Lernziele

Nach Absolvieren dieser Fortbildungseinheit …

  • kennen Sie den zeitlichen Verlauf, in dem pulmonale Verdichtungen infolge von Strahlentherapie auftreten.

  • können Sie postradiogene Veränderungen der Lunge besser einordnen.

  • erhalten Sie einen Überblick über pneumotoxische Substanzen aus der Gruppe moderner Onkologika („targeted therapy“).

  • erkennen Sie typische pulmonale Veränderungen, die als medikamententoxische Nebenwirkungen auftreten können.

  • können Sie die diagnostischen Kriterien der DRP („drug-related pneumonitis“) benennen.

Fallbeispiel

Ein männlicher Patient, 75 Jahre, mit Erstdiagnose eines nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms („non-small cell lung cancer“ [NSCLC], Adenokarzinom) im rechten Oberlappen stellt sich in der Klinik vor. Initial liegt keine Metastasierung vor, sodass eine Oberlappenmanschettenresektion mit systematischer Lymphknotendissektion durchgeführt wird. Im Anschluss erfolgt eine thorakale Radiatio rechts hilär. 8 Wochen nach Beendigung der Bestrahlung zeigen sich im Verlauf typische postradiogene Veränderungen insbesondere in den dorsalen Anteilen des Bestrahlungsfelds (Abb. 1a). 12 Monate nach Radiatio kommt es zu einem Progress der Grunderkrankung mit Nachweis bipulmonaler Metastasen und einer Lymphangiosis carcinomatosa. Nun erfolgt die Umstellung auf eine Systemtherapie mit Gefitinib 250 mg (EGFR[„epidermal growth factor receptor“]-Tyrosinkinaseinhibitor [TKI]). Unter Therapie entwickelt der Patient eine leichte Dyspnoe. In der CT(Computertomographie)-Untersuchung des Thorax zeigen sich neu aufgetretene Milchglastrübungen („ground glass opacity“, GGO) im ehemaligen Bestrahlungsfeld (Abb. 1b). Daraufhin Entschluss zur Pausierung von Gefitinib. Konsekutiv sind die Verdichtungen komplett rückläufig (Abb. 1c). Unter Aussetzen der Systemtherapie kommt es allerdings zu einem Progress der Grunderkrankung, weswegen der Entschluss zur Reexposition mit Gefitinib gefasst wird, nun allerdings in verringerter Dosierung (250 mg alle 2 Tage). Hierunter kommt es binnen 1 Monats zu einem Wiederauftreten der Milchglastrübungen im ehemaligen Bestrahlungsfeld (Abb. 1d). Daraufhin erfolgt der Abbruch der Therapie.

Abb. 1
figure 1

Kurzkasuistik: a Posttherapeutische Veränderungen 8 Wochen nach Radiatio rechts hilär. b Pulmonaler Befund 4 Monate nach Start der Gefitinibtherapie: neu aufgetretene und zunehmende Milchglastrübungen im ehemaligen Bestrahlungsfeld rechts perihilär, insbesondere den Mittellappen betreffend, geringer ausgeprägt auch im Unterlappen. c 5 Monate nach Beendigung der Gefitinibtherapie haben sich die Infiltrate vollständig zurückgebildet, lediglich die strahlenfibrotischen Veränderungen im rechten Unterlappen sind weiterhin abgrenzbar. d 1 Monat nach Reexposition mit Gefitinib in reduzierter Dosis aufgrund eines Tumorprogresses kommt es zu einem Wiederauftreten der vormals bestehenden Milchglastrübungen im ehemaligen Bestrahlungsfeld. (Mit freundlicher Genehmigung, © Prof Dr. med. Claus Peter Heußel, alle Rechte vorbehalten)

