Liebe Leserinnen und Leser,

Verletzungen der Wirbelsäule findet man bei ca. 5 % aller Unfallpatienten. Häufig bestehen Mitverletzungen anderer Körperteile, insbesondere bei Traumata der Halswirbelsäule ist häufig auch die Schädelregion mitbetroffen.

Bestimmte Unfallmechanismen sind dabei typisch für Wirbelsäulenschädigungen. Peitschenhiebartige Schleuderbewegungen von Teilen der Wirbelsäule, insbesondere von Kopf und Hals können beispielsweise bei Zusammenprall von Fahrzeugen im Moment der Gewalteinwirkung zu einer Verschiebung der Wirbelkörper und somit zu einer Kompression des Rückenmarks führen. Je nach Schwere der Rückenmarksschädigung entwickeln sich Nervenschädigungen, ein unvollständiger bis zu einem kompletten Querschnitt.

Querschnittslähmungen sind schwerwiegende Verletzungsfolgen, akut lebensgefährlich ist der hohe Querschnitt. Insbesondere beim Transport sind hierbei besondere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. In Zweifelsfällen, in denen ein Wirbelbruch und ein Querschnitt aufgrund des Unfallherganges zu befürchten sind, insbesondere bei Sturz aus großer Höhe, sollte im Rahmen der Erstüberprüfung, auch bei Bewusstlosen vor der Lagerung festgestellt werden, ob Schmerzempfindungen und Abwehrreflexe erhalten sind.

Die Behandlung der Wirbelsäulentraumata richtet sich nach dem Schweregrad der Gesamtverletzung, insbesondere nach begleitenden Thorax- oder Abdominalverletzungen, sowie der Stabilität der Wirbelsäule. Eine frühe Stabilisierung erleichtert die intensivmedizinische Therapie, ermöglicht eine funktionale Nachbehandlung und verkürzt die Hospitalisations- und Rehabilitationszeit. Für die adäquate Behandlung ist ein multidisziplinäres Vorgehen mit Radiologen, Neurologen und Chirurgen entscheidend.

Aufgrund der speziellen anatomischen Gegebenheiten wird zwischen der oberen HWS und der unteren HWS unterschieden. Bis zu 25 % der Patienten mit HWS-Verletzungen weisen eine zusätzliche Verletzung der thorakolumbalen Wirbelsäule auf. Frakturen und Luxation des kraniozervikalen Überganges und der oberen HWS sind selten und können nur mit gezielter Abklärung sicher diagnostiziert werden. Hierbei werden die atlantookzipitalen Dislokationen, Atlasfrakturen und Faktoren des Dens axis sowie der unteren HWS unterschieden. Daneben kommen noch diskoligamentäre Verletzungen sowie Luxationsverletzungen vor.

Bei Verletzungen der thorakolumbalen Wirbelsäule werden drei wesentliche Verletzungsmechanismen unterschieden. Die hierbei am häufigsten verwendete Klassifikation ist die der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese (AO) mit Kompressionsverletzungen (Typ A) Flexions-Distraktionsverletzungen (Typ B) und Rotationsverletzungen (Typ C).

Wichtig ist eine sichere und akkurate radiologische Diagnostik, um eine adäquate Behandlung anzuschließen. Ziel ist, das Ausmaß der Verletzung der knöchernen, ligamentären und nervalen Strukturen sowie der umgebenden Weichteile sicher zu beurteilen. In der konventionellen Diagnostik werden häufig die Frakturen nicht genau diagnostiziert, weswegen eine Computertomographie und eventuell eine Kernspintomographie die Basis der Diagnostik bilden. Eine schnelle operative Versorgung der Wirbelsäulentraumata ist notwendig. Es hat sich gezeigt, dass die intraoperative Bildgebung ein wichtiges Instrument im Bereich der unfallchirurgischen/neurochirurgischen Operationsverfahren ist. Hervorzuheben ist die Möglichkeit der Navigation und intraoperativen Kontrolle des Operationsresultates, verbunden mit der direkten Möglichkeit der Korrektur.

Operative Eingriffe im Bereich der Wirbelsäule sind in bis zu 30 % mit Komplikationen vergesellschaftet, welche im Verlauf einer weiteren Abklärung bedürfen. Neben den unterschiedlichsten operativen Zugängen und verwendeten Materialien ist auch die klinische Untersuchung und Anamnese wichtig. Das Intervall zwischen Operation und Beschwerdebeginn sowie die weitere zeitliche Entwicklung der Beschwerden ermöglichen bereits eine erste Einordnung im Hinblick auf die Dringlichkeit weiterführender Abklärung. Bestehen z. B. klinische Zeichen einer Infektkonstellation oder akut aufgetretene neurologische Ausfallsymptome wie z. B. ein neu aufgetretenes oder deutlich progredientes, mittelschweres oder schweres radikuläres Ausfallsmuster oder ein Konus-Kauda-Syndrom mit Blasen- und Mastdarmstörung, ist eine dringliche bildgebende Diagnostik absolut indiziert. In erster Linie wird dabei CT- oder MRT-Diagnostik eingesetzt. Eine Herausforderung für die Bildgebung stellen jedoch die Artefakte dar, die durch die eingebrachten Metallimplantate entstehen. Gerade die unmittelbare Umgebung der Implantate ist diagnostisch von besonderem Interesse hinsichtlich Lockerung, Materialversagen, Materialfehllage oder inflammatorischen und infektiösen Veränderungen. Technische Weiterentwicklungen helfen, diese Metallartefakte zu reduzieren. In der CT sind iterative Rekonstruktionsalgorithmen und das Dual Energy CT, in der MRT die Optimierung der Standardsequenzen mit erhöhter Empfängerbandbreite und verkürzten Echozeiten möglich, um trotzdem eine ausreichend gute Bildqualität zu erhalten.

Eine weitere mögliche Therapie, vor allem bei Sinterungsfrakturen der Wirbelkörper, ist neben der operativen Stabilisierung durch einen Fixateur interne, die Vertebroplastie oder Kyphoplastie. Hierdurch kann minimalinvasiv eine Stabilisierung und Schmerzfreiheit erzielt werden.

Bei Wirbelsäulentraumata ist neben einer adäquaten Erstversorgung die interdisziplinäre enge Zusammenarbeit zwischen Chirurgen/Neurochirurgen und Radiologen für ein gutes klinisches Outcome notwendig.

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Wolfgang Reith