Liebe Leserinnen und Leser,

geben Sie TPS bei „Doctor G.“ ein, werden Sie erstaunt sein – von Theorie und Praxis der Sozialpädagogik über Terephthalsäure bis zum Toyota-Produktionssystem reicht die Begriffsbreite für diese Abkürzung. Von TPS als Akronym für Tumorprädispositionssyndrom und dessen Bedeutung für Die Radiologie ist weit und breit nichts zu finden. Und doch wird uns dieses Kürzel zunehmend beschäftigen. Knapp 10 % der Krebserkrankungen sind bedingt genetisch vermittelt, treten also bei Menschen auf, die eine vermehrte Neigung zu einer malignen Erkrankung haben. Diese Anlageträger frühzeitig zu identifizieren und in entsprechenden Zentren für Seltene Erkrankungen anzubinden, ist von gesteigertem Interesse. Eine rasche Zuordnung zum jeweiligen TPS (Li-Fraumeni-Syndrom, Neurofibromatose, Beckwith-Wiedemann-Syndrom, Bourneville-Pringle-Syndrom u. v. a. m.) und die Einbindung in Vorsorgeprogramme ist wichtig und hilfreich, um Tumoren nachzuweisen und zu charakterisieren, sobald sie auftreten. Die Betreuung Betroffener reicht weit über ein engmaschiges Screening (z. B. Sonographie von Abdomen und Nieren alle 3 Monate bis Ende des 7. Lebensjahres bei Kindern mit Denys-Drash-Syndrom, Beckwith-Wiedemann-Spektrum, WAGR-Spektrum) hinaus: Die betroffenen Familien benötigen soziale und psychoonkologische Betreuung, denn die Diagnose hat weitreichende Folgen für den Alltag, die Lebens- und Familienplanung sowie nicht zuletzt die Gesundheit – bis hin zu präventiven operativen Maßnahmen. Der Bildgebung kommt bei TPS eine wichtige Rolle zu – das Themenheft widmet sich daher einer Reihe dieser Syndrome und beschreibt das jeweilige Vorgehen im bilddiagnostischen Vorgehen bei Kindern und Jugendlichen. Diese aber sind werdende Erwachsene, sodass die Betreuung nicht mit dem 18. Lebensjahr endet. Da der Ganzköper-Magnetresonanztomographie (GK-MRT) hierbei eine besondere Bedeutung zukommt, wird sie in einem Beitrag gesondert hervorgehoben. Die (nicht so seltene) familiäre Brustkrebserkrankung (BRCA1/2) wurde bereits in früheren Heften behandelt. Die generelle Kenntnis einer genetisch vermittelt erhöhten Krebsdisposition ist für die Radiologie aber auch deswegen wichtig, weil in bestimmten Konstellationen eine gesteigerte Empfindlichkeit für die schädigenden Wirkungen ionisierender Strahlung vorliegt. So gibt es eine Reihe von genetischen Syndromen mit erhöhter Strahlensensitivität (z. B. Ataxia telangiectatica, Fanconi-Anämie, Rothmund-Thomson-Syndrom, Nijmegen-Breakage-Syndrom). Den (Kinder‑)Radiologen obliegt es in solchen Fällen, möglichst alternative Verfahren zur Bildgebung mit ionisierender Strahlung auszuwählen. Die Sonographie und MRT sind hier wann immer möglich zu bevorzugen. In Notfall- oder alternativlosen Situationen sollten besonders dosisreduzierte Protokolle verwendet und die Möglichkeiten des Strahlenschutzes ausgeschöpft werden.

Mit der Diagnostik allein ist es aber nicht getan. Keymling et al. beschreiben, wie sich bei Genträgern für das Li-Fraumeni-Syndrom mit der Zeit Diagnostikmüdigkeit einstellt, trotz des Wissens von der nahezu 100%igen Wahrscheinlichkeit, an einem lebensbedrohlichen Tumor zu erkranken. Die Betroffenen benötigen Menschen, die ihnen gegenübersitzen, die ihnen vertraut sind, und mit denen sie über all die Jahre eine Beziehung aufbauen können. Wer sich allein aufgrund eines genetischen Befunds oder einer früher einmal durchgemachten Erkrankung in irgendwelche Röhren stecken lassen soll – womöglich, ohne Anzeichen der Bedrohungen zu spüren – muss bei der Stange gehalten werden, und dies geht nur über das persönliche Gegenüber und das gesprochene Wort.

Ihre

Stefan Delorme

Hans-Joachim Mentzel

Diane Renz