Einleitung

Der Begriff der Pneumotoxizität beschreibt das Potenzial verschiedener Faktoren, Lungenparenchym zu schädigen. Hierunter zählt z. B. ionisierende Strahlung, wie sie in der Strahlentherapie angewendet wird, oder eine Vielzahl unterschiedlicher Medikamente. Hinreichend bekannt ist z. B die toxische Wirkung von Amiodaron, Nitrofurantoin und Bleomycin [1]. Begrifflichkeiten wie „Amiodaronlunge“ haben sich im deutschsprachigen Raum etabliert. In den vergangenen 10 bis 15 Jahren hat die Medizin deutliche Fortschritte auf dem Gebiet der Tumortherapie gemacht. Neben den klassischen Chemotherapeutika halten moderne, zielgerichtete Therapieansätze (sog. „targeted therapies“) sowie die Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) Einzug. Zahlreiche neuartige Medikamente (antiangiogenetisch, immunmodulatorisch etc.) erhöhen die Frequenz und das Spektrum der Pneumotoxizität und stellen damit den Radiologen bei der Diagnostik pulmonaler Verdichtungen vor neue Herausforderungen [2].

Merke

Einen Überblick über die Pneumotoxizität aller gängigen Medikamente, inklusive des radiologischen Erscheinungsbildes der Infiltrate, gibt die Webseite www.pneumotox.com.

Pulmonale Veränderungen infolge von molekularer Therapie – DILD

Im Gegensatz zu den klassischen Chemotherapeutika adressiert die gezielte Therapie („targeted therapy“) insbesondere Tumorzellen, da diese Wirkstoffe an speziellen Oberflächenmolekülen der entarteten Zellen binden, die auf gesunden Zellen nicht oder in sehr geringem Umfang exprimiert werden. Zudem ist es mit dem Einsatz von ICI möglich, immunsupprimierende Eigenschaften der Tumorzellen zu blockieren, was zu einer effizienten Antwort des Immunsystems gegen Tumorzellen führt. Das macht diese Therapieformen hoch wirksam bei gleichzeitig verhältnismäßig geringen systemischen Nebenwirkungen [3].

Dennoch haben auch Substanzen aus dem Spektrum der molekularen Therapeutika zum Teil erhebliche Nebenwirkungen. Eine Übersicht über gängige Wirkstoffe aus der Gruppe dieser antineoplastischen Medikamente mit pneumotoxischem Potenzial gibt Tab. 1 [4, 5, 6]. Im Jahr 2003 wurde erstmals über Fälle von schwerem akuten Lungenversagen (ALI) nach Gabe von Gefitinib bei NSCLC berichtet [7]. In jüngerer Zeit rückten zudem die ICI in den Fokus des medizinischen Interesses, da nach deren Verabreichung vermehrt Fälle immunbedingter Nebenwirkungen auftraten [8]. Letztlich können alle zielgerichteten Therapien Reaktionen in der Lunge auslösen, die dem Krankheitsbild der DILD („drug-induced lung disease“) zugerechnet werden. CT-morphologisch lässt sich die DILD in ihren verschiedenen Ausprägungsformen gut abbilden [9].

Tab. 1 „Targeted therapy“ (Zeilen 1–4) und Immuntherapie (Zeile 5): Medikamentengruppen mit pneumotoxischem Potenzial, deren Wirkstoffe und Wirkmechanismen

Merke

Durch molekulare Therapeutika verursachte entzündliche Lungenveränderungen werden unter dem Begriff der DRP zusammengefasst. CT-morphologisch zeigen sich Verdichtungen mit unterschiedlichen Mustern.

