidungsfreiheit für Versicherte,

  • Modernisierung der Versorgung, Erweiterung der freien Arztwahl,

  • Weiterentwicklung des ärztlichen Vergütungssystems,

  • Verbesserung der Arzneimittelversorgung,

  • Modernisierung der Steuerung/Schaffung eines leistungsfähigen Managements.

Zur Modernisierung lassen sich vielleicht die Ausgaben, insbesondere zu Lasten der Fachärzte, konsolidieren, ob sie allerdings den erhofften Effekt auf eine gewünschte(?) Qualitätsverbesserung in der Patientenversorgung auslösen oder gar die Wirtschaftlichkeit sichern und die Beiträge stabilisieren, muss ernsthaft bezweifelt werden.

Ohne eine nachhaltige Verbesserung der Wirtschaftslage mit einer spürbaren Senkung der Arbeitslosenzahlen und nachhaltigen Einschnitten in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen kann die Finanzmisere im Gesundheitswesen nicht bewältigt werden. Unter dem Eindruck der satten Mehrheit der unionsgeführten Länder im Bundesrat nach den Landtagswahlen und des Patts zwischen Regierung und Opposition im Vermittlungsausschuss werden die Eckpunkte von der Gesundheitsministerin und der sie umgebenden Traditionalisten der SPD sowie der selbst ernannten Experten vom Kanzleramt und der Regierungskoalition bereits jetzt in Frage gestellt.

So hatte Franz Müntefering auf dem außerordentlichen Ärztetag am 18. Februar Distanz zu den Plänen der Ministerin erkennen lassen und die Reform-Eckpunkte als Teil eines "Meinungsbildes" abqualifiziert. Auf der gleichen Veranstaltung stellte die grüne Fraktionschefin Krista Sager u.a. die beitragsfreie Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bei Bestandsschutz für Ältere in Frage, was nicht im Konzept von Frau Schmidt vorgesehen ist. Die SPD-Fraktionsvize und ausgewiesene Sachkennerin des Gesundheitswesens Gudrun Schaich-Walch rüttelt gar an den Grundfesten der paritätischen Solidarität, den Arbeitgeberanteil bei den Krankenkassen zeitweise festzuschreiben. Parität und Eigenverantwortung der Bürger mit Zielrichtung einer Senkung der Lohnnebenkosten sollen also kein Tabuthema mehr sein.

Spitzenpolitiker der rot-grünen Koalition gehen auf deutliche Distanz zu ihrer Gesundheitsministerin. Man geht unübersehbar auf die Union zu, denn eine Gesundheitsreform zumindest ohne Festschreibung des Arbeitgeberanteils und ohne Eigenbeteiligung als wesentliche Strukturkomponenten wird mit der Opposition nicht zu machen sein. Insofern hat Frau Schmidt ihren einsamen Kampf einer ideologisch ausgerichteten Strukturreform mit Einstieg in eine Staatsmedizin bereits jetzt verloren. Allerdings darf nicht ohne Grund vermutet werden, dass es zu einem innerparteilichen Konsens kommen kann, den Hausärzten im Rahmen von Kollektivverträgen die Lotsenfunktion bei der Patientenversorgung zuzuordnen und den Krankenkassen die Sicherstellung einer flächendeckenden, ambulanten, fachärztlichen Versorgung durch Einzelverträge zu gestatten. Ähnliche Übereinstimmungen dürften dann auch zur Liberalisierung des Arzneimittelhandels erwartet werden.

Als Fazit aus den derzeitigen Diskussionen lässt sich gegenwärtig erkennen, dass sich das Gesundheitswesen unabhängig von der Lohnsumme entwickeln soll und somit steigende Belastungen der Gesundheitsausgaben überwiegend durch die Beitragszahler über Eigenbeteiligung und/oder Zusatzversicherungen selbst getragen werden müssen. Inwieweit dann noch zusätzlicher politischer Mut und Willen bleiben, durch Herausnahme von versicherungsfremden Leistungen, z. B. Empfängnisverhütung, Mütterkuren, Mutterschaftsgeld, Sterbegeld etc., eine weitere positive Entwicklung der Beitragssatzhöhe zu erzielen, bleibt abzuwarten. Für die fachärztliche Versorgungsebene sind in jedem Fall einschneidende und folgenschwere Veränderungen zu erwarten. Es bleibt also spannend, wie der erste Gesetzesentwurf im Mai aussehen wird und wie dann die gespaltene Ärzteschaft darauf reagieren kann oder will.

K. Schalkhäuser