Bei Verschluss der A. carotis communis (ACC) sowie der proximalen A. carotis interna (ACI) sind suffiziente extrakranielle Kollateralversorgungen für die klinische Symptomatik des Patienten von großer Bedeutung. Eine genaue Diagnostik ist zur Beurteilung der Hämodynamik sowie für die Verlaufskontrolle wichtig. Der neurovaskuläre Ultraschall bietet hierfür optimale Voraussetzungen.

Fall 1 (Verschluss der proximalen ACI)

Eine 64-jährige Frau stellt sich bei einem seit 2015 bekanntem, asymptomatischem Verschluss der ACI links und dem auswärts geäußerten Verdacht auf eine hochgradige A.-carotis-interna-Stenose rechts vor. Die Kontrolluntersuchung zeigte eine 70 %ige (NASCET) Stenose der ACI rechts sowie einen proximalen Verschluss der ACI links. Weiter distal zeigt sich die ACI links wieder mit regelrechtem Strömungsprofil durch eine Kollateralfüllung über die A. pharyngea ascendens (APA; Abb. 1a–d). Die APA entspringt üblicherweise der A. carotis externa (ACE). In 5 % der Fälle entspringt die APA aus der proximalen ACI oder dem Bulbus caroticus [1]. Im Ultraschall findet sich bei einer Anlagevariante ein kleinlumiges Gefäß, welches in der Regel parallel der ACI kranial verläuft. In der kontrastmittelgestützten MR-Angiographie (CE-MRA) ließ sich dieses in unserem Fall darstellen (Abb. 2). Im Ultraschall zeigt sich ein pulsatiles, aber internalisiertes Strömungsprofil über der APA. Zur sicheren Diagnose eines ACI-Verschlusses ist der komplette Ultraschall der ACI, trotz bestehendem proximalem Verschluss der ACI, bis nach distal notwendig, um die Wiederauffüllung und die weitere Hämodynamik zu diagnostizieren.

Abb. 1
figure 1

a Proximaler Verschluss der A. carotis interna (ACI) links, b Wiederauffüllung der ACI über die A. pharyngea ascendens (APA), c distale ACI, d das internalisierte Strömungsgeräusch der APA, e das entsprechende Flussprofil der A. cerebri media (ACM). ACC A. carotis communis, ACE A. carotis externa

Abb. 2
figure 2

Kontrastmittelgestützte Magnetresonanz(MR)-Angiographie. Die Arteria pharyngea ascendens (Pfeil) stellt sich im parallelen Verlauf zur A. carotis interna links dar

Fall 2 (Verschluss der distalen ACC)

Die Überweisung des 70-jährigen Patienten erfolgt seitens des Augenarztes zur Abklärung der seit einer Woche rezidivierend auftretenden Amaurosis fugax rechts. Anamnestisch bestand Z. n. Thrombendarteriektomie (TEA) der ACI rechts 09/2006 und links 10/2006 sowie Z. n. Stentimplantation bei hochgradiger ACI-Restenose links (80 % NASCET) 03/2016. In einer auswärtigen Ultraschalluntersuchung zwei Monate vor der stationären Aufnahme sei eine mittelgradige ACC-Stenose rechts beschrieben worden. Duplexsonographisch zeigte sich nun ein distaler Verschluss der rechten ACC mit kollateraler Wiederauffüllung der ACI rechts über die ACE und über die A. thyroidea superior (ATS; Abb. 3a). Es ließ sich dabei eine Kollateralisation in Höhe der mittleren Schilddrüse über die A. thyroidea inferior (ATI) mit Speisung über den Truncus thyrocervicalis nachweisen (Abb. 3b). In der CT-Angiographie lässt sich der Verlauf der ATS von der Schilddrüse (SD) bis in die ACE verfolgen (Abb. 4).