DRP („drug-related pneumonitis“)

Klinische Charakteristika

Die klinischen Symptome der DRP sind unspezifisch und können Atemnot, trockenen Husten und Fieber umfassen. Manche Patienten zeigen trotz CT-morphologisch sichtbarer Verdichtungen keinerlei Symptome. Andere wiederum entwickeln eine akut ausgeprägte Dyspnoe und sind vital gefährdet. Tab. 2 gibt eine Übersicht über die klinische Stadieneinteilung der DRP [10]. Auch die klinische Untersuchung, Bluttests oder Lungenfunktionsuntersuchungen erlauben meist keine spezifische Diagnose, sind aber für den Ausschluss möglicher Differenzialdiagnosen hilfreich [11]. Eine sichere klinische Unterscheidung zu anderen pulmonalen Erkrankungen (z. B. Infektionen oder Lungenarterienembolien) ist daher schwierig. Letztlich spielt für die korrekte Diagnose die Medikamentenanamnese eine entscheidende Rolle: Besteht ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Beginn der Symptome oder neu nachweisbaren pulmonalen Verdichtungen in der CT-Bildgebung und der Gabe potenziell ursächlicher Medikamente, kann die Verdachtsdiagnose einer DRP gestellt werden. Der Zeitraum zwischen Therapiebeginn und Auftreten der Pneumotoxizität ist variabel und beträgt meist zwischen 2 und 6 Monaten. Für die EGFR-TKI Gefitinib und Erlotinib wurden jedoch kürzere Zeiträume von 4 Wochen berichtet. ICI zeigen eine hohe Variabilität: Hier wurden Fälle von Pneumotoxizität zwischen 1 Woche und mehr als 2 Jahren nach Therapiebeginn gemeldet [12]. Andere mögliche Differenzialdiagnosen der DRP müssen vor Diagnosestellung ausgeschlossen werden [9].

Tab. 2 NCI(National Cancer Institute)-CTCAE(Common Terminology Criteria for Adverse Events)-Pneumonitis-Grading-System

Merke

Die Symptome der DRP sind unspezifisch und umfassen viele Differenzialdiagnosen. Bei Gabe eines potenziell pneumotoxischen Medikaments sollte jedoch an das Vorliegen einer DRP gedacht werden.

Bildgebung

Die CT der Lunge (dünnschichtige Volumen-CT, Schichtdicke <1,5 mm, inkl. koronarer Rekonstruktionen) ist ein wichtiges Werkzeug für die Diagnose der DRP [13]. Sowohl die Ausdehnung und das Muster als auch die Entwicklung der Verdichtungen im zeitlichen Verlauf können mithilfe der CT dargestellt werden (Abb. 2). Zudem ist die Bildgebung dem Ausschluss möglicher Differenzialdiagnosen dienlich [14].

Abb. 2
figure 2

Pneumotoxische Reaktion nach Gabe von EGFR(„epidermal growth factor receptor“)-Tyrosinkinaseinhibitoren (EGFR-TKI): a 65-jährige Patientin, NSCLC („non-small cell lung cancer“; Adenokarzinom Oberlappen rechts), Stadium IV. b 6 Monate nach Beginn der Therapie mit Nivolumab (4 Zyklen); CT(Computertomographie)-morphologisch DRP („drug-related pneumonitis“); Besserung unter Steroidtherapie. c 1 Monat später: klinische Verschlechterung – Grad-3-Pneumonitis mit schwerer respiratorischer Partialinsuffizienz (arterieller Sauerstoffpartialdruck [paO2]: 44 mm Hg); zunehmende Verdichtungen in der CT; klinische Besserung unter Steroidtherapie. d 2 Monate später: progrediente DRP unter Steroidreduktion – erneut Grad 3 mit schwerer respiratorischer Partialinsuffizienz (paO2: 42 mm Hg) unter 3 l O2 und mittelgradiger Restriktion; Erhöhung der Steroiddosis. e 2 Monate später: regrediente DRP. (Mit freundlicher Genehmigung, © Prof Dr. med. Claus Peter Heußel, alle Rechte vorbehalten)

Erschwert wird die Diagnostik allerdings dadurch, dass die DRP kein einheitliches CT-morphologisches Muster aufweist. Auch ein und dasselbe Medikament kann unterschiedliche Muster verursachen [15]. Verschiedene Muster können gleichzeitig vorliegen. Es bleibt also festzustellen, dass das HR(„high-resolution“)-CT-morphologische Muster prinzipiell nicht vorhersehbar ist, jedoch gewisse Häufungen bei bestimmten Medikamenten zeigt. Ein Großteil der DRP-typischen Verdichtungen wird der Gruppe der interstitiellen Pneumonie (IP) zugeteilt [9]. Tab. 3 gibt einen Überblick über die verschiedenen Muster, deren Erscheinungsform in der CT sowie der potenziell auslösenden Substanzen.

