Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

kaum eine maligne Erkrankung hat in den letzten Jahren so viel Aufmerksamkeit für sich beansprucht wie das kolorektale Karzinom – jeder von Ihnen hat mit Sicherheit die groß angelegten Kampagnen und Aktionen in den Medien zum Thema „Darmkrebs“ bemerkt. Diese Bemühungen können nur begrüßt werden, ist doch das kolorektale Karzinom eine der wenigen malignen Erkrankungen, deren Auftreten wirkungsvoll verhindert werden kann.

Seit dem Jahr 2002 verfügt die Bundesrepublik Deutschland über eines der erfolgversprechendsten Screeningprogramme weltweit, mit dem die Früherkennung dieser Erkrankung entscheidend vorangebracht werden konnte. Trotz weit hinter den Erwartungen zurückbleibenden Teilnahmeraten – nur etwa 4–5% der über 20 Mio. Berechtigten nehmen jährlich am Koloskopiescreening teil – konnten nach ersten Berechnungen in den Jahren 2002–2009 bereits etwa 100.000 Darmkrebsfälle verhindert und über 300.000 Polypen mit fortgeschrittener Kolonneoplasie entfernt werden [1].

Bleiben die Chancen der Erkennung von Vorstufen oder Frühformen des Darmkrebses ungenutzt oder entwickeln sich aus anderen Gründen fortgeschrittene Stadien des kolorektalen Karzinoms mit Metastasen in der Leber oder/und anderen Organsystemen, greifen multimodale Therapiekonzepte, die – nach potenzieller Resektion des Primärtumors – in zunehmendem Maße neben der klassischen Chemotherapie auch antikörperbasierte Regimes beinhalten. Zudem wurden parallel die Strategien der extrakorporalen Bestrahlung entscheidend weiterentwickelt.

Die Radiologie nimmt im komplexen Feld der Früherkennung, der Diagnostik und des Stagings sowie der Evaluation des Therapieerfolgs bei Patienten mit kolorektalem Karzinom eine zentrale Rolle ein. So hat die CT-Kolonographie ihr enormes Potenzial beim Screening in multizentrischen Studien unter Beweis gestellt; das präoperative Staging fußt auf der schnellen und hochauflösenden Computertomographie; die Abklärung der fortgeschrittenen Erkrankungssituation wird durch die Ganzkörper-MRT und PET/CT sehr genau erfasst. Eine besondere Herausforderung stellt die Evaluation des Therapieerfolgs neoadjuvanter Regimes aus Bestrahlung und Chemotherapie dar.

Mit den Veränderungen der diagnostischen und therapeutischen Konzepte sehen sich die Radiologen vor neue Herausforderungen gestellt, indem sie nicht nur die jeweils angeforderte Untersuchung oder Intervention kompetent durchzuführen haben, sondern sich zunehmend als Lotse und Berater im oft unübersichtlich gewordenen Dickicht diagnostischer Algorithmen betätigen müssen. Dazu ist ein „Blick über den Gartenzaun“, d. h. auf die Entwicklung der Erkenntnisse und Konzepte in den Disziplinen unserer klinischen Partner erforderlich.

Bei den Autoren dieses Themenhefts des Radiologen möchten wir uns sehr herzlich für ihre Bereitschaft bedanken, uns in diesem Bemühen zu unterstützen und mit kompetenten Beiträgen einen Überblick über aktuelle und praxisrelevante Entwicklungen im Themenkomplex „kolorektales Karzinom“ zu vermitteln.

Ihre

PD Dr. Anno Graser

Prof. Dr. Maximilian F. Reiser