Am Ostersonntag dieses Jahres, dem 08.04.2012, ist nach kurzer Krankheit Prof. Dr. med. Drs. h.c. Gerd Huber verstorben. Im Dezember 2011 hatte er noch bei guter Gesundheit seinen 90. Geburtstag feiern können. Aus diesem Anlass veranstalteten die Bonner und Kölner psychiatrische Universitätsklinik zu seinen Ehren ein wissenschaftliches Symposium mit starker nationaler und internationaler Beteiligung. Dabei war es Gerd Huber vergönnt, zu sehen, wie sein Werk in die Zukunft hinein fortwirkt. Bei dieser Gelegenheit konnte er auch zahlreiche Bekundungen der Wertschätzung, Grußadressen und Dankesbezeugungen aus aller Welt entgegennehmen.

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Am 03.12.1921 in Echterdingen bei Stuttgart geboren, legte Gerd Huber 1948 an der Universität Heidelberg sein medizinisches Staatsexamen ab und promovierte bei dem Pathologen Wilhelm Doerr zum Doktor der Medizin. 1949 bis 1955 war er als wissenschaftlicher Assistent an der Psychiatrischen und Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg tätig, die damals unter der Leitung seines ihn prägenden akademischen Lehrers, des bedeutenden deutschen klinischen Psychopathologen Kurt Schneider stand, und nutzte schon gleich das Jahr 1950 auch für eine ergänzende Ausbildung bei dem damals führenden Hirnforscher Willibald Scholz an der damaligen Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie in München. Im Jahre 1957 habilitierte er sich bei Walter von Baeyer, dem Nachfolger von Kurt Schneider an der Universität Heidelberg, mit einer wegweisenden Schrift über „Pneumenzephalographische und psychopathologische Bilder bei endogenen Psychosen“. 1955 bis 1962 war er Oberarzt und Leiter der psychiatrisch-neurologischen Poliklinik sowie der neuroradiologischen Abteilung der Universität Heidelberg und ging anschließend nach der Ernennung zum außerplanmäßigen Professor als klinischer Oberarzt und späterer wissenschaftlicher Rat zu Hans Jörg Weitbrecht an die Nervenklinik der Universität Bonn. 1968 nahm er den Ruf auf die ordentliche Professur für Psychiatrie an der Universität Ulm an und war bis 1974 als Direktor des als akademisches Krankenhaus der Universität fungierenden Landeskrankenhauses Weißenau tätig. Anschließend folgte er dem Ruf auf den Lehrstuhl für Psychiatrie und Neurologie an der Medizinischen Hochschule Lübeck und erhielt 1976 weitere Rufe auf die Ordinariate für Psychiatrie an der Technischen Universität München und an der Universität Bonn. 1978 nahm er den Bonner Ruf an und wirkte dort als ordentlicher Professor für Psychiatrie und Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik und Poliklinik bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1987. Auch in den nachfolgenden 25 Jahren blieb seine Schaffenskraft als publizierender Wissenschaftler, Herausgeber wissenschaftlicher Zeitschriften und Bücher, Lehrbuchautor, Organisator renommierter wissenschaftlicher Veranstaltungsreihen wie der Weißenauer Schizophreniesymposien und viel gefragter Referent auch mit ausgedehnten Lehr- und Forschungsreisen etwa nach Lateinamerika, Japan und anderen Ländern bis zuletzt ungebrochen.

Gerd Huber hat sich hohe Verdienste um die Entwicklung der psychiatrischen Forschung, Lehre und Krankenversorgung in Deutschland erworben. Bezeichnend für sein außerordentlich umfangreiches, in vielen Sprachen erschienenes Werk ist die Verbindung der phänomenologischen Forschungsrichtung mit neurobiologischen Untersuchungsmethoden. Mit diesen Mitteln hat er in eigenen, groß angelegten Verlaufsstudien bis dahin nicht bekannte Basissymptome und Basisstadien bei schizophrenen und affektiven Erkrankungen beschrieben, den Subtyp der zönästhetischen Schizophrenie herausgearbeitet und erstmals auch hirnorganische Korrelationsbefunde aufgedeckt. Sein hieraus hervorgegangenes Basissymptomkonzept wurde durch die „Bonn-Studie“, eine der größten europäischen Langzeituntersuchungen zur Schizophrenie mit zahlreichen wichtigen Einzelergebnissen, weiter abgesichert und zum Ausgangspunkt für die heutige internationale Früherkennungs- und Präventionsforschung fortentwickelt. Seine bisher in 7 Auflagen erschienene „Psychiatrie“ war über lange Jahre der dominierende Lehrtext des Fachs mit prägender Bedeutung für die Aus- und Weiterbildung und ist es bis heute geblieben. Er hat neue, didaktisch erfolgreiche Formen des studentischen Unterrichts eingeführt und beim Aufbau großer psychiatrischer Versorgungssysteme im In- und Ausland mitgewirkt.

Die Verdienste von Gerd Huber sind heute allgemein anerkannt und haben zu seinen Lebzeiten zu zahlreichen nationalen und internationalen Auszeichnungen geführt. Er erlangte die Ehrendoktorwürde der Nationalen Universität von Asuncion und der traditionsreichen Universität von Parma, war Gründungs- und Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie, erstes deutsches Ehrenmitglied auch der Weltgesellschaft für Biologische Psychiatrie, Vorstands- und späteres Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde und Ehrenmitglied sowie auch Ehrenpräsident noch zahlreicher weiterer Fachgesellschaften und wissenschaftlicher Arbeitsgemeinschaften im europäischen und außereuropäischen Ausland. Er ist der sozialistisch eingefärbten Psychiatriekritik der späten 1960er und frühen 1970er Jahre kompromisslos entgegengetreten und hat bei einer Erkundungsreise im Auftrag der Psychiatrischen Weltgesellschaft seinerzeit unerschrocken und konsequent den Missbrauch der Psychiatrie in der früheren Sowjetunion und anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks benannt. Als er 1994 das Bundesverdienstkreuz für seine herausragenden Leistungen für die psychiatrische Forschung und das Schicksal der psychisch Erkrankten verliehen bekam, war es gerade diese Ausstrahlung in die Welt und die mit ihr verbundenen Mehrung des Ansehens und des Vertrauens im internationalen Bereich, die dabei besonders starke Beachtung fanden.

Mit Gerd Huber verstarb ein leidenschaftlicher und kreativer Wissenschaftler, ein das subjektive Erleben seiner Patienten sehr ernst nehmender und zugleich biologisch-medizinisch souveräner Kliniker und ein in seiner Geradlinigkeit beeindruckender akademischer Lehrer. Er hat ein Beispiel für die nachwachsende Generation in der psychiatrischen Wissenschaft gegeben. Wir werden Gerd Huber ein bleibendes Andenken bewahren.

Joachim Klosterkötter

Wolfgang Maier