Die Medizin wurde durch die Einführung der Magnetresonanztomographie (MRT) grundsätzlich verändert. Computertomographie (CT) oder MRT gehören zu den üblichen Methoden neurologischer und psychiatrischer Diagnostik und wer Angst vor einem Hirntumor hat, lässt erst einmal einen „Kernspin“ machen. Therapieentscheidungen sind nicht nur in der akuten Behandlung des Schlaganfalls ohne Bilder vom Inneren des Kopfes nicht mehr denkbar. Insgesamt sehen die relevanten Leitlinien bei vielen neuropsychiatrischen Störungen zumindest bei der Erstdiagnostik eine Bildgebung vor.
Aber was ist mit der funktionellen Bildgebung, die über die Anatomie hinausgeht? Die Feuilletons der Zeitungen sind voll von Berichten über „Durchbrüche“ der Hirnforschung und wie diese neue funktionelle Bildgebung unser tägliches Leben beeinflussen wird. Neuroethik, Neuromanagement oder der „freie Wille“ sind in der Gesellschaft verwendete Termini. Aber hat die Hirnforschung die neuropsychiatrische Medizin verändert?
Zusammengefasst: In den letzten Jahrzehnten hat die funktionelle Bildgebung erheblich zum Verständnis der Pathophysiologie psychischer und neurologischer Krankheitsbilder beigetragen. Sie umfasst traditionell die funktionelle MRT (fMRT), die Positronenemissionstomographie (PET) und die Single-Photonen-Emissions-Computertomographie (SPECT). Aus strukturellen Bildern von Läsionen in der grauen und/oder weißen Substanz und von Faserbahnen aus der Diffusionstensorbildgebung lassen sich Rückschlüsse auf die Erkrankung und ihre funktionellen Defekte ziehen. Die Kombination von fMRT und Fasertraktographie kann einzelnen Faserbündeln bestimmte Funktionen zuordnen und strukturelle Hintergründe neuronaler Funktionen aufzeigen. Die derzeitigen Anwendungsgebiete in unseren Fächern lassen sich in diese beiden Bereiche einteilen:
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Verstehen der Struktur und Funktionsweise des gesunden sowie des erkrankten Gehirns,
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individuelle Diagnostik und Therapiemonitoring.
Die moderne Bildgebung wird zu einer höheren diagnostischen Validität führen
Ein Teil dieser Zielrichtungen der modernen Hirnbildgebung wird in diesem Schwerpunktheft aus Sicht der Psychiatrie und der Neurologie aufgezeigt. Zur „Funktionskartierung“ vor neurochirurgischen Eingriffen wird die fMRT schon standardisiert eingesetzt und seit einiger Zeit vor allem in Kombination mit der Fasertraktographie aus der Diffusionstensorbildgebung. fMRT ist etabliert in der Fokussuche in der prächirurgischen Epilepsiediagnostik. Über die Chancen und Herausforderungen der Kombination von fMRT und Elektroenzephalographie berichten B. Reese, U. Habel und I. Neuner. PET wird erfolgreich in der Frühdiagnose und Differenzialdiagnose bei Demenz und degenerativen Hirnprozessen eingesetzt und ist deshalb in die neuen Diagnosekriterien aufgenommen worden. P.T. Meyer, F. Amtage und S. Hellwig zeigen, dass das etablierte FDG-PET nicht nur bei der Differenzialdiagnose von Parkinson-Syndromen entscheidend sein kann, sondern dass die bekannte klinische Subklassifikation vielleicht überdacht werden muss.
Die sog. „Resting-state-fMRT“ bietet die Möglichkeit, neuronale Netze im Gehirn, die sich einer funktionellen Untersuchbarkeit entziehen, unter Ruhebedingungen zu analysieren. W. Grodd und C.F. Beckmann geben hier einen Überblick.
Die konventionelle fMRT bei Patienten lässt pathologische Zustände besser verstehen, wie C.A. Kell zur Sprachproduktion darstellt. Die Kombination von TMS und fMRT zeigt die Effekte lokaler Netzwerkmodulation, wie dies F.C. Hummel darlegt, ein Ansatz, den viele Erfolg versprechend für eine therapeutische Intervention sehen.
Diagnostik und Verlaufsprädiktion psychischer Erkrankungen können mittels multivariater Analysetechniken im Neuroimaging unterstützt werden. J. Kambeitz und N. Koutsouleris geben hierzu einen Überblick.
Die moderne Bildgebung ist ein breites und vielschichtiges Feld, weshalb nicht alle Aspekte der Thematik in diesem Heft angesprochen werden können. So haben sich die gesamte Neurorehabilitation und die ätiopathogenetischen Vorstellungen zu vielen psychischen Erkrankungen durch den Nachweis einer erhaltenen Plastizität im erwachsenen, geschädigten und nicht geschädigten Gehirn geändert. Abbilder kognitiver Prozesse bei vermeintlich „apallischen“ Patienten haben zu einer differenzierteren Betrachtungsweise dieser Zustände geführt. Der „Placeboeffekt“ bewirkt ähnliche Veränderungen im Gehirn wie die Schmerztherapie mit Morphinen. Die Erkenntnis, dass eine psychogene Lähmung oder eine Alkoholabhängigkeit mit „Veränderungen“ der Hirnaktivität einhergeht, führt zu einem verbesserten Zugang bei Patienten, die ihr eigenes Gehirn zu sehen bekommen. In der Psychiatrie gibt es die Erwartung, dass die Bildgebung – neben und zusammen mit der Genetik – den Weg zu einer biologischen Klassifikation und zu einer damit verbundenen höheren diagnostischen Validität bereiten könnte.
Die moderne Bildgebung hat bereits einen erheblichen Einfluss auf unsere Fächer gehabt, auch für die Zukunft sind noch erhebliche und wertvolle Impulse zu erwarten.
Prof. Dr. Cornelius Weiller
Prof. Dr. Dr. Frank Schneider
Interessenkonflikt
C. Weiller und F. Schneider geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Weiller, C., Schneider, F. Moderne Bildgebung in Neurologie und Psychiatrie . Nervenarzt 85, 669–670 (2014). https://doi.org/10.1007/s00115-013-3970-x
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