FormalPara Leserbrief zu

Pfennig A et al (2017) Leitliniengerechte psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung bei bipolaren Störungen. Welche Ressourcen werden dafür benötigt? Nervenarzt 88:222–233. doi:10.1007/s00115-016-0083-3

Pfennig et al. empfehlen in ihrem Beitrag in Tab. 1 bei der stationären Behandlung einer Manie u. a. 50 min dauernde Einzelgespräche, 75 min dauernde Gruppentherapien mit 6 manisch erkrankten Patienten, 50 min dauernde „Regulationsgruppen“ mit 6 manisch erkrankten Patienten, 50 min dauernde Bezugspflegegespräche, 50 min dauernde Gruppenergotherapie und 50 min dauernde Gruppenphysiotherapie.

Wir haben uns im Ärzteteam unserer Klinik gefragt, welche Patienten damit gemeint sind. Immerhin verwenden die Autoren den Begriff Manie (nicht Hypomanie) und beziehen sich damit wahrscheinlich auf die Kriterien für manische Episoden der International Classification of Diseases (ICD 10). Nach unserer Erfahrung sind 50 min lange Einzelgespräche oder gar 75 min dauernde Gruppentherapien mit den meisten an einer Manie erkrankten Patienten gar nicht möglich. Die psychotherapeutische Behandlung dieser Patienten in unserer Klinik besteht in vielen kurzen Gesprächen, entweder 1:1 oder gemeinsam mit den Angehörigen und in der Gestaltung des therapeutischen Milieus, oft mit rasch wechselnden Aktivitäten, um dem Wunsch der Patienten nach Bewegung und sozialen Kontakten möglichst gerecht zu werden. Damit können frühe Behandlungsabbrüche bzw. Unterbringungen und Zwangsmaßnahmen vermieden werden.

Wenn Patienten mit einer Manie an dem in Tab. 1 genannten Behandlungsprogramm teilnehmen können, so ist nach unserer Einschätzung keine stationäre Behandlung mehr erforderlich, sondern eine ambulante Behandlung, die sich nicht an starren und wenig evidenzbasierten Leitlinien orientiert, sondern am Bedarf des einzelnen Patienten, sei es eine Einzelpsychotherapie oder eine Gruppenbehandlung, eine Peer-to-Peer-Beratung, eine Selbsthilfegruppe oder monatliche Termine in einer Ambulanz.

Die Leitlinienempfehlungen in Tab. 1 halten wir für weltfremd und ungeeignet.