Tab. 3 Typische CT(Computertomographie)-morphologische Erscheinungsformen der DRP („drug-related pneumonitis“)

Ein NSIP(nichtspezifische interstitielle Pneumonie)-Muster findet man vermehrt bei Patienten, die eine Therapie mit EGFR-TKI oder ICI erhalten haben (Abb. 2; [16]). Die Hypersensitivitätspneumonitis (HP) tritt gehäuft nach Gabe von EGFR-TKI, mTOR-Inhibitoren und ICI auf [17]. Besondere Aufmerksamkeit des Radiologen verdient das Muster eines diffusen alveolären Schadens („diffuse alveolar damage“, DAD; Abb. 3). Es tritt auf nach Therapie mit EGFR-TKI, ALK-Inhibitoren, CD20-Antikörpern und ICI. Veränderungen im Rahmen eines DAD sind mit schweren klinischen Symptomen und einer vergleichsweise schlechten Prognose verbunden [18]. Völlig gegensätzlich hierzu hat der Patient bei Diagnose eines Löffler-Syndroms (einfache pulmonale Eosinophilie), das zumeist nach Gabe von Osimertinib auftritt, eine exzellente Prognose [19]. Die Verdichtungen bilden sich in der Regel binnen 4 Wochen spontan zurück. Das Muster einer organisierenden Pneumonie (OP) wurde dokumentiert bei Therapien mit ICI, EGFR-TKI, mTOR- und ALK-Inhibitoren (Abb. 4; [20]).

Abb. 3
figure 3

Diffuser alveolärer Schaden („diffuse alveolar damage“, DAD) nach Therapie mit VEGF(„vascular endothelial growth factor“)-Antikörpern: a 73-jährige Patientin mit kolorektalem Karzinom; b 9 Wochen nach Beginn der Therapie mit Bevacizumab. (Mit freundlicher Genehmigung, © Prof Dr. med. Claus Peter Heußel, alle Rechte vorbehalten)

Abb. 4
figure 4

Organisierenden Pneumonie (OP) nach Radiatio: a Patientin mit rechtsseitigem Mammakarzinom und tangentialer Gegenfeldbestrahlung mit 50 Gy Herddosis; die ipsilaterale Lunge erreicht eine Exposition mit 5 Gy. b 12 Wochen später zeigt sich in der Peripherie des Mittellappens eine ovaläre Konsolidierung mit umgebendem Milchglas. c Weitere 6 Monate später haben sich die Verdichtungen vollständig zurückgebildet; lediglich dezente subpleurale Retikulationen im Sinne fibrotischer Residuen verbleiben. (Mit freundlicher Genehmigung, © Prof Dr. med. Claus Peter Heußel, alle Rechte vorbehalten)

Eine Besonderheit der durch ICI-verursachten Pneumonitis besteht in der Tatsache, dass die CT-morphologischen Muster partiell mit der Ausprägung des Krankheitsbildes korrelieren. Liegt ein NSIP- oder HP-Muster vor, bestehen eher milde Krankheitsverläufe, gefolgt vom OP-Muster. Das DAD-Muster scheint mit schwereren Krankheitsverläufen assoziiert zu sein [21].

Merke

Die CT-morphologischen Muster der DRP sind häufig dem Formenkreis der IP zuzuordnen. Die verschiedenen CT-morphologischen Muster sind unspezifisch für die verabreichte Medikation.

Cave

Ein DAD-Muster in Zusammenhang mit einer DRP kann auf einen schweren Krankheitsverlauf hindeuten und sollte dementsprechend kommuniziert werden.

