Liebe Leserinnen und Leser,

der Kopf-Hals-Bereich stellt so etwas wie eine „Terra incognita“ bei vielen Radiologen dar – frei nach dem Motto: „Ich hab‘ da was Besonderes, mach‘ du das mal.“ Es ist eine anatomisch schwierige Region, an die sich viele nicht so richtig herantrauen, obwohl es hier viele spannende Aspekte gibt. Wir haben in diesem Übersichtsheft die Diagnostik und Therapie einiger Entitäten zusammengestellt, um Ihnen diese Region näher zu bringen.

Unter dem Begriff Kopf-Hals-Tumoren werden verschiedene Entitäten zusammengefasst, zu denen bösartige Tumoren der Mundhöhle (Mundhöhlenkarzinome), des Rachens (Pharynxkarzinom), des Kehlkopfes (Larynxkarzinom), der Nase, der Nasennebenhöhlen sowie des äußeren Halses zählen, aber auch Tumoren der Schilddrüse und der Schädelbasis.

Im Kopf-Hals-Bereich ist man häufiger als woanders mit einem sog. CUP-Syndrom („cancer of unknown primary“) konfrontiert. Dessen Kriterien sind erfüllt, wenn histologisch oder zytologisch gesicherte Metastasen eines Malignoms vorliegen, ohne dass bei der Primärdiagnostik ein Primärtumor nachweisbar ist. Meist ist die Prognose ungünstig, weil eine Therapie gewählt werden muss, die „irgendwie auf alles passt“, die überdies aufgrund der Vielfalt des Erscheinungsbilds nur mit Einschränkungen standardisiert werden kann. Insbesondere die Vorzüge einer personalisierten Onkologie kommen CUP-Patienten nur mit großen Einschränkungen zugute. Daher lohnt es sich, bei der klinischen bildgebenden Diagnostik alle Register zu ziehen, um möglichst doch noch einen Primärtumor nachweisen zu können.

Das Larynxkarzinom ist der dritthäufigste maligne Tumor im Kopf-Hals-Bereich. Chronischer Tabak- und Alkoholkonsum stellen wesentliche Risikofaktoren für die Entwicklung eines Larynxkarzinoms dar. Plattenepithelkarzinome des Larynx können sich klinisch, je nach Lokalisation, mit sehr unterschiedlicher Symptomatik präsentieren. Während supraglottische Karzinome mit Globusgefühl und unspezifischen Schluckbeschwerden einhergehen können, und subglottische Karzinome meist erst spät im Verlauf zu Dyspnoe führen, äußert sich das glottische Larynxkarzinom häufig durch Heiserkeit – was ein Frühsymptom darstellen könnte, wenn es nicht, wie allzu oft, ignoriert würde, bis auch hier der Tumor fortgeschritten ist. Das therapeutische Spektrum reicht aktuell von der transoralen Laserresektion über robotergestützte Verfahren (TORS/DaVinci© etc.), Larynxteilresektionen, die vollständige Laryngektomie, primäre Radiochemotherapie bis zu multimodalen Ansätzen mit Radiatio, Chemotherapie und „targeted therapy“. Die Prognose des Larynxkarzinoms ist abhängig von der Lokalisation, dem TNM-Stadium sowie dem R‑Status nach erfolgter Therapie.

Das Akustikusneurinom ist der häufigste infratentorielle Tumor beim Erwachsenen im Kleinhirnbrückenwinkel. Es handelt sich um einen gutartigen Tumor, der von den Schwann-Zellen des Pars vestibularis des N. vestibulocochlearis innerhalb des Meatus acusticus internus ausgeht. Klinisch präsentieren sich die Patienten oft mit Symptomen wie Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, oft einhergehend mit einer einseitigen Hypakusis, Tinnitus und Störungen des N. facialis und des N. trigeminus, Differenzialdiagnostisch ist an andere gutartige Tumoren zu denken, wie z. B. das Neurinom oder aber auch Epidermoide, seltener an Metastasen.

Das juvenile Angiofibrom ist eine gutartige Tumorerkrankung der Kopf-Hals-Region, die fast ausschließlich bei männlichen Jugendlichen im Alter zwischen 10 und 20 Jahren auftritt und sich durch eine sehr geringe Inzidenz von 1:150.000 auszeichnet. Betroffene Patienten zeigen typischerweise als Beschwerdebild eine chronische, einseitige Nasenatmungsbehinderung, ggf. vergesellschaftet mit einer einseitigen Rhinorrhoe und rezidivierender Epistaxis. Infolge hoher intraoperativer Blutverluste ist die Resektion eine heikle Angelegenheit, um es milde auszudrücken. In Zukunft könnten sich neue Perspektiven für eine zielgerichtete Diagnostik und Therapie, beispielsweise durch eine gezielte Hormonrezeptorblockade oder die Gabe von VEGF-Antikörpern sowie β‑Blockern, ergeben. Die Therapieplanung erfordert aufgrund der komplexen Anatomie der Schädelbasis sowohl eine magnetresonanz- als auch computertomographische Bildgebung. Eine präoperative endovaskuläre Embolisation senkt das perioperative Blutungsrisiko und erleichtert den chirurgischen Eingriff.

Dass ein Teil der Kopf-Hals-Tumoren durch das humane Papillomavirus (HPV) verursacht wird, ist keine alte Erkenntnis, und so sehen wir in zunehmendem Maße eigentlich fitte und vergleichsweise junge Patienten ohne Risikofaktoren. Biologisch scheinen deren Tumoren sich auch von jenen der klassischen Ätiologie zu unterscheiden. Die meisten Patienten hingegen bringen Begleiterkrankungen mit, die bei der Planung der Therapie berücksichtigt werden müssen, um Komplikationen zu vermeiden. Aufgrund der Komplexität von Kopf-Hals- und Schädelbasistumoren und der Gefahr von Funktionsverlust und kosmetischen Folgen (bis hin zur Entstellung!) sollte deren Diagnostik und Therapie in erfahrenen Zentren mit interdisziplinärem Hintergrund erfolgen, die in Abwägung zwischen Radikalität und Funktionserhalt die bestehenden therapeutischen Möglichkeiten voll auszuschöpfen verstehen. Voraussetzung hierfür sind eine hochwertige Bildgebung und Vertrautheit des Radiologen oder der Radiologin mit der Anatomie, den Erkrankungen und deren Behandlung.

Prof. Dr. Wolfgang Reith

Prof. Dr. Stefan Delorme