Abb. 3
figure 3

a Farbkodierte duplexsonographische Darstellung (GE Logiq E9 [GE Logiq GE Healthcare, General Electric Company, Boston, MA, USA]) des Kollateralkreislaufs bei Verschluss der ACC über die ATS und ATI. b B-Flow-Darstellung (GE Logiq E9) des Kollateralkreislaufs bei Verschluss der ACC über die ATI, ATS, ACE in die ACI. c, d Transkranielle doppler-/duplexsonographische Darstellung (GE Logiq E9) des intrakraniellen Kreislaufs bei o. g. distalem Verschluss der ACC mit Wiederauffüllung der ACI über die ATI, ATS, ACE; c ipsilaterale ACM im M1/2-Abschnitt sowie d kontralaterale ACM im M1/2-Abschnitt. ACC A. carotis communis, ACE A. carotis externa, ACI A. carotis interna, ACM A. cerebri media, ATI A. thyroidea inferior ATS A. thyroidea superior

Abb. 4
figure 4

Computertomographie(CT)-Angiographie (SOMATOM Definition AS 128 Zeilen, Siemens [Siemens Healthineers Headquarters, Siemens Healthcare GmbH, Erlangen, Deutschland]). Raute A. carotis externa (ACE) rechts, Pfeil A. thyroidea superior (ATS) rechts, Kreuz A. carotis interna (ACI) rechts, Sternchen Schilddrüsenlappen (SD‑L.) rechts. (ad von kranial nach kaudal)

Diskussion

Der neurovaskuläre Ultraschall ist in der Hand des erfahrenen Untersuchers die Methode der Wahl zur nichtinvasiven Diagnostik bei hämodynamischen und morphologischen Veränderungen der hirnversorgenden Gefäße. Gerade die hämodynamische Beurteilung von Gefäßprozessen, wie z. B. bei den oben beschriebenen Kollateralkreisläufen ist eine wesentliche Stärke der Methode und führt zur Vermeidung von Fehlbehandlungen oder dem Einsatz einer invasiven Diagnostik. Neben der Erfahrung des Untersuchers spielen natürlich die anatomischen Kenntnisse und das Wissen über mögliche Kollateralversorgungen eine wesentliche Rolle. Vier typische Kollateralverläufe bei Verschluss der A. carotis communis konnten Wang und Kollegen [4] mittels MR-Angiographie, Dopplersonographie, CT-Angiographie und digitaler Subtraktionsangiographie (DSA) darstellen.

  1. 1.

    Über die ipsilaterale A. vertebralis (AV) – A. occipitalis (AO) – ACE – ACI;

  2. 2.

    über den ipsilateralen Truncus thyrocervicalis oder Truncus costocervicalis – A. cervicalis ascendens – AO – ACE – ACI;

  3. 3.

    kontralaterale ACE – kontralaterale ATS – ipsilaterale ATS – ipsilaterale ACE – ACI;

  4. 4.

    ipsilateraler Truncus thyrocervicalis – ATI –ATS – ACE – ACI.

Dieser Kollateralkreislauf wurde bereits 1977 von Lie und Kollegen beschrieben [2]. Es ist vorstellbar, dass in dem letztgenannten Kollateralkreislauf auch andere Äste der ACE mit zur Kollateralversorgung beitragen [4].

Pohlmann und Kollegen konnten Normvarianten mit Ursprung der A. pharyngea ascendens (APA) aus der ACI und dem Karotisbulbus mittels Duplexsonographie darstellen [3].

Dies sind die ersten Fälle von im Ultraschall dokumentierten Kollateralkreisläufen bei Verschluss der ACI über die APA sowie beim Verschluss der ACC über die ACE – ATS – ATI.

Die Kenntnisse der Normvarianten sowie die Einschätzung der hämodynamischen Verhältnisse bei Verschlussprozessen der extrakraniellen hirnversorgenden Gefäße ist für den Untersuchungszeitpunkt und für die Verlaufsbeurteilung von großer Bedeutung, um mögliche Fehlbehandlungen zu vermeiden. Bei im Ultraschall nicht abschließend zu klärendem Befund ist eine weitere angiographische Darstellung mittels MR-Angiographie, CT-Angiographie und ggf. digitaler Subtraktionsangiographie (DSA) notwendig.