Liebe Leserinnen und Leser,

lange bestand in der radiologischen Community der Eindruck, dass die Entwicklung der Magnetresonanztomographie (MRT) nur eine Richtung kennt – zu immer höheren Feldstärken. Die Argumente dafür lagen ja auf der Hand – die Bildqualität wurde mit steigender Feldstärke immer besser, und gleichzeitig konnten die Untersuchungen immer schneller durchgeführt werden. Die lineare Beziehung zwischen dem Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) und der Stärke des statischen Magnetfeldes war und ist dafür ein wichtiger, aber nicht der einzige bestimmende Faktor. Vielmehr haben die Stärke der Gradientenfelder, immer ausgeklügeltere Pulssequenzen, die parallele Bildgebung und „compressed sensing“ maßgeblich zur Optimierung der Bildqualität beigetragen. Nicht zu vergessen ist die künstliche Intelligenz (KI) im Sinne einer durch Deep-Learning-Algorithmen unterstützten Rekonstruktion.

Die MRT bei hohen Feldstärken hat aber beileibe nicht nur Vorteile. Sie ist verbunden mit hohen Anschaffungs‑, Unterhalts- und Betriebskosten und schränkt den Einsatz bei Patienten mit Implantaten erheblich ein. Fortschritt besteht nicht selten darin, vermeintlich widersprüchliche oder sogar unvereinbar erscheinende Elemente zusammenzubringen bzw. neu zu denken. In diesem Sinne arbeiten neu entwickelte Systeme der MRT bei niedrigen und mittleren Feldstärken und nutzen moderne Features, die in letzter Zeit für Hochfeldsysteme entwickelt wurden.

Was „hoch, mittel und niedrig“ ist, hängt oft mit dem Standort des Beobachters zusammen und kann sich im Laufe der Zeit verändern. In Bezug auf die Feldstärke eines Magnetresonanztomographen gilt ein Wert unter 0,5 T als niedrig, von 0,5 bis 1 T als mittel und über 1 T als hoch, auch wenn diese Definition nicht allgemein gebräuchlich ist. Was aber ist die Motivation, sich wieder intensiv mit der MRT bei niedrigeren Feldstärken zu beschäftigen? Geht es nur oder vorrangig darum, die Kosten zu senken? Jürgen Hennig hat seinen Artikel in diesem Themenheft überschrieben mit „Einfach nur kostengünstiger oder ganz anders?“ Er weist darauf hin, dass verschiedene technische und methodische Verfahren maßgeblich sind, um leistungsfähige Low- und Midfield-MRT zu konstruieren. Dazu zählt die Entwicklung trockener Magneten, d. h. supraleitender Magneten, die nur sehr wenig Helium benötigen und bei denen ein Nachfüllen von Helium entfällt. Um an eine mit modernen Hochfeldsystemen vergleichbare Bildqualität und Performance heranzukommen, wurden Komponenten und Techniken adaptiert, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten für die Hochfeld-MRT entwickelt wurden, wie Empfangsspulen mit vielen Einzelelementen zur parallelen Bildgebung und zum „compressed sensing“, starke und schnelle Gradienten und die künstliche Intelligenz. Gleichwohl muss das niedrigere SNR, zumindest vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, mit längeren Akquisitionszeiten und größeren Voxeln kompensiert werden.

Wir konnten besonders kompetente Autoren für dieses Themenheft gewinnen, denen wir sehr dafür danken, dass sie ihre ersten Erfahrungen mit der modernen Low- und Midfield-MRT mit uns und unseren Lesern teilen. Neben Aspekten der physikalisch-technischen Grundlagen werden wirtschaftliche Aspekte sowie die Ergebnisse der Untersuchung von verschiedenen Organsystemen und letztendlich der Feuerprobe im Einsatz in der Niederlassung behandelt.

Auch wenn die bisherigen Resultate als ermutigend angesehen werden, weisen die Experten darauf hin, dass für die verschiedenen Indikationen systematische Studien an ausreichend großen Patientenkollektiven mit validen Referenzmethoden ausstehen. Schlussendlich kommt es darauf an, diagnostisch zufriedenstellende Resultate zu erzielen und eine adäquate Versorgung der Patientinnen und Patienten sicherzustellen.

Die ökonomischen Vorteile der Low- und Midfield-MRT sind jetzt schon abzuschätzen. Der Anschaffungspreis, das niedrigere Gewicht, die geringere Größe des Geräts, die geringere Raumgröße für die Unterbringung des Scanners, die geringeren Kosten für Einbringung und Installation, die niedrigen Wartungskosten sowie der geringere Energieverbrauch für Untersuchungen und Kühlung führen insgesamt zu einer substanziellen Reduktion der „total costs of ownership“. Damit sollte die MRT auch in Low-income-Ländern leichter verfügbar werden und dazu beitragen, Engpässe in Ländern mit hoch entwickelten Volkswirtschaften zu reduzieren. Auf der Habenseite stehen aber nicht nur ökonomische Vorteile. Der CO2-Abdruck ist sehr viel kleiner, damit tragen die neuen Low-to-midfield-Geräte zu einer besseren Umweltverträglichkeit bei.

Weitere, praktisch sehr relevante Vorteile sind die wesentlich geringere Empfindlichkeit der Low- und Midfield-MRT gegenüber Suszeptibilitätsartefakten, sodass Patienten mit Implantaten, wie z. B. Endoprothesen, besser untersucht werden können. Die geringere Suszeptibilitätsempfindlichkeit kommt auch besonders der Bildgebung der Lunge entgegen, mit der eine CT-ähnliche morphologische Bildgebung möglich ist. Darüber hinaus können pulmonale MR-Angiographien, Perfusionsscans, Ventilationsscans mit endogenem Kontrastmittel (Sauerstoff) und eine nichtinvasive Lungenfunktionsdarstellung mit Hilfe der Fourier-Dekompositions-MRT (FD-MRT) durchgeführt werden, die sich lediglich auf durch Atmung und Pulsation des Blutes verursachte regionale Intensitätsschwankungen stützt. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass sich für die interventionelle Radiologie interessante Optionen ergeben.

Die rhetorische Frage von Jürgen Hennig „Einfach nur kostengünstiger oder ganz anders?“ lässt sich schon jetzt dahingehend beantworten, dass Low- und Midfield-MRT „doch ganz anders“ sind. Auch wenn uns ein Blick auf die Glaskugel verwehrt ist, wagen wir die Prognose, dass diese Systeme eher eine Ergänzung als ein Ersatz der Hochfeldsysteme sein werden und dass der Beweis ihres klinischen und diagnostischen Nutzens noch aussteht.

Ihr

Maximilian Reiser

Christian Herold