Diagnose

Eine frühzeitige Diagnose der DRP ist relevant, da die Erkrankung unbehandelt fortschreitet und zu schweren, irreversiblen Lungenschäden (z. B. Fibrose) führen kann [22]. Die ausschließlich bildbasierte Diagnose der DRP kann den Radiologen vor Herausforderungen stellen. Absolut grundlegend für die korrekte Diagnose sind hinreichende klinische Angaben zur aktuellen Tumortherapie des Patienten. So sollte bekannt sein, welche Systemtherapie verabreicht wird und wann mit dieser begonnen wurde. Die Fleischner Society hat in ihrem Positionspaper 3 Kriterien für die Diagnose der DRP festgelegt [9]:

  • In der Bildgebung (CT oder Röntgen) zeigen sich neue Verdichtungen; diese sind meist bilateral und eher diffus verteilt.

  • Zudem muss ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Milchglastrübungen oder Konsolidierungen und der Verabreichung des ursächlichen Medikaments bestehen.

  • Zuletzt sollten alle anderen Ursachen für die bildmorphologischen Veränderungen (z. B. erregerassoziierte Pneumonie) ausgeschlossen worden sein.

Ob zur Diagnosesicherung eine Lungenbiopsie durchgeführt werden sollte oder nicht, hängt von multiplen patientenspezifischen Faktoren ab (klinischer Kontext, Differenzialdiagnosen, Nutzen-Risiko-Abwägung etc.). Prinzipiell sollte beachtet werden, dass die traumatischere chirurgische Probengewinnung mittels videoassistierter Thorakoskopie (VATS) zu einem möglichst frühen Zeitpunkt der Erkrankung stattfinden sollte, da sonst die Morbidität und die Mortalität erhöht sind [9]. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Möglichkeit der multidisziplinären Zusammenarbeit. Hierzu ist der Austausch zwischen Klinikern, Radiologen und Pathologen (falls eine Lungenbiopsie durchgeführt wurde) essenziell, um alle nötigen Informationen für die Diagnose der DRP zuverlässig bereitstellen zu können.

Merke

Für die zuverlässige Diagnose der DRP wird ein multidisziplinäres Team aus Klinikern, Radiologen und ggf. Pathologen empfohlen.

Therapie

Wie bei Auftreten einer DRP zu verfahren ist, richtet sich nach der bereits genannten klinischen Stadieneinteilung (Tab. 2; [10]). Bei Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf (NCI[National Cancer Institute]-Grad 3 und 4) sollte das auslösende Agens sofort abgesetzt werden. Außerdem werden in der Regel Glukokortikoide verabreicht, die den Heilungsprozess beschleunigen. Eine zusätzliche Sauerstoffgabe bis hin zur Intubation kann in diesen Fällen nötig werden [23]. Eine Ausnahme bildet die durch ICI-verursachte DRP: In diesem Fall wird empfohlen, die Medikation unabhängig vom Schweregrad der DRP zu pausieren, also auch bei milden Symptomen. Lag eine Pneumonitis Grad 3–4 vor, sollte die ICI-Therapie nach Abklingen der DRP nicht wiederaufgenommen werden [9].

Medikamenteninduzierte sarkoidoseähnliche Reaktion

Die medikamenteninduzierte sarkoidoseähnliche Reaktion („drug-induced sarcoidosis-like reaction“, DISR) ist eine systemische granulomatöse Reaktion, deren Auftreten in zeitlichen Zusammenhang mit der Gabe bestimmter Medikamente steht. Die DISR ist klinisch und bildgebend nicht von der eigentlichen Sarkoidose zu unterscheiden: Betroffene Patienten zeigen unter anderem eine bilaterale hiläre Lymphadenopathie, kutane Läsionen und Uveitis. Histopathologisch finden sich wie bei der Sarkoidose auch bei der DISR nichtverkäsende, epitheloidzellige Granulome mit Langhans-Riesenzellen und einem Randwall aus Lymphozyten, Monozyten und Fibroblasten. Die Unterscheidung der DISR von der Sarkoidose ist lediglich durch das Absetzen des potenziell auslösenden Medikaments möglich. Hiernach bildet sich die DISR im Gegensatz zur „echten“ Sarkoidose regelhaft zurück. Folgende Medikamentengruppen konnten als potenzielle Auslöser der DISR identifiziert werden [24]:

