Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

die Detektion und die Charakterisierung fokaler Leberläsionen gehören zu den täglichen Herausforderungen jedes(r) Radiologen/in. Durch die enorme Weiterentwicklung der Schnittbildverfahren (US, CT und MRT) sowie den zunehmenden Einsatz von Hybridverfahren, wie der PET-CT oder PET-MRT, ist in den letzten Jahren die Detektionsrate der fokalen Leberläsionen deutlich gestiegen.

Das radiologisch-diagnostische Ziel ist stets die nichtinvasive Artdiagnose dieser meist asymptomatischen, zufällig gefundenen Läsionen, sogenannter Inzidentalome. Denn eine definitive Diagnose ist für das weitere therapeutische Management, und hier insbesondere bei onkologischen oder sogenannten Hochrisikopatienten, entscheidend.

Durch die langjährige Expertise an unserer Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, bedingt durch hohe Untersuchungszahlen, komplexe/seltene Fälle sowie intensive wissenschaftliche Arbeit, konnten wir in den letzten Jahren individualisierte, indikationsbezogene sowie läsionsspezifische Untersuchungsprotokolle erarbeiten und etablieren. Diese routinemäßig verwendeten, standardisierten Protokolle waren Grundlage etlicher Publikationen.

Durch den gezielten Einsatz des geeigneten bildgebenden Verfahrens kann so für die Charakterisierung fokaler Leberläsionen, die Differenzierung benigner vs. maligner Läsionen und das präoperative Staging von Lebertumoren eine Stufendiagnostik (US, CT) sowie v. a. eine invasive Diagnose mittels Biopsie meist vermieden werden.

Voruntersuchungen sowie klinische Informationen helfen bei der Wahl des bildgebenden Verfahrens sowie der Klassifizierung der Leberläsionen. Folgeuntersuchungen in bestimmten Zeitintervallen können z. B. durch Konstanz bzw. Größenzunahme der Läsion eine Dignitätsbeurteilung ermöglichen.

Die MRT erlaubt zusätzlich zur rein morphologischen Charakterisierung der Läsion aufgrund der verschiedenen spezifischen Sequenzen sowie der unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Kontrastmittel eine Aussage über die histologische Zusammensetzung und hämodynamischen Eigenschaften.

Durch T1- und T2-gewichtete Sequenzen (mit und ohne Fettunterdrückung), die Chemical-shift-imaging-Technik mit In- und Opposed-phase-Sequenzen sowie die diffusionsgewichteten Sequenzen (DWI) ist meist eine Differenzierung zwischen zystischen und soliden Läsionen möglich. Weiter ist eine Quantifizierung eines etwaigen Fettgehalts, einer Einblutung oder einer Protein- bzw. Glykogenspeicherung innerhalb der Leberläsion möglich.

Das Anfärbeverhalten in den dynamischen kontrastmittelverstärkten Sequenzen ist oft pathognomonisch für verschiedene Läsionen.

Der gezielte Einsatz verschiedener MR-Kontrastmittel (KM) erfolgt dabei nach dem Signalverhalten der zu charakterisierenden Läsion in T2-Wichtung. Erscheint die Läsion T2-gewichtet stark hyperintens, wird die Applikation extrazellulärer unspezifischer Gadoliniumchelate mit der Durchführung dynamischer Sequenzen empfohlen: eine Differenzierung zwischen einem Hämangiom und einer zystischen Metastase bzw. einem nekrotisch zerfallenden Tumor ist dadurch meist möglich.

Bei speziellen Fragestellungen kann v. a. bei onkologischen Patienten zur Differenzierung eines metastatischen Geschehens auch die Anwendung supraparamagnetischer Eisenoxidpartikel(SPIO)-MR-Kontrastmittel helfen.

Nach Applikation von SPIO-KM kommt es zu einem deutlichen Signalabfall benigner Läsionen auf T2-gewichteten Sequenzen, basierend auf der aktiven Aufnahme der Eisenoxidpartikel durch die Kupffer-Sternzellen oder das retikuloendotheliale System der Läsionen, wie bei der fokalen nodulären Hyperplasie (FNH), der Splenose, oder durch Akkumulation bzw. Pooling der Partikel in Hämangiomen.

Obwohl SPIO-MR-KM/Resovist® nicht mehr kommerziell verfügbar sind, ist die Anwendung im „off label use“ möglich.

Bei in T2-Wichtung isointensen oder gering hyperintensen Läsionen wird die Applikation von hepatobiliärem KM zur Differenzierung der häufigsten benignen Leberläsion, der FNH, von einer Metastase empfohlen.

Durch die Erkenntnisse der letzten Jahre bzgl. der Aufnahme- und Ausscheidungsprozesse von hepatobiliärem KM, v. a. Gadoxetat, ist eine genaue Charakterisierung der hepartalen Läsionen möglich.

Gadoxetat wird von speziellen Transportmechanismen, wie z. B. „organic anion transport peptide“ (OATP) und „multidrug resistance-associated protein (MRP) aufgenommen und ausgeschieden. Diese Transportproteine sind an der sinusoidalen (OATP und MRP3) oder kanalikulären (MRP2) Seite der Zellmembran lokalisiert. Das Vorhandensein oder Fehlen sowie auch die Expression dieser Transportmechanismen korrelieren gut mit dem KM-Verhalten der Läsionen. In einer FNH kommt es z. B. aufgrund der starken Expression von OATP zu einer deutlichen KM-Aufnahme. Im Gegensatz dazu wurde bei hepatozellulären Adenomen in der Literatur stets ein Auswaschen von Gadoxetat in der hepatobiliären Phase beschrieben. Durch offenbar unterschiedliche Expression bei den verschiedenen Adenomtypen wird neuerdings jedoch auch bei histopathologisch verifizierten Adenomen teilweise eine Gadoxetatretention in der hepatobiliären Phase beschrieben.

Weiter wird angenommen, dass sich die Transporterexpression unter den 4 Adenomtypen nach der neuesten geno- und phänotypischen Klassifikation (Bordeaux-Gruppe) unterscheidet. Ähnliche Mechanismen sowie die Expression der unterschiedlichen Transporter sind auch für das Anfärbeverhalten bzw. die Retention oder das Auswaschen von Gadoxetat in den hepatozellulären Karzinomen verantwortlich.

Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse ist es offensichtlich, dass die Diagnose und Charakterisierung fokaler Leberläsionen auf Veränderungen im Bereich molekularer bzw. sogar zellulärer Ebene basieren. Dies ist der Grundstein einer funktionellen Bildgebung, welche neben der Charakterisierung fokaler Leberläsionen auch Aussagen über die globale und segmentale Leberfunktion und konsekutiv eine Vorhersage über einen Therapieerfolg und das Überleben ermöglicht.

In diesem Heft fokussieren wir uns deshalb auf die neuesten klinisch etablierten Entwicklungen zur Detektion und Charakterisierung fokaler Leberläsionen. Weiter werden die routinemäßig angewendeten radiologischen interventionellen und therapeutischen Verfahren vorgestellt.

Wir wünschen Ihnen Allen viel Freude beim Lesen.

Ihre

Dr. Ahmed Ba-Ssalamah

Prof. Dr. Christian Herold