Zusammenfassung
Am 17.12.2009 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte – nach einer 5,5-jährigen Verfahrensdauer – über die Zulässigkeit des rückwirkenden Wegfalls der Zehnjahresfrist für die erste Sicherungsverwahrung für Gewaltverbrecher entschieden. Sie hat sie für konventionswidrig angesehen und dem Untergebrachten eine Entschädigung von 50.000,00 EUR zugesprochen. Diese Entscheidung, welche dem Betroffenen zunächst nur die Entschädigung, jedoch nicht die Freiheit gebracht hat, wird erhebliche Auswirkungen auf das Recht der Sicherungsverwahrung haben. Sie ist seit dem 10. Mai 2010 rechtskräftig, nachdem die große Kammer das Rechtsmittel der Bundesregierung zurückgewiesen hat. Der Beitrag stellt die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs dar und erörtert ihre Folgen für das Recht der Sicherungsverwahrung.
Summary
On 17.12.2009 the European Court of Human Rights announced a verdict on the admissibility of retrospective abolition of the 10-year time limit for the first preventive detention for violent criminals after a court process lasting 5.5 years. The Court decreed that this was a breach of the Convention and awarded the internee damages of 50,000 EUR. This verdict, which has initially brought the damages to the person concerned but not freedom, will have substantial effects on the right of preventive detention. This decision is final since 10 May 2010 after the High Court rejected the appeal of the Federal Government. This article presents the verdict of the European Court and discusses the sequelae for the right of preventive detention.
Notes
EGMR, Urteil vom 17.12.2009 – 19359/04 nichtamtliche Übersetzung aus dem Englischen bei BeckRS 2010, 01692.
BVerfG 2 BvR 2029/01 bei juris.
EGMR aaO Rn. 87.
EGMR aaO Rn. 96.
EGMR aaO Rn. 102.
EGMR aaO Rn. 103.
EMRK aaO Rn. 120.
EMRK aaO. Rn. 122 ff.
Vgl. MK-Uhlenbruch § 66b Rn. 40, 41 m.w.N.
Vgl Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. MRK Vorbem. Rn. 3, m.w.N.
BVerfG NJW 2004, 3407.
BVerfG Beschluss vom 22.12.2009, 2 BvR 2365/09 und vom 19.05.2010, 2 BvR 769/2010 jeweils bei juris.
So der 4. Strafsenat des OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 12.05.2010, 4 Ws 114/10.
So LG Koblenz Beschluss vom 19.05.2010, 7 StVK 139/10 und LG Marburg Beschluss vom 17.05.2010, 7 StVK 220/10.
Beschluss vom 25.05.2010, 2 Ws 169 u. 170/2010.
Beschluss vom 01.06.2010, 1 Ws 57/10.
4. StR 577/10 bei Juris.
BGH 1 StR 595/09, Beschluss vom 14.01.2010, bei juris.
Beschluss vom 09.03.2010, 1 StR 554/09.
S.o.unter II 1 b.
Literatur
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Leygraf J (2010) Die Entwicklung der Rechtsprechung zur nachträglichen Sicherungsverwahrung seit 2006. Forens Psychiatr Psychol Kriminol 4:3–11
Meyer-Goßner L (2007) Strafprozessordnung, 52. Aufl. C.H. Beck, München
Joecks W, Miebach K, Heintschel-Heinegg B von (2005) Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd 2/1. C.H. Beck, München
Interessenkonflikt
Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Leygraf, J. Ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung am Ende?. Nervenarzt 81, 867–872 (2010). https://doi.org/10.1007/s00115-010-3046-0
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00115-010-3046-0
Schlüsselwörter
- Gewaltverbrechen
- Sicherungsverwahrung
- Zehnjahresfrist
- Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
- Rechtsfolgen