  • ICI,

  • antiretrovirale Medikamente,

  • Interferone,

  • Tumornekrosefaktor-α-Inhibitoren,

  • BRAF(„V-Raf [rat fibrosarcoma] murine sarcoma viral oncogene homolog B1“)-Inhibitoren.

Cave

An die DISR denken! Eine Missinterpretation der bihilären Lymphadenopathie als Tumorprogress ist sonst möglich.

Strahleninduzierte pulmonale Erkrankungen – Pneumonitis und Fibrose

Veränderungen im Lungenparenchym sind regelhafte Folge thorakaler Bestrahlungen und werden unter dem Begriff „RILI“ („radiotherapy-induced lung injury“) subsummiert. In Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren, wie z. B. der applizierten Dosis und des bestrahlen Lungenvolumens, Lokalisation, Art und Größe des bestrahlten Tumors sowie patientenbasierten Faktoren (Rauchen, Komorbiditäten etc.), kann es zu mehr oder weniger ausgeprägten postradiogenen Veränderungen kommen [25, 26, 27, 28]. Klinisch unterscheidet man zwischen der akuten (Symptombeginn <6 Monate nach Bestrahlung) und der chronischen Phase (Symptombeginn >6 Monate nach Bestrahlung). CT-morphologisch äußern sich frühe Lungenschäden als Strahlenpneumonitis. Im chronischen Stadium ist eine Strahlenfibrose sichtbar [29].

Frühe Reaktionen – Strahlenpneumonitis

Die Strahlenpneumonitis tritt zumeist mit einer Latenz von 4 bis 12 Wochen nach Beendigung der Bestrahlung des Lungenparenchyms auf. Wie auch bei der DRP sind die klinischen Symptome der Strahlenpneumonitis unspezifisch. Die Patienten klagen über Hüsteln, Dyspnoe, Leistungsknick und Krankheitsgefühl. In Abhängigkeit von der Kompensationsleistung des nichtbestrahlten Lungenparenchyms können jedoch schwere Krankheitsverläufe bis hin zu akutem Lungenversagen („acute respiratory distress syndrome“, ARDS) und Tod vorkommen. Das in Tab. 2 aufgeführte CTCAE(Common Terminology Criteria for Adverse Events)-Pneumonitis-Grading-System wird auch zur klinischen Beurteilung von Patienten mit RILI herangezogen. Die Differenzierung von anderen entzündlichen Lungenerkrankungen geschieht aufgrund ihrer Lokalisation im Strahlenfeld und dem zeitlichen Bezug zur erfolgten Radiatio. Mit Erreichen der Schwellendosis von 40 Gy ist das Entstehen einer Strahlenpneumonitis mit einer Häufigkeit von 70–100 % sehr wahrscheinlich [30]. CT-morphologisch zeigen sich im Rahmen einer Strahlenpneumonitis regelhaft Milchglastrübungen und Konsolidierungen im bestrahlten Lungengewebe (Abb. 4). Diese können sich entweder vollständig zurückbilden oder zu einer Strahlenfibrose umwandeln. Eine Sonderform der frühen Strahlenfolgen stellt die OP dar. Diese wird ebenfalls durch thorakale Radiatio verursacht, kann im Gegensatz zur Strahlenpneumonitis jedoch auch außerhalb des Bestrahlungsfelds auftreten.

Merke

Das Entstehen einer Strahlenpneumonitis ist multifaktoriell bedingt. Ab einer Schwellendosis von 40 Gy tritt diese Erkrankung regelhaft auf. Bereits wesentlich niedrige Dosen können die Pneumonitis auslösen. Milchglastrübungen und Konsolidierungen sind typische CT-morphologische Muster und treten mit einer Latenz von bis zu 6 Monaten nach Radiatio auf.

Späte Veränderungen – Strahlenfibrose

Die Strahlenfibrose entsteht typischerweise 6 bis 12 Monate nach Bestrahlung und kann über 2 Jahre zunehmen, ehe ein stabiler Befund erreicht ist [30]. Viele Patienten sind asymptomatisch. Trockener Husten und Kurzatmigkeit sind die am häufigsten angegeben Beschwerden [31]. CT-morphologisch zeigt sich ein Volumenverlust der bestrahlten Lunge mit konsekutivem Mediastinalshift zur betroffenen Seite und ipsilateralem Zwerchfellhochstand. Traktionsbronchiektasen sowie chronische Konsolidierungen mit Luftbronchogramm sind typische Zeichen der Fibrose (Abb. 5). Auch pleurale Reaktionen mit Pleuraverdickungen und geringen Pleuraergüssen sind regelhaft zu finden [32].

Abb. 5
figure 5

Bestrahlungsfolgen im zeitlichen Verlauf: a 67-jähiger Patient mit kleinzelligem Lungenkarzinom, Stadium IIIA im linken Oberlappen. b 2 Monate nach Radiotherapie des Thorax mit 60 Gy (verteilt auf 30 Fraktionen); es erfolgte eine notfallmäßige Aufnahme mit Strahlenpneumonitis. c 4 Monate später Besserung der Infiltrate. d 6 Monate später konsolidierende Verdichtung im rechten Oberlappen (organisierende Pneumonitis, OP). e 8 Monate später Resorption des Infiltrats. Im gesamten zeitlichen Verlauf zeigen sich links progrediente fibrotische Veränderungen mit deutlicher Schrumpfung des linken Hemithorax. (Mit freundlicher Genehmigung, © Prof Dr. med. Claus Peter Heußel, alle Rechte vorbehalten)

Merke

Ab ca. 6 Monaten nach Bestrahlung kann sich eine Strahlenfibrose bilden.

Besonderheiten nach stereotaktischer Bestrahlung

Die stereotaktische Bestrahlung („stereotactic body radiation therapy“, SBRT) ist eine effektive Behandlungsmethode des NSCLC im Stadium 1 für Patienten, die nicht operabel sind bzw. eine Operation ablehnen. Komplexe Strahlenverläufe und steile Dosisgradienten am Rand des Tumors führen zu einer hohen Dosis im Tumorvolumen und damit zu einer guten lokalen Tumorkontrolle, was ein Tumorrezidiv unwahrscheinlich macht. Im Gegensatz hierzu sind RILI nach SBRT sehr häufig: 54–79 % der Patienten entwickeln eine Strahlenpneumonitis, und sogar 80–100 % der Patienten zeigen strahlenfibrotische Veränderungen [33]. Diese sind im Gegensatz zu den RILI nach konventioneller Radiotherapie jedoch nicht flächig innerhalb der Bestrahlungsfelder lokalisiert und damit zumeist gut von Lokalrezidiven zu unterscheiden, sondern haben häufig einen raumfordernden Effekt [34]. Dies macht die Unterscheidung zwischen RILI und Lokalrezidiv nach SBRT häufig schwierig. Folgende CT-morphologische Kriterien sind suspekt für das Vorliegen eines Lokalrezidivs innerhalb des Bestrahlungsfelds nach SBRT [33, 35]:

  • Zunahme der Verdichtung im Ablationsareal (insbesondere > 12 Monate nach erfolgter SBRT),

  • fortlaufende Vergrößerung der Verdichtung in Follow-up-Untersuchungen,

  • nach außen gewölbter Randbereich des Ablationsareals im Sinne eines raumfordernden Effekts,

  • Verlust der glatten Berandung des Randbereichs,

  • (partieller) Verlust des Bronchopneumogramms im Ablationsareal,

  • Wachstum in kraniokaudale Richtung.

Auch die PET(Positronenemissionstomographie)-CT kann helfen, RILI von Lokalrezidiven zu unterscheiden: Studien zeigten ein höheres durchschnittliches SUVmax („maximum standardized uptake value“) für Lokalrezidive (5,0 für frühe Rezidive; 6,3 für späte Rezidive) im Vergleich zu RILI mit einem durchschnittlichen SUVmax von 1,8 [36]. Bei fortbestehender diagnostischer Unsicherheit oder zur definitiven Diagnosesicherung kann, falls möglich, eine Lungenbiopsie durchgeführt werden [37].

Auflösung der Kurzkasuistik: RRP

Bei der RRP („radiation recall pneumonitis“) handelt es sich um einen selten auftretenden, durch Bestrahlung ausgelösten Lungenschaden. Die Entstehung der RRP wird durch verschiedene Medikamente getriggert. Charakteristischerweise treten die Veränderungen innerhalb ehemaliger Bestrahlungsfelder auf [38]. Dies geschieht mit einer Latenz von Wochen bis Monaten, manchmal sogar Jahren nach erfolgter Radiatio [39]. Neben Chemotherapeutika wie Taxanen und Anthrazyklinen wurde die RRP insbesondere auch nach Gabe von ICI und TKI beobachtet [40]. Nach Absetzen des auslösenden Agens bilden sich die Verdichtungen in der Regel zurück, so auch in diesem Fall geschehen. Die Gabe von Kortikosteroiden kann den Heilungsprozess beschleunigen [41].

Merke

Bei neu aufgetretenen pneumonitischen Veränderungen innerhalb der Grenzen ehemaliger Bestrahlungsfelder und gleichzeitiger Einnahme von Chemotherapeutika an die RRP denken!

Fazit für die Praxis

  • Diagnostische Kriterien der DRP („drug-related pneumonitis“) sind:

    1. neu aufgetretene pulmonale Verdichtungen in der Bildgebung; diese sind meist bilateral und nichtsegmental verteilt,

    2. zeitlicher Zusammenhang zwischen den morphologischen Veränderungen und dem Beginn der Systemtherapie,

    3. Ausschluss anderer möglicher Gründe für die beobachteten Veränderungen;

  • Häufige CT(Computertomographie)-morphologische Muster der DRP sind nichtspezifische interstitielle Pneumonie, organisierende Pneumonie (OP), Hypersensitivitätspneumonitis, DAD („diffuse alveolar damage“) und die einfache pulmonale Eosinophilie (Löffler-Syndrom).

  • Die Diagnose einer DRP sollte interdisziplinär (Kliniker, Radiologen und ggf. Pathologen) gestellt werden.

  • Die sarkoidoseähnliche Reaktion der Lunge kann nach Gabe verschiedener Medikamente (z. B. Immuncheckpoint-Inhibitoren) auftreten und bildet sich im Gegensatz zur Sarkoidose regelhaft nach Absetzen des auslösenden Agens zurück.

  • Man unterscheidet zwischen Strahlenpneumonitis und Strahlenfibrose, die mit unterschiedlichem zeitlichen Abstand zur Radiatio auftreten.

  • CT-morphologische Zeichen der Strahlenpneumonitis sind Milchglastrübungen und Konsolidierungen. Sie können bis zu 6 Monate (durchschnittlich 4 bis 12 Wochen) nach Radiatio auftreten. Die Strahlenfibrose entwickelt sich in der Regel mehr als 6 Monate nach Radiatio.

  • Die OP ist eine interstitielle Lungenerkrankung, welche durch Radiatio ausgelöst werden kann, im Gegensatz zur Strahlenpneumonitis aber auch außerhalb der bestrahlten Lungenfelder auftritt.